Zentrum für Umwelt und Kultur:Die Kurve kriegen

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Matthias Fischer auf dem Steg, den eine Tagwerk-Gruppe gebaut hat. (Foto: Manfred Neubauer)

Matthias Fischer arbeitet in Benediktbeuern mit jungen Delinquenten

Von Ingrid Hügenell, Benediktbeuern

Auf dem Weg zum Biotop trifft Matthias Fischer zufällig einen jungen Mann, der dort spazieren geht. Der Umweltpädagoge des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) und der junge Mann kennen sich. "Von Tagwerk, oder?", sagt der junge Mann. Ja, stimmt. Tagwerk heißt das Projekt, in dem Fischer mit jugendlichen Delinquenten arbeitet. Der junge Mann war einer von ihnen - und er hat die Kurve gekriegt. Er sei zwar noch einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, erzählt er, habe dann aber eine Ausbildung gemacht, eine Arbeit gefunden und auch die Frau fürs Leben. Fischer freut sich. Die jungen Leute, mit denen er arbeitet, liegen dem 40-Jährigen am Herzen.

"Tagwerk" ist ein Teil des Projekts "Hoffnungsstark", für das das ZUK am Donnerstag den Umweltpreis des Landkreises erhalten hat. Straffällige Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren können vom Gericht zur Teilnahme an dem vier Monate dauernden Programm verurteilt werden. Sie arbeiten auf den Flächen im Moor, die zum ZUK gehören, auch in den beiden Biotopen, die der Umweltbildung dienen. Den Steg im Biotop, von dem Fischer kommt, als er den früheren Schützling trifft, hat eine Tagwerk-Gruppe gebaut. Die jungen Leute sind nicht die ganze Zeit im ZUK, sondern zunächst für eine Woche, in der sie zusammen wohnen, kochen und arbeiten. Anschließend kommen sie einige Male zu kürzeren Einheiten zurück.

Den therapeutischen Effekt hat nicht nur die körperliche Arbeit, bei der die jungen Leute sich selbst, aber auch die Natur um sich erfahren, und auch deren Wert vermittelt bekommen. Die Pädagogen des ZUK führen auch Gespräche mit den jungen Männern, einzeln und in der Gruppe. Die Eltern werden ebenfalls einbezogen. Viele der jungen Leute haben schlimme Schicksale, wie Fischer erzählt. "Wir sind auch gut zu denen", sagt Fischer. "Wir nehmen sie unter unsere Fittiche, aber wir fordern sie auch heraus. Wir gehen mit ihnen an ihre Grenzen."

Beim Wege- oder Dammbau im Moor sind die schnell erreicht, wo die Männer im Moor schuften, von Mücken umschwirrt - Fischer und die anderen ZUK-Mitarbeiter mitten unter ihnen. Früh geht es hinaus, mittags gibt es Brotzeit im Moor, dann wird bis abends weiter gearbeitet. Der kräftige Mann mit dem kahlen Schädel packt selber genauso mit an. "Wir stecken mit im Dreck und die Mücken stechen uns auch." Ob die jungen Leute dann stolz sind auf das, was sie geschafft haben? "Ich denke schon", sagt Fischer. "Aber sie zeigen es nicht. Sie müssen cool und hart sein." Er ist sicher, dass die meisten etwas mitnehmen aus dem Projekt, das zweimal pro Jahr mit etwa sechs Teilnehmern stattfindet.

Damit junge Leute aus schwierigen Verhältnissen gar nicht erst straffällig werden, gibt es das Präventionsprojekt "Draußen stark", das sich an Jungs ab acht Jahren richtet. Sie kommen ein Jahr lang immer wieder ins ZUK, erleben Wochenenden in Hütten oder biwakieren im Freien. Umwelterziehung und soziales Lernen in der Gruppe passieren quasi nebenbei.

Den Kindern und Jugendlichen, die Fischer betreut, ist gemeinsam, dass sie meist ohne Kontakt zur Natur aufwachsen. Da der Mensch ein Teil der Natur sei, werde er krank, wenn er sich davon isoliere. "Wir wollen die Menschen wieder in Beziehung bringen zur Natur", sagt Fischer. Moor, Wald, Flüsse, Seen und Berge rund um das Kloster Benediktbeuern werden zu Erlebnisorten, die Abenteuer bieten, aber auch die Möglichkeit, sich selbst zu spüren. Gleichzeitig, sagt Fischer, könnten die Älteren durch die Arbeit im Moor der Gesellschaft auch wieder etwas zurück geben, denn Moore sind wertvoll als Lebenraum für seltene Arten, aber auch ein wichtiger Speicher für das Treibhausgas CO2.

Das ZUK kooperiert bei "Hoffnungsstark" mit dem Verein Brücke Oberland, der sich um junge Leute kümmert, die straffällig geworden sind. Dass die Brücke nicht auch ausgezeichnet wurde, findet Fischer bedauerlich. Finanziert wird das Projekt, das vor zehn Jahren auf Anregung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt begonnen wurde, inzwischen maßgeblich von der Allianz Umweltstiftung.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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