Zorneding:Das fatale Schweigen der Kirche

Kardinal Reinhard Marx in der Bundespressekonferenz

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising

(Foto: dpa)

An der klaren Haltung der Kirche gegen Rassismus kann niemand zweifeln. Doch im Fall Zorneding hat sie sich falsch verhalten.

Kommentar von Kassian Stroh

Niemand kann an der Haltung der katholischen Kirche zweifeln. Niemand kann in Frage stellen, dass sie Fremdenhass aus tiefster Überzeugung ablehnt. Niemand kann Reinhard Marx, dem Münchner Erzbischof, unterstellen, dass ihn öffentliche Hetztiraden gegen Ausländer kalt ließen. Nur gilt für den Fall Zorneding: Diese richtige Haltung hat nicht die richtigen Handlungen nach sich gezogen.

Zweimal hat sich Marx nun zu Wort gemeldet, er hat klar verurteilt, wie übel dem aus dem Kongo stammenden Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende mitgespielt wurde. Aber er hat dies erst getan, nachdem Ndjimbi-Tshiende um seine Versetzung gebeten hatte. Im Herbst, als die ersten rassistischen Ausfälle gegen ihn publik wurden, schwieg Marx; nur die Pressestelle des Erzbistums verschickte eine - wenn auch scharf missbilligende - Mitteilung. Am Sonntag nun ist Generalvikar Peter Beer nach Zorneding gefahren. Zuvor aber hatte sich dort keiner der Kirchenoberen blicken lassen - als Zeichen der Solidarität oder als Signal gegen Rechtsextremisten.

Das hat sicher Gründe gehabt. Vielleicht war Marx in seinen Funktionen als Papst-Berater und Bischofskonferenz-Vorsitzender einfach zu sehr mit den Belangen der Welt- oder der bundesdeutschen Kirche beschäftigt, als dass er Augen für diesen Fall in seiner Diözese gehabt hätte. Das wäre für einen Bischof fatal.

Vielleicht wollte er auch nicht den Konflikt mit der CSU über die Asylpolitik weiter anheizen und ließ hinter diese strategischen Erwägungen die Fürsorgepflicht für seinen Mitarbeiter und Mitbruder zurücktreten. Das wäre für einen Vorgesetzten fatal.

Vielleicht aber empfand er es auch als gar nicht so außergewöhnlich, dass Priester (wie er selbst ja auch) oder in der Flüchtlingsarbeit Engagierte in E-Mails und Briefen bedroht werden - darauf deutet Marx' Äußerung hin, er habe den Angriffen nicht noch mehr Aufmerksamkeit schenken wollen.

Wann aber, wenn nicht hier, wäre ein klares Wort, eine eindeutige Geste zugunsten des Bedrohten richtiger und wichtiger gewesen? Um deutlich zu machen, dass niemand bereit ist, derlei Hetze einfach als normal hinzunehmen. Schließlich rühren die Angriffe gegen Ndjimbi-Tshiende an den Kern der Botschaft der Kirche; sie widersprechen allem, wofür sie eintritt.

Man weiß nicht, aus welchem dieser drei Gründe Marx geschwiegen hat. Falsch wären sie alle drei.

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