Zehn Jahre Petuelpark:Ring frei

Er ist das Paradebeispiel für die Verwandlung von einer Verkehrshölle zu einem Freizeitparadies: der Petuelpark. Wo früher mehr als 100 000 Autos pro Tag fuhren, erholen sich heute die Anwohner.

Von Thomas Anlauf

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(Foto: Florian Peljak)

Weg ist er, der dicke Fisch. "Sooo groß war der", sagt der kleine Mario und breitet die Arme aus. Klingt ein bisschen nach Anglerlatein, aber Marios Freunde nicken ernst und deuten auf die Wasserpflanzen, die sich sanft in der Strömung des Bachs wiegen. Die drei Buben stehen auf einer Brücke, die sich über den kleinen Kanal wölbt. Die Szene könnte auf dem Land sein, fernab von Autoverkehr und Häusern.

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(Foto: Florian Peljak)

Doch die Kinder betrachten diese Idylle inmitten der Stadt. Der Nymphenburger-Biederstein-Kanal rauscht ruhig unter ihren Füßen, ein paar Enten lassen sich von der Strömung treiben. Und nur ein paar Meter davon entfernt rollen stündlich Tausende Autos durch den Petueltunnel.

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(Foto: Florian Peljak)

Für die Kinder, die hier leben, ist das grüne Band über dem Mittleren Ring eine Selbstverständlichkeit, vor genau zehn Jahren wurde der Petuelpark mit dem Café "Ludwig" in der Mitte endgültig fertiggestellt. Doch Erwachsene, die an der Grenze zwischen Schwabing und Milbertshofen wohnen, erinnern sich nur zu gut an die Zeit, als der Petuelring die beiden Viertel trennte. "Es war die Hölle", sagt eine ältere Dame, die mit ihrem kleinen Terrier durch die Grünanlage spaziert. Die Abgaswolken ließen die Wohnungsfenster erblinden, der Verkehrslärm von den täglich mehr als 100 000 Kraftfahrzeugen war eigentlich unerträglich.

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(Foto: Florian Peljak)

Den kleinen Kanal, an dem heute Kinder spielen und sich auch Erwachsene niederlassen, um die Füße zu kühlen, gab es früher auch schon. Allerdings wirkte er vor dem Umbau zum Park wie ein trostloses Abwasserbecken neben der lärmenden sechsspurigen Verkehrsschneise. Heute ist der mit Schilf, Büschen und Bäumen begrünte Kanal ein Blickfang für Besucher auf dem Weg zu dem knapp siebeneinhalb Hektar großen Park. Auf Rampen kommen auch Rollstuhlfahrer der nahen Pfennigparade problemlos in die Grünanlage, besonders das Café Ludwig, das am 7. Juni 2005 offiziell eröffnet wurde, ist für die Nachbarn eine wichtige Anlaufstelle, das von Anfang an von den Anwohnern aus Schwabing und Milbertshofen gefordert worden war.

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(Foto: Florian Peljak)

Mehr als zwei Dutzend Gäste sitzen an diesem Vormittag vor dem Ludwig in der Sonne, dabei hat das Café und Restaurant erst seit wenigen Minuten geöffnet. "Das Lokal ist für die Anwohner ganz wichtig", sagt die Kellnerin. Es kämen natürlich viele Menschen von der nahe gelegenen Pfennigparade, aber auch Spaziergänger, Jogger, Radler und Geschäftsleute aus der Nachbarschaft. Im Schatten eines Ahorns steht eine Gruppe junger Mütter, die Kinderwagen sind im Halbkreis auf dem Kiesweg geparkt.

