Zank ums Erbe:Sohn will Scheidung des Vaters betreiben

Ein 93-Jähriger und seine junge Frau geraten in die Mühlen der Justiz, weil er ihr sein ganzes Vermögen hinterlässt.

Ekkehard Müller-Jentsch

Bei einer ziemlich irren Familienfehde, die in München gespielt und sich schon auf zahlreiche Gerichte in mehreren Instanzen ausgebreitet hatte, ist es einer Richterin mit unkonventionellen Methoden gelungen, die Prozesslawine zu stoppen.

Sie hatte kurzerhand ihre Robe ausgezogen, war mit den Streitparteien vom Sitzungssaal in ein neutrales Zimmer umgezogen und hatte dort mit den Beteiligten am runden Tisch einfach nur vernünftig geredet. "Mediation" nennt man solch ein Krisenmanagement.

Hans Huber (Name geändert) ist Akademiker, war ein hoher Beamter und bezieht allmonatlich eine stattliche Pension. Der Mann besitzt ein hübsches Häuschen und ein ansehnliches Barvermögen. Der mittlerweile 93-Jährige ist inzwischen allerdings geistig und körperlich schwer beeinträchtigt.

Dass es mit ihm so kommen würde, hatte er vorhergesehen. Nichts fürchtete der alte Mann so sehr wie einen einsamen Tod. Er hatte miterleben müssen, wie ein Nachbar völlig vereinsamt gestorben war und die Leiche erst lange Zeit danach von Fremden aufgefunden worden war. Davon aufgeschreckt, wandte er sich Hilfe suchend an einen Altenverein.

"Die schickten mir so ein junges Ding", erzählte er später. Diese Pflegerin war damals allerdings auch schon 51 Jahre alt. Huber erzählte: Er habe sich dann kurze Zeit später spontan entschlossen, diese "junge Frau" zu heiraten, um "vor sich, der Gesellschaft und dem Herrgott gerade dazustehen".

Angst vor Habgier

Der alte Mann hat auch ein Sohn, einen begabten Arzt, der von seinem Umfeld jedoch als menschlich schwierig geschildert wird, als teamunfähig gilt und deshalb arbeitslos ist. Dieser Doktor, nennen wir ihn Willi Huber, geriet geradezu in Panik, als sein Vater die 38 Jahre jüngere "Stiefmutter" auch noch zur Alleinerbin machte.

Doch weil der alte Mann, der schon lange ohne jeden warmherzigen Kontakt zu diesem Sohn leben musste, dessen Habgier fürchtete, hatte er vorgesorgt. Hans Huber war nach seiner Hochzeit zu einem renommierten Psychiater gegangen. Er wollte sich von diesem Fachmann bescheinigen lassen, dass er noch in vollem Besitz seiner geistigen Kräfte und keineswegs "schizophren" sei, wie Willi immer behauptete.

Der Facharzt untersuchte den Alten ausgiebig. Er hörte, dass der Hochbetagte in seiner früheren Einsamkeit schon überlegt hatte, aus dem Leben zu scheiden, und dass die im Sommer geschlossene Ehe mit Dana völlig unbelastet und "eine glückliche Fügung" sei. Der Facharzt bescheinigte Hans Huber schließlich, klar im Kopf, orientiert und somit "uneingeschränkt testierfähig" zu sein.

Daraufhin ging der alte Huber zu einem Notar, machte testamentarisch seine neue Ehefrau zur Alleinerbin, stattete sie mit einer Generalvollmacht für alle persönlichen und Vermögensbereiche aus, und wünschte in einer entsprechenden Verfügung auch noch, dass sie seine Betreuerin sein möge, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen eines Tages erforderlich werde.

Drei Jahre später musste der alte Mann wegen eines Schlaganfalls ins Krankenhaus. Danach wurde er von seiner Frau so weit gepflegt, dass er sich selbst wieder duschen und anziehen konnte. Da ein Haushälterin zur Verfügung stand, entschloss sich dann die Ehefrau, einen lange geplanten Urlaub bei ihrer Familie in Kroatien zu machen.

Diese Gelegenheit nutzte Sohn Willi. Wie es später in Anwaltsschriftsätzen heißt, habe er "die Einflussnahmemöglichkeit erkannt" und dem verwirrten Vater eingeredet, dass seine Frau sein Haus ausgeräumt und ihn verlassen habe. Der Vater sei in die gewünschte Richtung manipuliert worden: "Nämlich in die Richtung von Scheidung und Trennung".

