Zehnte Liga (16):Der Letzte geht um acht Uhr morgens

Weihnachten in der zehnten Liga - zwischen Sojawurst, Spezi, selbstgesägten Ästen und prominentem Händedruck.

Marc Baumann und Sebastian Gierke

Die SZ begleitet eine Saison lang die Fußball-Kreisklasse Gruppe 2. Diesmal: Bescherung. Die SZ hat die beiden besten Mannschaften der Liga besucht, die besonders viel Grund zu feiern hatten.

Zehnte Liga München

Zwischen Geschenken und Getränken: Für die Weihnachtsfeier des ESV Freimann wurde das kleine Schwarze ausgepackt - beim FC Alte Haide bekamen die Senioren die Suppe von den Junioren serviert.

(Foto: Foto: Pahnke)

"Weihnachten ist eine der drei großen Volksschwächen. Die anderen beiden sind Autos und Fußball." ( Max Goldt)

DIE BEGRÜßUNG

ESV Freimann: Die Autos haben sie Daheim stehen lassen, eine gute Idee, wie sich später im Morgengrauen an der Frischluft zeigen sollte. Fußball und Weihnachten passen aber bestens zusammen, froh und munter ist man: "Ich als Trainer hab' am meisten Häme abbekommen, wie jedes Jahr", sagt Mike Meier. Bei Scherzen über ihn lacht der ganze Saal, drei Herrenmannschaften, zwei Seniorenteams, Ehefrauen, Stammzuschauer und Freundinnen. Stundenlang lässt Meier Parodien, Scherze, ein ganzes Spott-Lied über sich ergehen. Sein Fazit: "Es war fantastisch." Der erste Redner des Abends meint es noch gut mit Meier: Es ist der Abteilungsleiter Roland Krauß, der nach einigen ersten Worten (der Abstieg!) auch Gutes zu vermelden hat (Tabellenzweiter!).

FC Alte Haide DSC: Hier feiert der Herbstmeister, denkt man, da wird es fröhlich - und dann das: Der Stürmer trinkt nur Spezi. Vorstand Franz Grundner dämpft die Erwartungen: "Ob es heute noch zum Tanz kommen wird, weiß ich nicht." Dabei heißt die Showband, ein Duo mit Nikolausmützen, "Let's dance".

DAS BESINNLICHE

Freimann: Der Pressewart ist verstorben, es gibt eine Schweigeminute, rührende Stille setzt ein. Ein paar Minuten später ist die Fröhlichkeit zurückgekehrt, zumindest für den Teil, der nicht überraschend auf die Bühne gerufen wird: "Wir singen jetzt!", verkündet Mike Meier und teilt Blätter aus, darauf der Text zu Leise rieselt der Schnee und Alle Jahre wieder. "Wir haben nicht geprobt, meine Spieler wussten es ja gar nicht, wir hatten auch keine Noten, ich habe nur einmal den Ton angestimmt, aber daran hat sich keiner gehalten - dementsprechend hat es sich angehört."

Alte Haide: Alle bekommen Suppe, Schnitzel, Schokocrème. Nur einer nicht. "Wo hast deinen Vegetarier?", fragt der Wirt den Vorstand grantelnd. 150 Gäste, ein Vegetarier, eine Extra-Sojawurst. Vorstand Franz Grundner sagt feierlich: "Dort sitzt die Vergangenheit" (zeigt auf die Senioren), "hier die Gegenwart" (zeigt auf die Mannschaft) und "rechts die Zukunft" (zeigt auf die A-Jugend). Alte Haide und der DSC sind vor der Saison fusioniert, jetzt feiern sie gemeinsam. Sportlich stimmt es, menschlich hakt es noch. Am Tisch der Senioren wird gemurrt: "Die Alte Haide war immer der Verein der Arbeiter, und jetzt sitzen wir hier mit den Großkopferten." Grundner versucht es mit Humor: "Die Suppe für die Senioren bringt die A-Jugend. Sonst wird so viel verschüttet."

