Zum Tod von Augustiner-Chef Inselkammer:Mächtiger Mann im Hintergrund

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Beim Skifahren verunglückt: Augustiner-Chef Jannik Inselkammer. (Foto: Getty Images)

München war ihm oft zu oberflächlich, extrovertiert und großspurig. Trotzdem lag Jannik Inselkammer die Stadt immer am Herzen. Der Tod des zurückhaltenden Augustiner-Chefs löst bei vielen einen Schock aus.

Von Stephan Handel

Jannik Inselkammer hat dieses München nie verstanden. Denn dieses München ist: großspurig. Oberflächlich. Nach außen gekehrt. Tue Gutes oder mach Quatsch, aber sorge dafür, dass darüber geredet wird, denn dann werden die Journalisten oder wenigstens Michael Graeter über dich schreiben, und dann wirst du in München weltberühmt.

Jannik Inselkammer war diskret. Sehr diskret. So diskret, dass von seiner Frau Simone, die er 2010 heiratete, keine Fotos existieren und auch keine von der Tochter Antonia, die wohl im Kindergartenalter sein dürfte. Wenn die Familie überhaupt einmal gemeinsam auftrat, dann konnten die Fotografen froh sein, wenn Inselkammer gute Laune hatte - dann erklärte er ihnen, warum sie nicht fotografiert werden wollten. War er schlecht gelaunt, dann war der Ton deutlich rauer, der Inhalt blieb gleich: Lasst uns in Ruhe.

Das ist außergewöhnlich in einer Stadt, in der mehr als genug Männer rumlaufen, die als Berufsbezeichnung "Sohn" angeben könnten, weil sie vom Ruhm und vom Geld der Eltern leben. Ruhm, na ja: Bekanntheit wäre auch in der Familie Inselkammer reichlich vorhanden: Der Vater Hans, zunächst Immobilien-Entwickler, dann ins Brauerei-Geschäft eingestiegen, dessen Cousin Franz, der den stolzen Titel "Bräu von Aying" trägt, und Peter, ebenfalls ein Cousin, als Wirt des Armbrustschützenzelts auf der Wiesn und der Platzl-Gaststätte sowieso im obersten Rang der Münchner Hierarchie angesiedelt.

Beteiligung am Nationalheiligtum

Diese Informationen sind relativ leicht zugänglich - aber dann wird's schwierig. Es existiert kein Interview mit Jannik Inselkammer, nirgendwo hat er sich geäußert über seine unternehmerischen Vorstellungen. Wirtschaft hat er wohl studiert und 1999 an der Universität Siegen promoviert, mit einer Arbeit über die Distributionsmodelle amerikanischer Brauereien. In dieser Branche war er zuvor schon aktiv - 1996 hatte er Hasen-Bräu in Augsburg gekauft, 1997 macht ihn der Vater zum Geschäftsführer der traditionsreichen Brauerei Tucher in Nürnberg.

Da ist die Familie aber schon an einem bayerischen, an einem Münchner Nationalheiligtum beteiligt: Mehr als 30 Prozent hält sie an der Augustiner-Brauerei, und 2004 wird Jannik Inselkammer dort geschäftsführender Gesellschafter. Er hat es zu tun mit der Mehrheitsgesellschafterin, der Edith-Haberland-Stiftung, und deren Vorstand, dem alten Münchner Bier-Patron Ferdinand Schmid. Der hatte Edith Haberland vor ihrem Tod zur Gründung der Stiftung geraten, aus zwei Gründen: Um zu verhindern, dass Augustiner von einem internationalen Konzern aufgekauft wird. Und um mit den Erlösen der Stiftung Gutes zu tun - der erste Schluck Augustiner ist eine Wohltat, der zweite eine Wohltätigkeit, sagt man in München.

Der neue, junge Geschäftsführer teilte mit seinem Vorstand die Vorliebe für lautloses Wirken. Schon Ferdinand Schmid zog seine Fäden im Hintergrund und blieb selbst am liebsten im Verborgenen - bis heute hat das Unternehmen keinen Pressesprecher und betreibt keinerlei Werbung, ein Umstand, den Gerhard Ohneis für alle Zeiten festgeschrieben sah, der vor Inselkammer Geschäftsführer war: "Wenn wir jetzt anfangen würden mit Werbung, würden alle sagen: Die haben's wohl nötig."

