Zwangsprostitution:Zwei Wochen in der Hölle

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Erst nach und nach kam das ganze Ausmaß ihres Leidenswegs ans Licht: Eine 17-Jährige Afrikanerin wurde in einem Haus festgehalten, geschlagen und zur Prostitution gezwungen. Jetzt sucht die Polizei Zeugen.

Susi Wimmer

Ein minderjähriges Mädchen ist in einem Haus nahe München mindestens zwei Wochen lang von Unbekannten festgehalten, geschlagen und zur Prostitution gezwungen worden. Ein Freier namens "Hans" half der 17-Jährigen Anfang Februar schließlich, zu entkommen. Die Geschichte erinnert an das Schicksal einer 36-jährigen Chinesin, die eineinhalb Jahre lang in der Nähe von München eingesperrt und gequält wurde. Der Fall ist bis heute ungeklärt.

"Diesmal stehen die Chancen besser, die Täter zu fassen", ist sich Kriminalhauptkommissar Uwe Dörnhöfer sicher. Während im Fall der Chinesin Täter und Freier aus China stammten, wurde die 17-Jährige aus Nigeria zur Prostitution mit Männern europäischen Aussehens gezwungen. Die Polizei hofft, dass sich einer von ihnen meldet, "Hinweise behandeln wir auf Wunsch auch vertraulich".

Das tragische Schicksal der Schwarzafrikanerin Sally begann an dem Tag, als ihre Pflegemutter in Nigeria beschloss, das Mädchen mit 14 Jahren aus der Realschule in Benin City zu nehmen, weil diese zu teuer geworden war. Sallys leibliche Mutter war gestorben, als das Kind fünf war, der Vater ist unbekannt. Sally sollte zu Hause bleiben - und als Prostituierte Geld verdienen. Die 42-jährige Pflegemutter soll ihr immer wieder Freier zugeführt und sie verprügelt haben.

Dann flog die Pflegemutter nach London. Sally sollte mit einer Frau namens Lilli nachkommen. Doch statt London steuerten Lilli sowie eine weitere afrikanische Frau mit der Minderjährigen München an. Vom Hauptbahnhof aus fuhren die drei Frauen mit der S 3 Richtung Holzkirchen. Es war Nacht und Sally kann sich nur an den S-Bahn-Treppenabgang erinnern mit vielen abgestellten Rädern, einem Vorplatz mit niedrigen und wenigen Häusern. Laut Polizei muss es sich um eine S-Bahnstation zwischen Fasangarten und Otterfing handeln. Zehn bis 20 Minuten gingen die Frauen zu Fuß zu einem cremefarbenen Haus mit einer Eingangstüre aus Holz, zu der ein paar Stufen hinaufführten. Das Haus sollte Sally wochenlang nicht verlassen.

Das Mädchen wurde in einem Zimmer eingesperrt, geschlagen und gezwungen, mit fremden Männern zu schlafen. Drei bis vier Freier sollen es pro Tag gewesen sein. Eines Tages, so erzählt Kriminaloberkommissar Stefan Süß, habe sich das Mädchen einem "Hans" anvertraut. Dieser half ihr, das Haus zu verlassen. Er setzte sie am Hauptbahnhof ab, wo sie von der Polizei kontrolliert wurde. Da sie keine Papiere bei sich hatte, wurde sie festgenommen. Sally begann nur langsam, ihre Geschichte zu erzählen. Eine Hilfsorganisation kümmerte sich um das Mädchen, das sich in einem "schlechten psychischen Allgemeinzustand" befand. Erst nach und nach kam das ganze Ausmaß ihres Leidenswegs ans Licht.

Nun sucht die Polizei Zeugen, die ein Haus in der Nähe eines S-Bahnhofs kennen, in dem ein reges Kommen und Gehen von europäischen Männern und afrikanischen Frauen herrschte. Auch wird "Hans" als Zeuge gesucht. Für Hinweise sind 3000 Euro Belohnung ausgelobt.

© SZ vom 26.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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