Der Letzte geht um acht Uhr morgens

DIE BESCHERUNG

Freimann: Geschenke bekommen die Trainer, der Abteilungsleiter und deren Frauen, die leiden ja am meisten das Jahr über. Mike Meier erhält traditionell einen Gutschein für ein "Traumschiff-Dinner" im noblen Hotel Kempinski am Flughafen. "Ein Mordsgeschenk, aber dieses Jahr wollte ich mal was anderes." Darum haben sie ihm einen großen Fußball aus Pappmaschée gebastelt, darin: noch ein Geschenk. Ja, und was? Verrät er nicht. Später gibt es eine Versteigerung: ein Trikot vom FC Bayern. Und eins vom TSV 1860 samt signiertem Poster von Daniel Bierofka und einem Ball mit Unterschriften aller Spieler. Das Bayern-Trikot ohne Alles erzielt doppelt so viel Geld.

Alte Haide: Bei der Tombola räumt ein älterer Herr fast alles ab. Bierfässer, Sporttaschen, goldene Fußbälle. Der Unmut der restlichen Losbesitzer wächst. Dann stellt sich heraus: Er holt die Sachen nur für seine Begleiterinnen ab. Das schönste Geschenk kommt aus Neckarsulm. Aus der Verbandsliga. Ein Mittelfeldspieler namens Mario Mühleck.

DAS SHOWPROGRAMM

Freimann: Eine lobende Erwähnung für Florian Lachner, der die Weihnachtsgeschichte vorliest. Leicht umgeschrieben. Es geht um eine Frau, für die er erfolglos Skifahren lernen will, das Publikum tobt. In der ersten Pause bleibt Zeit die Räumlichkeiten zu bestaunen: Handgenähte grüne Filzbäumchen, selbstgesägte Äste als Kerzenhalter, sogar Kunstschnee. Dann beginnt die Show: Als Vorbild dient eine TV-Preisverleihung, es gibt Kategorien wie "Bester Hauptdarsteller" oder "Beste Aufführung". So weit könnte das noch jeder Verein. "Für die musikalischen Einlagen sind die Jungs extra in ein professionelles Tonstudio gegangen, dann wurde Playback gesungen, mit Tontechniker, Beleuchter, Laptop, Beamer, ein unglaublicher Aufwand, so etwas hab ich noch bei keinem anderen Verein erlebt", sagt Meier. Zur Melodie des Guns-N'Roses-Welterfolgs Sweet Child o'Mine wird gesungen: "Der Trainer wechselt sich ein - muss das denn sein." Armer Meier.

Alte Haide: Was für Ehrengäste bei dieser Feier: Franz Beckenbauer, Oli Kahn, Mark van Bommel und Waldemar Hartmann. Einige Spieler haben sich eine Persiflage ausgedacht. Der Saal ist begeistert. Wer braucht da den Nikolaus? Nur ein echter Prominenter ist anwesend: Ein älterer Mann, der einem beim Hände schütteln selbige fast bricht. "Torwart war ich, merkst des?" Breites Grinsen. "Bei den Bayern. Ich war der Vorvorgänger vom Maier Sepp."

DER INOFFIZIELLE TEIL

Freimann: Gegen 23.30 Uhr endet der offizielle Teil, "wir sind dann an die Bar gegangen", sagt Mike Meier. Vom weiteren Verlauf ist nur bekannt, dass Meier um acht Uhr früh als Letzter die Tür zugesperrt hat. Bis zur Rückrunde müssten sie wieder fit sein.

Alte Haide: Trainer Robert Kaunzinger verteilt zwischen Schnitzel und Nachspeise den Plan für die Wintervorbereitung. Los geht es Anfang Februar, "früher als bei den anderen", sagt er und lacht diabolisch. Später singt der Saal gut gelaunt: "Unser Trainer ist ein Sadist, er scheucht uns, dass ihr es endlich wisst. Der hat doch den Wahn, verrückt wie Oli Kahn. Das hält doch keiner aus, schmeißen wir ihn raus." Um 23 Uhr ist Schluss. Die Vereinsfeier fand in einem Pfarrheim statt, da erwarten die Nachbarn eine stille Nacht.

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