Sohn will Scheidung des Vaters betreiben

Zusammen mit seiner Schwägerin regte Willi Huber beim Vormundschaftsgericht ein Betreuung an, ließ sich vom senilen Vater eine Vollmacht für "alle Lebenslagen" unterschreiben, sowie den Widerruf sämtlicher Vollmachten der Ehefrau. Dann ließ er durch einen Anwalt im Namen des nun von ihm bevormundeten Vaters die Scheidung dieser, wie er sagte, "Scheinehe" einreichen. Zugleich strengte er ein Verfahren an, damit die Ehefrau die Wohnung nicht mehr betreten dürfe.

Dana fiel bei ihrer Rückkehr aus allen Wolken, als sie nicht mehr ins Hause konnte, ihren Mann nicht mehr sehen durfte und vom Scheidungsverfahren erfuhr. Sie wandte sich an Rechtsanwältin Monika Buhl-Müller. Daraufhin gab das Vormundschaftsgericht ein neues psychiatrisches Gutachten in Auftrag.

Der Gerichtsgutachter kam zu der Auffassung, dass Hans Huber die Bevollmächtigung seines Sohnes sowie die Widerrufe zu einem Zeitpunkt unterschrieben hatte, als er - im Gegensatz zu allen früher getroffenen Verfügungen - "vollständig nicht mehr geschäftsfähig" gewesen sei. Daher beauftragte das Gericht jetzt Anwalt Markus Band mit dessen Betreuung.

Dieser Anwalt saß nun quasi zwischen allen Stühlen. Er sollte ausschließlich die Interessen seines Mündels wahren. Natürlich stellte auch er sich die Frage, ob der alte Mann stets aus Überzeugung und in freiem Willen gehandelt hatte oder womöglich über den Tisch gezogen worden war.

Handelte es sich bei der Ehe wirklich um eine Zweckgemeinschaft im positiven Sinne: Hatte also der Greis immer die Wahrheit gesagt, wenn er seine Frau lobte und ihre Fürsorge pries? Oder waren, wie der Sohn behauptete, dem Vater das Testament und die Ersparnisse "abgeschwatzt" worden?

Anwalt Band stellte fest, dass schon kurz nach der Hochzeit beachtliche Geldsummen transferiert und anderweitig angelegt worden waren, die Ehefrau seither einen BMW fuhr. Anwältin Buhl-Müller: "Der Ehemann hat persönlich - attestiert geschäftsfähig! - im Jahr 2001 einen Einzugsauftrag erteilt, es hat eine Überweisung stattgefunden, ein Sparbrief wurde aufgelöst und anders angelegt - na und?"

Krieg der Anwälte

Im Rahmen der Auseinandersetzungen bekamen sich plötzlich auch die Anwälte in die Haare. Buhl-Müller reichte Beschwerden gegen Band ein. Und der frühere Scheidungsanwalt strengte ein Beschwerdeverfahren gegen Buhl-Müller bei der Anwaltskammer an. Derweil liefen das Scheidungsverfahren schon in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht München und das so genannte Wohnungszuweisungsverfahren vor dem Amtsgericht. Dazu kam nun noch ein Rückforderungsverfahren vor dem Landgericht München I wegen der umgeschichteten Gelder. Das betrieb formal der Ehemann, vertreten durch seinen Betreuer, gegen seine Ehefrau.

An dieser Stelle kommt Richterin Harriet Weber ins Spiel. Sie sieht, dass hier Urteil um Urteil produziert werden würde, ohne dass der Rechtsfriede wieder hergestellt werden könnte oder dem alten Mann gedient sei. So schlägt sie ein Gespräch am runden Tisch vor, die so genannte Mediation. So will sie sämtliche Streitigkeiten auf einen Schlag zu beenden. Und das funktioniert tatsächlich.

Man einigt sich zunächst darauf, alle Klagen, Beschwerden, Berufungen sofort zurückzunehmen. Man handelt dann genau aus, welche Beträge die Ehefrau und welche der Ehemann von welchem Konto abheben und auf welches Konto einzahlen müssten, damit die Pflege des alten Herrn und die gemeinsame Haushaltsführung gesichert sind. (Fast wäre dieser Vergleich am bürokratischen Unvermögen einer Sparkasse gescheitert.) Man legt sogar fest, wer das Pflegegeld beantragen solle und in welcher Form die Steuererklärungen abzugeben seien.

So kommt es, dass Hans Huber und Ehefrau Dana inzwischen wieder zusammen in ihrem Häuschen leben und sie sich wie abgemacht um ihn kümmert. Der Greis muss nicht mehr befürchten, einsam und alleine zu sterben - und die Ehefrau darf auch nach seinem Tode auf eine gesicherte Zukunft hoffen.

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