Gaißacher Jubiläum:Ein Meer aus Dirndln und Lederhosen

Zu seinem 1200-jährigen Bestehen feiert Gaißach sich selbst. Das Dorf zeigt ein kurzweiliges Theaterstück, das seine Geschichte prägnant und mit viel Humor zusammenfasst. Alle sind dabei, und im rappelvollen Bierzelt mischen sich Dampf und Jubel.

Von Petra Schneider

Ein Meer aus Lederhosen und Dirndln wogt am Samstagabend durch das Festzelt auf der Jackerwiese. Bummvoll ist es, wer keinen der 1200 Sitzplätze ergattert, gruppiert sich um die Pilsbar oder an den Eingängen. Die Kellnerinnen balancieren Tabletts mit halben Hendln durch die vollbesetzten Reihen, auch ein "Goaßara Jubiläumsbier" in der Schnapperlflasche gibt es. Denn das Dorf feiert seinen 1200-jährigen Geburtstag, und am Samstag ist großer Festabend im Bierzelt. Dampfig ist es, Bürgermeister Stefan Fadinger wischt sich den Schweiß von der Stirn, ehe er ans Mikro tritt. "Wir haben heute mit vielen Leuten gerechnet, aber dass es so viele werden, das ist überwältigend", sagt er.

Die Gaißacher sind eine "bsondere Rass", wie es am Samstag immer wieder heißt - mit einem eigenen Kopf und großem Zusammenhalt. Sie sind Ausrichter des fast weltberühmten Schnablerrennens und sprechen eine eigene Sprache: "Goaßarisch", bei dem das R ganz besonders weit hinten gerollt wird. Den Festabend anlässlich der Ersterwähnung im Jahr 817 haben sie gemeinsam geplant und gestalten ihn auf ihre Weise: Statt Reden oder einem historischen Vortrag gibt es ein kurzweiliges Theaterstück, bei dem Laienschauspieler aus dem Dorf die wichtigsten historischen Ereignisse szenisch darstellen. Geschrieben hat das Stück Sepp Kloiber. 1200 Jahre Geschichte in 90 Minuten zusammenzufassen - "eine Meisterleistung", wie Bürgermeister Fadinger lobt. In abwechslungsreicher Form - als gespielte Szenen, kurze Zusammenfassungen oder Lesungen aus historischen Quellen - werden verschiedene Episoden der Dorfgeschichte lebendig. Die Gaißacher Musikkapelle und ein Chor untermalen das Geschehen.

Eingebettet ist die Geschichte in eine vergnügliche Rahmenhandlung: Man schreibt das Jahr 1974, der Gong schellt und die Buben und Mädchen der Gaißacher Volksschule setzen sich schnell auf ihre Plätze. "Guten Morgen Herr Wenk" - Gelächter im Publikum, denn offenbar können sich viele an den ehemaligen Direktor Richard Wenk erinnern. Weil die Kinder lieber Geschichten von früher hören, als Deutsch zu lernen, stellen sie dem Lehrer viele Fragen. Und außerdem: "Goaßarisch is doch vui scheener wia Deutsch", findet die Rosi. Lehrer Wenk lässt sich gerne ablenken und erzählt: von "Keizahu", das als eines der ersten Dörfer im Isarwinkel und fast 350 Jahre vor Tölz in den Urkunden verzeichnet ist. Von der Pest, die im Gefolge des 30-Jährigen Krieges wütete. Mit Mistgabeln verwehren Gaißacher Bauern einer Prozession aus Tölz den Bittgang nach Sankt Michael. "Kehrts um. Ihr habts den schwarzen Tod dabei", fordern sie. Genützt hat es den Gaißachern nicht - ein Handwerksbursche mit seinem schwarzen Hund, den sie leichtsinnigerweise ins Dorf ließen, soll die Pest eingeschleppt haben.

Mit einfachen Mitteln gelingt den Gaißachern ein lebendiges Stück: Szenenwechsel werden mittels Beleuchtung bewerkstelligt, Kostüme und Requisiten sind einfach, aber stimmig. Hosen und Röcke aus Sackleinen, flackerndes rotes Licht und ein verkohltes Kreuz, das den blutigen Rachefeldzug der Panduren im Jahr 1742 zeigt, bei dem 22 Bauernhöfe angezündet wurden. Die Schauspieler wirken authentisch, und obwohl es am Samstag spät wird, sind die acht Drittklässler konzentriert bei der Sache. Auch "Originale" aus dem Dorf kommen zu Wort: Der Gruber Sigi zum Beispiel, "bester Sänger im Oberland", der einen Jodler zum Besten gibt. Oder der Toni Kell, legendärer Schnabler-Moderator und "Schmarrn-Verzähler", der von den wilden 80-er Jahren berichtet, als das Rennats 20 000 Schaulustige angezogen hat. Ganz zum Schluss gibt es als Überraschung noch eine "Welturaufführung", wie Fadinger sagt. Ein Video-Clip des "Gaißach-Liedes", der für Riesenjubel sorgt. Musik und Text stammen von Kloiber, den Film, der auch auf Youtube zu sehen ist, hat Vroni Partenhauser gedreht: Es ist eine Liebeserklärung der Gaißacher an ihr Dorf, bei dem praktisch alle mitmachen: Rathausmitarbeiter, Feuerwehrler, der Tequila-Club, die Fingerhakler und der Grausamverein. Pfarrer Ludwig Scheiel, Mitarbeiter der Gaißacher Kinderklinik und der Oberlandwerkstätten. "Goaßa lass di feiern", singen sie, "mia san alle gern dabei".

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