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(Foto: Florian Peljak)

Ein paar Schritte weiter sitzt Eva Frisch unter dem großen Sonnenschirm des Cafés. Sie ist mit ihrer eineinhalbjährigen Tochter Greta zum ersten Mal im Petuelpark, obwohl sie gar nicht weit entfernt wohnt. "Für Kinder ist das echt super hier", sagt sie. "Wenn man hier sitzt, kann man sich gar nicht vorstellen, dass unten der Verkehr tobt." Für ihr eigenes Viertel würde sie sich auch so ein grünes Band wünschen. "Neuhausen ist von der Landshuter Allee total zerteilt", sagt Eva Frisch. Die Forderung nach einem Tunnel für den Mittleren Ring sei in Neuhausen hochaktuell. Doch selbst wenn irgendwann einmal auch die Landshuter Allee einen Deckel bekommt - ganz so grün wie der Ringabschnitt im Münchner Norden würde der wohl nicht. Die Verkehrssituation ist am Petuelring zwischen Leopold- und Belgradstraße eine völlig andere als an der Landshuter Allee.

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(Foto: Florian Peljak)

Der Petuelpark ist das Ergebnis des Bürgerentscheids im Jahr 1996, als sich eine knappe Mehrheit für die Untertunnelung des Petuelrings, der Richard-Strauss-Straße und des Luise-Kiesselbach-Platzes aussprach. Der Petueltunnel wurde von 1997 an gebaut, am 6. Juli 2002 wurde er für den Verkehr geöffnet, auf dem Betondeckel gingen die Bauarbeiten für den Park weiter. Er wurde am 27. Juni 2004 der Bevölkerung übergeben, ein Jahr später ist das "Kunst- und Kulturprojekt Petuelpark", wie die Stadt die Grünanlage nennt, mit der Eröffnung von Café, Fontänenplatz und Generationengarten vollendet. "Das ist ein absoluter Gewinn für uns", sagt Thomas Weber. "Gerade am Abend kommen viele Leute von uns, da kann man gut und gerne 20 Rollstuhlfahrer im Park antreffen", sagt der Sprecher der nahen Pfennigparade.

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(Foto: LKN)

Es dauerte allerdings ein paar Jahre, bis die Nachbarn ihren neuen Park richtig angenommen hatten. Die kleinen Bäume spendeten anfangs kaum Schatten, auch heute noch liegen einige der kleinen Spielplätze verwaist da: Ein abgesperrter Bereich mit Rutsche etwa ist bis auf ein kümmerliches Bäumchen der prallen Sonne ausgesetzt. Ganz anders das sogenannte Spielband mit Bolzplatz, Streetballplatz, einem Netzklettergerüst und einem Wasserspielplatz.

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(Foto: LKN)

etzt in den Ferien toben dort den ganzen Tag Kinder und Jugendliche, Eltern können ganz entspannt in der Nähe am Kanal sitzen oder auf einer der Liegen in der Rosenpergola. Es ist ein Kunstwerk von Aribert von Ostrowski, auf der Pergola sind lyrische Text- und Bildfragmente. In der ganzen Grünanlage finden sich immer wieder Kunstwerke.

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(Foto: Florian Peljak)

Auch die 70 Edelstahlstelen von Dietmar Tanterl (im Bild) sind ein Lichtkunstwerk der besonderen Art: Die Scheinwerfer verweisen im Dunkeln auf den Mittleren Ring, der nun im Untergrund verläuft. Insgesamt zwölf Künstler haben Kunstwerke mit speziellem Bezug zu dem Ort geschaffen. Die Landschaftsarchitekten Jühling und Bertram entwickelten sogar eigens für den Park spezielle Sitzmöbel. Knapp elf Millionen Euro kosteten die Landschaftsbauarbeiten, das Café noch einmal 2,37 Millionen Euro, eine Investition, die sich gelohnt hat.

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(Foto: Florian Peljak)

Es ist jetzt Mittag, vor dem Ludwig ist kaum noch ein Sitzplatz frei. Fritz und Petra Beyer sitzen in hautengen Radlerhosen an einem der Tische und genießen die Sonne. "Kaum zu glauben, dass wir direkt über dem Mittleren Ring sitzen", sagt auch Frau Beyer. Die beiden haben einen Zwischenstopp auf ihrer Radltour durch München gemacht, im Petuelpark sind sie das erste Mal. Plötzlich deutet Frau Beyer nach links zu einem großen Blumenkübel. Eine grün schillernde Libelle hat sich dort ruhig niedergelassen. Der Mittlere Ring: Zumindest von hier ist er verschwunden.

© SZ vom 2.6.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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