Wolfratshausen/Kochel :Neigungen eines Motorradfahrers

Kesselberg Rüttelstreifen rumble stripes

Am Kesselberg wollen manche Biker lieber nicht erkannt werden.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das Amtsgericht rätselt, ob ein zu flach montiertes Kennzeichen der Verschönerung oder der Verschleierung dient

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen/Kochel am See

Ein "Knick in der Optik" ist für einen klaren Blick selten förderlich. Ein 25-jähriger Motorradfahrer hat die Redewendung nach Überzeugung des Wolfratshauser Amtsgerichts allzu wörtlich genommen, als er an seinem Kennzeichen herumschraubte und es zu weit oben auf dem Schutzblech anbrachte. Danach stand es in einem Winkel von 54 statt der erlaubten 30 Grad von der Maschine ab und war schwerer zu erkennen - zum Beispiel für Polizistenaugen oder Blitzer. So fuhr er im Juni auf die Serpentinen der Kesselbergstraße zwischen Kochel- und Walchensee und wurde dort von der Polizei gestoppt. Weil ihm die Geldstrafe zu hoch war und er Einspruch erhoben hatte, landete er nun wegen Kennzeichenmissbrauchs vor Amtsrichter Helmut Berger. Seine Entschuldigung: Das mache die Linien seines Motorrads angenehmer.

Ist der junge Mann aus Au in der Hallertau nun ein Technikästhet oder hat er nur den neuesten Trick eines notorischen Rasers angewandt, der unerkannt bleiben möchte? Einzelfälle sind abgeknickte oder in so schrägem Winkel angebrachte Kennzeichen bei Motorradfahrern jedenfalls nicht. Das bestätigt Steffen Wiedemann, Leiter der Kochler Polizeiinspektion, die auf der Kesselbergstraße kontrolliert. Manche wollten damit bewusst ihre Identität verschleiern, für viele zähle auch der Showeffekt, sagt Wiedemann auf Nachfrage. "Die meinen, das sieht besonders gut aus."

Der junge Hallertauer ist zumindest Wiederholungstäter und offenbar öfter am Kesselberg unterwegs. Denn im Mai hatte ihn die Polizei dort schon einmal gestoppt - mit einem um 63 Grad abgewinkelten Kennzeichen. Doch die Ermahnung nützte offensichtlich nichts.

Als Angeklagter vor Gericht räumte er nun sein Fehlverhalten ein. Der selbständige Bankkaufmann - vor Gericht trat er in Anzug und Krawatte auf - gab zu, dass er das Kennzeichen an seiner Enduromaschine mit Straßenreifen deutlich zu hoch angebracht habe. Das habe er aber aus optischen Gründen getan. Es sei definitiv eine "dumme Geschichte", und er sehe ein, dass er bestraft werden müsse, noch dazu weil es sich um eine "wiederholte Tat" handele. Das werde nicht mehr vorkommen. Doch dass er dafür laut Strafbefehl 1650 Euro zahlen müsse, sei aus seiner Sicht eine extrem hohe Geldstrafe. Die Staatsanwältin argumentierte, dass der junge Mann aus ihrer Sicht nicht einsichtig gewesen sei. Für den Freiberufler spreche, dass er gestanden habe und darüber hinaus nicht weiter strafbar geworden sei. Die Staatsanwältin plädierte für eine Geldstrafe von 1200 Euro.

Richter Helmut Berger fragte sich, auf welche optischen Gründe sich der junge Mann eigentlich berufen wolle. Wenn dieser fahre, könne er das Nummernschild sowieso nicht sehen, sagte er. Der Richter bekannte, früher selbst Motorrad gefahren zu sein. Der Kesselberg sei unter den Fahrern beliebt. Auf der rund neun Kilometer langen Kesselbergstraße würden Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten. Der Kesselberg übe wohl einen "unwiderstehlichen" Reiz auf Motorradfahrer aus, sagte Berger.

Der Richter folgte der Forderung der Staatsanwältin. Er verurteilte den jungen Mann zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 40 Euro, also insgesamt 1200 Euro. