Wolkenkratzer:"Ein deutliches Zeichen von Modernität"

Stadtbaurätin Christiane Thalgott über Hochhäuser, Kirchtürme und die Münchner Lust am Meckern.

Interview: Alfred Dürr, Astrid Becker

(SZ vom 7.8.2001) - SZ: Frau Thalgott, wo steht Ihr Lieblings- Hochhaus?

Thalgott: Wenn wir bei den Münchner Hochhäusern bleiben, finde ich das BMW-Hochhaus richtig schön.

SZ: Was macht ein Hochhaus schön?

Thalgott: Das Verhältnis von Grundfläche zur Höhe ist wichtig - nicht nur hochgestellte Baumasse. Die Proportionen müssen stimmen. Das Haus sollte das haben, was auch eine gotische Kirche hat: Von weitem eine Figur und auch dann noch Qualität, wenn man näher kommt. Architektonisch gute Häuser erfüllen diese Bedingungen.

SZ: Ein Beispiel aus dem Bereich der aktuellen Hochhausplanungen?

Thalgott: Ich könnte mir vorstellen, dass das Projekt von Christoph Ingenhoven am Georg-Brauchle-Ring gut wird, weil er selbst im Hinblick auf die Qualität ein ausgesprochen ehrgeiziger Mensch ist. Auch der Investor, die amerikanische Immobilienfirma Hines, ist ehrgeizig. Der Standort soll mit einem repräsentativen Gebäude besetzt werden. Genauso glaube ich, dass das Langenscheidt-Hochhaus sehr interessant wird.

SZ: Die Investoren beklagen sich, dass ihnen zu viele Steine in den Weg gelegt werden. Die Qualität kann da leicht auf der Strecke bleiben.

Thalgott: Es werden ihnen keine Steine in den Weg gelegt. Sie haben ein Grundstück mit Baurecht und das ist der Rahmen für ihr Haus. Wenn sie der Meinung sind, dass ein anderes Baurecht besser wäre, hätten sie sich das früher überlegen müssen. Hochhäuser brauchen Abstandsflächen, dann kommt die Nachbar-Problematik hinzu. Man bewegt sich sofort in einem Bereich, wo der eine etwas will und die anderen das strikt ablehnen. Beim Langenscheidt- Hochhaus könnten auch wir uns vorstellen, dass es höher wird. Wir werden die Änderung des Bebauungsplans aller Voraussicht nach bis heuer im Oktober auf den Weg bringen.

SZ: Passen Hochhäuser überhaupt zum traditionellen Münchner Stadtbild?

Thalgott: Modernes Bauen gehört schon immer zu München. Stellen Sie sich mal vor, als da die ganzen Hütten waren und dann die Frauenkirche errichtet wurde! Auch Maßstabsprengendes gehört zu München und ist auch immer bekämpft worden. Als die Ludwigstraße gebaut wurde, gab es rundherum nur Äcker. Bei der Maximilianstraße war es ähnlich. München hat immer einen Schritt in die Moderne getan, und immer war der mit einem Riesengemecker verbunden. Dass alle Veränderungen kritisch beäugt werden, gehört einfach zur Stadt. München hat mutige Lösungen gefunden, auch übrigens mit hohen Häusern. Die Siemens-Sternhochhäuser sind wirklich bemerkenswerte Wohngebäude. Der Arabella-Park gewinnt zwar nicht in allen Bereichen den Schönheitswettbewerb, aber das Arabellahaus ist für mich schon ein tolles Teil.

SZ: Hochhäuser werten also das Stadtbild entscheidend auf?

Thalgott: Hochhäuser sind ein Zeichen in der Stadt. Und Zeichen sollte man nicht überall setzen. Der Ort, den sie bezeichnen, sollte auch eine gewisse Erschließungsqualität haben. Hochhäuser sollten Leute bauen, die mit dem Gebäude im Inneren eine gewisse Bedeutung transportieren. Ein BMW- und oder Hypo-Hochhaus ist uns also lieber als ein Miet-Hochhaus. Trotzdem wird man heute solche Miet-Hochhäuser bekommen, weil die Unternehmen ja nicht mehr selber bauen. Aber das ist auch in Ordnung so.

SZ: Könnten am Stadtrand von München eigene Hochhaus-Viertel entstehen, wie zum Beispiel das berühmte La Defense in Paris?

Thalgott: Das kann ich mir nicht vorstellen, weil München von der Mischung lebt, durch das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten. Die Stadt verliert an Qualität, wenn sie die Funktionen nach außen verlagert. Wir wollen die Mischung in der Stadt aufrecht erhalten, zum Beispiel in den Neubaugebieten an den zentralen Bahnflächen.

SZ: Sie schaffen Arbeitsplätze in Hochhäusern. Aber wo bekommen Sie die Wohnungen für die Menschen her?

Thalgott: Auch in den Hochhäusern, die wir zum Beispiel am Birketweg im Bahngebiet Laim-Pasing bauen wollen. In den Bebauungsplänen wollen wir das Gleichgewicht zwischen Wohnen und Arbeiten herstellen.

SZ: Man hat den Eindruck, dass dieser Anspruch aber nur sehr zäh in die Tat umgesetzt wird. Gerade die Hochhausplanungen dauern ewig, Beispiel Neusser Straße im Münchner Norden.

Thalgott: Um solch ein Industrieareal zu einem gemischten Gebiet mit hochwertigen Flächen zu entwickeln, braucht man zehn Jahre. Das ist ein ganz normaler Zeitraum. Es werden dort zur Zeit die Arbeitsplätze geschaffen und parallel dazu die Wohnungen.

SZ: Können Hochhäuser eine Antwort auf die Wohnungsnot in der Stadt sein?

Thalgott: Nein. Man hat an einer Stelle zwar eine relativ hohe Dichte, aber die Gesamtdichte in so einem Gebiet ist nicht höher als in Gebieten, in denen man eine sechs- oder achtgeschossige Bebauung hat. Hochhäuser brauchen auch immer Abstand. Die Probleme kann man nur dann lösen, wenn man die entsprechenden Flächen hat. Hochhäuser sind mehr eine Antwort auf den Wunsch nach Stadtgestalt, nach deutlichen Zeichen von Modernität. Wenn ich zum Beispiel eine acht Kilometer lange Strecke vom Hauptbahnhof bis Pasing strukturieren und damit ein erkennbares neues Stadtbild schaffen will, ist die Hochhaus-Gruppe eine Antwort.

SZ: Georg Kronawitter sieht bei den Hochhausplanungen eine gewisse Beliebigkeit und nicht ganz transparente Verhandlungen mit den Investoren.

Thalgott: Das ist absolut grundlos. Es wird weder gemauschelt noch ist irgend etwas beliebig. Die Stadt hat sich sehr genau überlegt, wo Hochhäuser hinpassen. Und zur Frage der absoluten Höhe: Wenn sie im Bebauungsplan einmal mit 146 Meter festgesetzt ist, wie am Georg-Brauchle- Ring oder auch beim Langenscheidt-Hochhaus, und der Architekt und der Investor dann sagen, wir fänden es aber schön, es wäre etwas höher, dann ist das eine Frage, die genauso ein öffentliches Verfahren durchlaufen muss wie ein Bebauungsplan insgesamt.

SZ: Bürgerbegehren zu Hochhausplanungen, wie sie Kronawitter fordert, sind also überflüssig?

Thalgott: Das kann man so generell nicht beantworten. Während des Bebauungsplan-Verfahrens ist die Öffentlichkeit schon beteiligt. Gerade zu der Hochhausstudie haben wir reichlich öffentliche Veranstaltungen gemacht. Es ist offensichtlich ein Thema, das zwar die jeweils Betroffenen stark interessiert, aber weniger die Allgemeinheit. Ich persönlich begrüße es aber sehr, wenn jetzt die Diskussion über Hochhäuser lebhaft geführt wird.

SZ: Wie hoch dürfen eigentlich Hochhäuser in München sein?

Thalgott: Wir überlegen uns, wie man Hochhäuser in der Stadt wahrnimmt. Der Turm des neuen Baureferats am Ostbahnhof ist zum Beispiel relativ niedrig geworden, weil man sonst hinter dem Maximilianeum so eine kleine Spitze gesehen hätte. Das würde albern sein. Die traditionellen Sichtachsen der Stadt müssen beachtet werden. Da ist der Norden unempfindlicher als der Süden. Am Mittleren Ring ist genau untersucht worden, wie man ein Hochhaus sieht, wenn man von der Autobahn in die Stadt fährt. Die traditionelle innere Stadt mit ihren Kirchen darf nicht beeinträchtigt werden.

SZ: Wird sich München in den nächsten Jahrzehnten zu einer Hochhaus-Stadt entwickeln?

Thalgott: Ein Hochhaus ist grundsätzlich ein sehr unwirtschaftliches Gebäude, weil man einen hohen Erschließungsaufwand hat. Der Feuerschutz und die ganze Technik sind sehr teuer. Insofern baut ein Hochhaus auch nur jemand, der einen Bedeutungsüberschuss für sich in Anspruch nimmt. München wird kein "Mainhattan" wie Frankfurt werden. Die Schönheit Münchens liegt in der Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freiflächen. Und außerdem kann die Qualität von Gebäuden auch immer in achtgeschossigen Bauwerken gezeigt werden.

SZ: Wird das Thema Hochhaus also überbewertet?

Thalgott: Hochhäuser sind ein Sonderthema an ganz bestimmten Standorten, so wie die Kirchtürme auch ein Sonderthema an ganz bestimmten Standorten waren, oder wie das Fußballstadion ein Sonderthema an einem bestimmten Standort ist. Es gibt immer einige wenige, die wollen ein Haus bauen, das nicht ganz dem durchschnittlichen Preis entspricht und etwas mehr kostet. Für die werden wir auch immer Standorte haben. Der alltägliche Büro- Investor braucht aber auch seine Standorte. Die Mischung macht's aus - das ist das Entscheidende.

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