Workshop im Musizieren:Aus dem Chaos wächst Harmonie

Workshops, Musiktage Walchensee

Cellistin Maria Well erklärt Frederica und Korbinian, wie man das Zupfinstrument Harfe spielt.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die "NouWell Cousines" geben einen Workshop in der Dorfschule Walchensee

Von Sabine Näher, Kochel am See

Eine Geige, eine Querflöte, ein Akkordeon, eine Harfe, ein Kontrabass. Dicht nebeneinander in einem Raum. Es zupft, bläst, streicht wild durcheinander. Was für den außenstehenden Beobachter wie totales Chaos wirkt, ist Teil des Konzepts von Maria und Matthias Well, Geschwister aus dem immer wieder neue Musikergenerationen hervor bringenden Well-Clan, für diesen Workshop in der Dorfschule Walchensee.

Die Profi-Musiker gehen von einem zum anderen, erklären die jeweilige Stimme, klatschen, singen oder spielen vor. Das Bass-Pizzicato klingt zunehmend entspannter, das Akkordeon schon ganz souverän. Geige und Flöte suchen noch. "Sollen wir das Vorspiel mal zusammensetzen?", ruft Maria und greift sich ihr Cello. Und - kaum kann man es glauben: Aus dem Chaos erwächst unversehens Harmonie. Danach neue Tipps, praktische Hilfen und Anweisungen. Hier wird nicht akademisch gelehrt, über den Verstand vermittelt, hier wird einfach gemacht. Klassischer Fall von "learning by doing" - und man begreift, dass genau so die musikalische Sozialisation in der riesigen Well-Familie ablaufen muss. Man macht miteinander Musik; wer weiß, wie's geht, zeigt es dem, der's (noch) nicht weiß. Daher muss der völlig angstfreie, souveräne Umgang aller Well-Kinder mit diversen Instrumenten und der Stimme kommen.

Die NouWell Cousines, das sind Maria und Matthias Well, ihre Cousine Maresa Well und der gemeinsame Freund Alexander Maschke, wollen an diesem Wochenende in Walchensee auch weniger Privilegierte, die nicht das Glück hatten, so inspiriert aufwachsen zu dürfen, von ihren Fähigkeiten profitieren lassen. Während Maria und Matthias am "Irischen Walzer" weiter arbeiten, ist Maresa Well nebenan mit der aparten Kombination Eufonium, Saxofon, Akkordeon, Hackbrett und Klavier beschäftigt. Gerade übt sie einen Text ein mit ihrer Truppe: "Zwei Katzen fingen eine Maus. Da kam sie ihnen wieder aus. Da dachten sich die beiden Katzen: As nächste Mol fang'n ma an Ratz'n!"

Maresa Well singt das Lied vor, dann werden zwei Vorsänger ausgewählt und die instrumentale Begleitung festgelegt. Und weiter geht's mit dem Refrain: "Mariechen saß auf einem Stein. Warum denn nicht auf zwei'n?" Den dürfen alle mitsingen und Maresa Well greift zu ihrer Geige. Hier läuft es ja schon super. Mal schauen, was die Gruppe um Alexander Maschke so treibt.

Der hat drei Klarinetten, Akkordeon und Kontrabass um sich versammelt und übt den "Allerseelner" ein, einen Jodler, der sofort alpenländisches Kolorit verströmt mit seiner erhabenen Majestät. Die Probenarbeit hat schon Früchte getragen. Ein Klarinettensolo beginnt, begleitet von Akkordeon und Bass, dann steigen die beiden anderen Klarinetten ein, schließlich kommt Maschke mit der Geige dazu. Das klingt schon richtig gut.

Zurück zur irischen Gruppe: Auch hier hat sich viel getan. Der Walzer läuft durch, alles passt. Während Matthias Well dem Geiger ein paar Entspannungsübungen zeigt, coacht Maria Well die Harfe nochmals und macht einen Vorschlag für den Kontrabass: "Wie wäre es, wenn der am Schluss noch was zupft?" Und sie singt und spielt es auf dem Cello vor. Yannick am Bass, offenbar anders sozialisiert, fragt schließlich: "Können wir das vielleicht mal notieren...?"

Nach der Pause treffen sich alle, um ein gemeinsames Stück einzustudieren. "Wir bauen das jetzt von unten auf", ruft Maresa Well, die wie ihre Cousine über eine ganz natürliche, freundliche, doch durchsetzungsfähige Autorität verfügt. "Wir fangen mit der Bassgruppe an, dann kommen die Nachschläge dazu, dann die erste Stimme, dann die einzelnen Soli. Oans, zwoa, drei!" Diesen musikalischen Aufbau zu erleben macht großes Vergnügen. Und die vier Profis springen herum und helfen, wo's nötig ist.

Als der Unterbau steht, spielt Matthias Well das erste Solo auf der Geige, dann dürfen die Bässe, das Saxofon, Geige und Flöte, schließlich die Klarinetten. Und wer kein Solo hat, darf singen: "Mein Hut, der hat drei Ecken". Vor drei Tagen hätten sie die Liste mit den Teilnehmern bekommen, erzählt Maria Well, und sich dann Gedanken gemacht, welche Stücke sie mit dieser bunt gemischten Gruppe erarbeiten könnten. Doch erst im direkten Kontakt mit den 16 Hobbymusikern zwischen elf und 69 Jahren kann der genaue Fahrplan festgelegt werden. Pfarrerin Elke Binder aus Kochel ist an der Klarinette dabei: "Singen und Musik machen ist mir ganz wichtig. Über meinen hier in Walchensee ansässigen Chor habe ich dann vom Workshop erfahren und mich gefreut, die Klarinette wieder mal auspacken zu können."

Die Arbeit mache viel Spaß, weil sie so entspannt ablaufe, sagt Binder, trotz der sehr unterschiedlichen Fähigkeiten der Teilnehmer. Aber wenn die Wells das nicht hinkriegen, wer dann?

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