"Zur Sache, Schätzchen":Wie Werner Enkes erster Film eine ganze Generation prägte

'68' im Kino

Enkes Spielfilmdebüt "Zur Sache, Schätzchen" lockte 1968 6,5 Millionen Menschen ins Kino.

(Foto: picture-alliance/dpa)

Durch den Filmemacher wurde München in den Sechzigern zum Sehnsuchtsort der Jugend. Bis heute lebt er in Schwabing - und ärgert sich manchmal über die Sache mit Hollywood.

Von Josef Grübl

Für jemanden, der sein Leben lang das Nichtstun propagiert hat, ist Werner Enke am Montagabend ziemlich aktiv. Das "Heppel & Ettlich" hat den Schauspieler und Autor eingeladen; er haderte lange mit sich, noch am selben Morgen wollte er absagen.

Er leidet seit jeher unter furchtbarem Lampenfieber, doch je länger der Abend geht, desto wohler fühlt er sich auf der Bühne: Der 74-Jährige genießt die Aufmerksamkeit, erzählt Schwänke aus seinem Leben, führt Filme vor, springt von der Bühne ins Publikum und zelebriert die Kunst des Rauchens. Ohne seine Zigaretten geht nichts, immer wieder zündet er sie an, nur für einen Zug oder zwei. Dann macht er sie wieder sorgfältig aus.

Der gebürtige Berliner Enke war einmal ein großer deutscher Filmstar. Das liegt allerdings schon mehr als vier Jahrzehnte zurück, damals lockte er aber so viele Zuschauer in die Kinos wie heute höchstens noch die Filme mit Elyas M'Barek oder Til Schweiger.

"Zur Sache, Schätzchen": Filmemacher Werner Enke lebt zurückgezogen in München.

Filmemacher Werner Enke lebt zurückgezogen in München.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein Film prägte die ganze Generation

Sein Spielfilmdebüt "Zur Sache, Schätzchen" prägte eine ganze Generation, er machte München in den Sechzigerjahren zum Sehnsuchtsort der bundesdeutschen Jugend. Zieht es die heutigen Hipster in Berliner In-Viertel wie Friedrichshain oder Neukölln, musste es damals Schwabing sein. Dort lebt Enke noch heute, in einem Häuschen nahe der Münchner Freiheit, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin May Spils.

Die beiden sind seit fünfzig Jahren ein Paar: May Spils führte bei "Zur Sache, Schätzchen" Regie, Werner Enke schrieb das Drehbuch und spielte die Hauptrolle. Auch der nächste Film, "Nicht fummeln, Liebling" - auch hier führte Spils Regie - wurde ein großer Publikumserfolg. An dieser Rollenverteilung hat sich bis heute nichts geändert: Während er vorne im Scheinwerferlicht sitzt, in Jeans, weißen Turnschuhen und Karohemd, schaut sie von der dritten Reihe aus zu. Vor ihrer Filmkarriere jobbte sie als Model, heute braucht sie keine Kameras mehr. Auf die Bühne geht Spils nur kurz in der Pause, sie trägt eine Sonnenbrille und flüstert ihrem Partner etwas ins Ohr.

Manchmal verliert er sich in Anekdoten

Ob sie ihm Regieanweisungen gibt? Das soll an diesem Abend ihr Geheimnis bleiben. Ansonsten erfahren die Zuschauer viel über die beruflichen Anfänge des Paares, über die Erfolge und das frühe Ende ihrer Karrieren. Manchmal weiß Enke selbst nicht mehr, ob seine Geschichten Film, Traum oder Realität sind, manchmal verliert er sich auch in Anekdoten. In solchen Momenten ist der Moderator des Abends gefordert: "Jetzt fragen Sie mich doch mal wieder was", sagt Enke zu ihm. Das macht dieser dann auch und versucht die Gedankensprünge seines Gesprächspartners in geordnete Bahnen zu lenken.