Unklar ist, welchen Stellenwert die Augustiner-Beteiligung im Inselkammer-Portfolio ausmacht. Alle anderen Aktivitäten sind in der Inka GmbH, über die allerdings auch nicht sehr viel mehr zu erfahren ist, als dass sie ihren Sitz in der Neuhauser Straße hat. Dort geht es hauptsächlich um Immobilien - rund um das Platzl gehören den Inselkammers zahlreiche Gebäude, aber auch im Rest der Stadt, so am Promenadeplatz.

Das Nest ist also gemacht, in das sich Jannik Inselkammer hätte setzen können, das Familienvermögen mehrend, und ansonsten das Leben genießend. Jedoch: Alle, die ihn kannten, berichten von einem engagierten, interessierten Bürger, einem, der sich verantwortlich fühlte für die Stadt und für die Menschen, die in ihr leben.

Sabine Nallinger, die Grünen-Stadträtin, berichtet, dass sie für eine Initiative zur Förderung erneuerbarer Energien Mitstreiter gesucht habe - und auch bei Inselkammer anrief. Der fand das Thema sofort hochinteressant und sagte auf der Stelle ein Treffen zu, obwohl Nallinger ihn im Urlaub erwischt hatte. Und Ingeborg Staudenmeyer, Ex-Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg, erzählt, sie habe immer zu ihm kommen können: "Er hat gesagt, von niemandem lasse er sich so gerne ein Freibier rausleiern wie von mir." Aber nie im Leben wäre es ihm eingefallen, darüber die Medien zu informieren oder gar einen Fototermin auszurufen.

Immer den Finger in die Wunde

Georg Randlkofer, Chef des Hauses Dallmayr, ist einer der alteingesessensten Familienunternehmer Münchens. Vielleicht reagiert er gerade deshalb so geschockt auf die Nachricht von Inselkammers Tod. "Er war eine ganz wichtige Führungsfigur für die jüngere Generation, die jetzt eigentlich Münchens Familienunternehmen übernehmen sollen", sagt Randlkofer. "Er wird uns allen fehlen."

Nicht nur wegen seiner unternehmerischen Leistung im Inselkammer-Imperium und in der Augustiner-Brauerei: "Jannik Inselkammer lag die Attraktivität der Altstadt ganz besonders am Herzen. Er hat immer die Finger in die Wunde gelegt, wenn es darum ging, Missstände in der Innenstadt anzuprangern und Verbesserungen zu erreichen", sagt Randlkofer und erzählt von Kämpfen, die er an Inselkammers Seite ausgefochten hatte, besonders als Randlkofer noch eine führende Position bei "City Partner" hatte, dem Zusammenschluss der Münchner Innenstadtgeschäfte. "Die Fußgängerzone zum Beispiel lag ihm immer am Herzen. Er konnte sich wahnsinnig aufregen über Müll und Dreck dort - und er hat ja auch erreicht, dass sie an einigen Stellen attraktiver wird", erinnert sich Randlkofer. Einer, der die Münchner anspornt, noch besser zu werden, einer, dem die Stadt nicht egal ist, einer, der "so zielorientiert, so präzise arbeitet, und doch bescheiden auftritt" - so einer fehle jetzt der Stadt.

Jannik Inselkammer
:Augustiner-Chef stirbt beim Skifahren in Kanada

Er galt als einer der einflussreichsten Geschäftsleute Münchens: Jannik Inselkammer, Gesellschafter der Augustiner-Brauerei. Der 45-Jährige ist in Kanada beim Skifahren in einer Lawine ums Leben gekommen.

Von Christian Krügel

Einer, der sich reinhängt, der sich engagiert, der sich überzeugen lässt und dann voller Überzeugung loslegt - wie bei der Olympiabewerbung, in der Inselkammer eine große Chance für die Stadt sah und die er deshalb auch großzügig unterstützte. Bis zu seinem Tod hat Inselkammer in München viel bewegt, umso mehr vielleicht, weil er nie ein Aufheben darum gemacht hat, sondern arbeitete, ohne Ruhm und Preis dafür zu erwarten. Vielleicht hat er ja diese Stadt doch verstanden.

© SZ vom 27.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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