Zeitzeugin:"Hallo, Blondie!"

Maria Ulemann lief zu Fuß von Schwabing nach Garching

"Mit meiner Familie wohnte ich in den Kriegsjahren in Garching, direkt neben Bürgermeister Joseph Amons Villa. Als die Amerikaner ankamen, sah ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Schwarzen. An diesem Tag bin ich aus dem Schwabinger Krankenhaus entlassen worden und zu Fuß nach Garching gegangen. Das war leichtsinnig, es wurde links und rechts geschossen.

Als ich ankam, sah ich, wie die Amerikaner die Villa des Bürgermeisters von unten bis oben durchwühlten. Ich stand mit vielen anderen Menschen direkt davor. ,Nix SS, nix Soldat?', fragten sie einige Männer aus dem Ort. Ein Amerikaner kam mit einem Haufen Eiern aus der Villa raus und warf sie aus Spaß gegen die Jeeps. Ich sah auch, wie befreite KZ-Gefangene zum Römerhof gegangen sind und alles Fleisch, Hühner und auch ganze Säue für sich mitnahmen. Die haben zu den Leuten gesagt: Zuerst habt ihr gefressen, jetzt fressen wir. Der Gutsbesitzer dort, der hatte ja KZ-Gefangene, die bei ihm arbeiten mussten, schlagen lassen. Bevor er von den Amerikanern verhaftet werden konnte, hat er zuerst seine Frau angeschossen und sich dann selbst erschossen.

Zu mir waren die Amerikaner eigentlich nett. Einer von ihnen hat vom Jeep aus zu mir gerufen: Hallo, Blondie, do you like chocolate? Ich erinnere mich auch noch gut daran, wie mehrere GIs mit einer Sau auf den Hof kamen, wo meine Eltern arbeiteten. Die Sau wurde geschlachtet und landete sofort im Bratrohr. Die Leute vom Hof, auch meine Familie, durften mitessen." MM

© SZ vom 25.04.2015 / mm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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