Enke erzählt von den Daumenkinos seiner Jugend und den durchgesoffenen Nächten in Schwabinger Kaschemmen, von Filmfreunden wie Regisseur Klaus Lemke und von Feindbildern wie der Polizei oder den extremen Linken. Der 1966 entstandene Kurzfilm "Manöver" zelebriert das Faulenzen mindestens genauso schön wie der zwei Jahre später entstandene Film "Zur Sache, Schätzchen". Nebenbei gibt es eine hübsche Parallele zum größten Kinohit des Jahres 2015. In "Fack ju Göhte 2" hat Elyas M'Barek als fauler Lehrer dieselben Aufstehprobleme wie der junge Mann, den Enke vor fast fünfzig Jahren in "Manöver" gespielt hat - heute wie damals hilft selbst eine ganze Armada von Weckern nichts.

Die Sache mit Hollywood ärgert ihn bis heute

Es gibt noch einen weiteren Überschneidungspunkt von "Fack ju Göhte" mit dem Werk von Enke und Spils: Die beiden machten Uschi Glas zum Star, die Komödien aus dem Jahr 2013 bescherten ihr ein spätes Comeback. "Nur schade, dass sie heute die Rolle des doofen Theo Lingen spielen muss", sagt Enke, "damals war sie noch eine der Schülerinnen."

Mindestens 6,5 Millionen Menschen sahen "Zur Sache, Schätzchen" - mehr noch als die Pauker-Filme, die Uschi Glas danach drehte. Das "Schätzchen" war aber auch so ein ganz anderes Kaliber; der für wenig Geld gedrehte Schwarz-Weiß-Film brachte "Nouvelle-Vague"-Feeling nach München und machte die damals 23-jährige Uschi Glas zur begehrtesten Frau der Republik. Ihr Filmpartner verweigerte sich schon damals den Mechanismen des Filmgeschäfts - einfach, indem er fast nirgendwo mehr auftauchte.

Anfang der Achtziger war Schluss

Werner Enke arbeitete nur noch mit May Spils, sie machten noch vier Filme zusammen, Anfang der Achtzigerjahre war dann Schluss. Da waren die beiden gerade einmal um die vierzig. Danach zogen sie sich ins Private zurück, kümmerten sich um ihre pflegebedürftigen Eltern und tauchten ab und an in "Was macht eigentlich . . . ?"-Zeitschriftenartikeln auf. Sie wussten instinktiv, dass ihre Zeit beim Film vorbei war, die Achtundsechziger-Hippies wurden sesshaft, der Glanz von Schwabing verblasste.

Nur die Sache mit Hollywood ärgert ihn heute noch, gesteht Werner Enke. Nach den ersten großen Erfolgen klopfte ein großes US-Studio an, es gab sogar erste Meetings in Amerika. Bald wurde ihnen aber klar, dass man den Sprachwitz ihrer Filme nicht so einfach ins Englische übersetzen konnte. Also machten sie in Deutschland weiter und verlagerten sich mehr auf Slapstick und visuelle Gags.

Dec 30 1969 Werner Enke and Gila von Weitershausen are pictured here in their new film Nicht fum

Auch der nächste Film "Nicht fummeln, Liebling" wurde ein großer Publikumserfolg.

(Foto: imago/ZUMA/Keystone)

Ein Spruch bleibt legendär

Über diese Szenen aus seinen letzten beiden Filmen "Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt" oder "Mit mir nicht, du Knallkopp" kann man auch heute noch lachen, so einzigartig wie die Wortschöpfungen und Wortkaskaden der ersten Filme sind sie aber nicht - selten wurde "Fummeln" so häufig gesagt wie in Enkes Filmen, und auch sein Spruch "Es wird böse enden" ist legendär.

Werner Enke und May Spils dürfen stolz darauf sein, die allerersten Slacker-Filme gedreht zu haben - und zwar lange, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Die beiden haben auch heute noch ihre Fans, nicht nur im "Heppel & Ettlich", sondern auch in der deutschen Musikszene. Die Indie-Band Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen habe einen Song über ihn geschrieben, erzählt Enke stolz. Das Video zeigt er selbstverständlich auch, der Titel des Songs lautet: "Kennst du Werner Enke?"

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