Zahlreiche Veranstaltungen:Wie in Zeitlupe

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Shopping-Nacht, Rad-Sternfahrt, Festivals: In der Innenstadt geht es am Wochenende entspannt zu, obwohl viel los ist

Von Philipp Crone

Es wirkt beinahe so, als hätte man die Innenstadt für ein Wochenende in Zeitlupe versetzt. Auf einmal ist die Fußgängerzone nicht mehr manifestierte Hektik, Gestalt gewordener Stress, ist die Leopold- und Ludwigstraße nicht mehr Schauplatz für genervte Drängler. Wenn statt Hupen und Fluchen auf einmal Gesang und Groove von den Häuserwänden hallen, dann wird einem klar, wie schön Münchens Stadtkern sein kann - wenn er darf. Wen interessiert ein Regenschauer, wenn er durch diese wunderbare Kulisse flaniert, hier der Duft von frisch Gebratenem, dort der Anblick von frisch Verliebten, die einen Luftballon Gassi führen. Die Innenstadt ist an diesem Wochenende so anders, wie sie nur sein kann. Und was macht das mit den Innenstädtern?

Am Freitagabend zunächst einmal macht es die Besucher der Shopping-Nacht zu spazierenden Bar-Gängern. Die meisten haben am Abend keine Einkaufstüte, sondern einen Drink im Plastikbecher oder ein frisches Wegbier in der Hand. Als im Hirmer um 21 Uhr die A-capella-Truppe das "Dü-Dü-Düpp" der Spider Murphy Gang aus dem Song "Mir san a bayrische Band" runterflötet, setzt der Fußgängerzonenflaneur fast liebevoll die Augustinerflasche an die Lippen, ehe er weiterschlendert gen Marienplatz.

40 Veranstaltungsorte gibt es, etwa den Douglas-DJ. Der legt Mainstream auf, ist ja eine völlig undefinierbare Laufkundschaft und kein klares Zielpublikum. Die Verkäuferin im Deichmann nebenan hat die Hände voller Schuhkartons und hört dem Mainstream zu, leicht mittippelnd. "So ein Abend ist entspannter, irgendwie cooler als sonst." Die Leute seien lockerer, "als ob man nach dem Abendessen noch einmal gemütlich losläuft". Sieben junge Frauen stehen neben der Bühne auf dem Marienplatz und überlegen, wo sie hingehen. Weniger Shoppen, mehr Essen und Trinken ist die einhellige Meinung der 15-Jährigen. Der Vodafone-Mitarbeiter ein paar Schritte weiter schaut auch dementsprechend unglücklich. "Das hätten wir uns vom Verkauf her schon etwas anders vorgestellt", sagt er. Laufen statt kaufen. Aber wenn es doch auch so viel zu sehen und zu hören gibt. Am Rindermarkt wird um 22 Uhr unter den Bäumen beim Brunnen sogar zur Rockmusik auf der Bühne getanzt.

Wobei das Tanzen an diesem Wochenende keine Besonderheit ist auf den Straßen. Am Samstag und auch am Sonntag sind mittags im leichten Nieselregen wippende Spaziergänger auf der Ludwig- und Leopold-Straße unterwegs. Beim Streetlife-Festival und dem Corso Leopold weiter hinten in Schwabing ist eher die Frage, bei welchen Ständen Regen überhaupt stört. Beim Schwertkampf-Zelt am Odeonsplatz muss niemand fürchten, dass den Profis die knapp zwei Kilo schweren Zweihänder aus der Hand rutschen, etwas betrübter sieht da schon der ein oder andere Eisverkäufer aus. 70 000 Besucher sind am Samstag auf der gesperrten Straße zwischen Odeonsplatz und Münchner Freiheit unterwegs, und am Sonntag wird auch schwer flaniert. Wobei, eigentlich eher leicht, denn manche haben den Heliumballon-Sammel-Wettkampf ins Leben gerufen. Der inoffizielle Rekord: zwölf Stück, wie ein schwebender Blumenstrauß, den ein Junge am Käfig der Fußballer von "Bunt kickt gut" vorbeizieht, wo Jugendliche über den nassen Asphalt schlittern.

So leicht, wie die 300 Radler, die bei der Sternfahrt des ADFC am Sonntag teilnehmen, durch die Innenstadt kommen, ist das auch eine sehr entspannte Angelegenheit. Eine Frau erzählt bei der Abschlusskundgebung auf dem Königsplatz, dass sie aus Dachau angeradelt ist. Die Teilnehmer protestieren für eine bessere Radpolitik.

Und so rollen und gehen die Münchner am Sonntag durch die Innenstadt - die meisten mit dem erholten Gesichtsausdruck, den man sonst nur in der Hängematte hinbekommt.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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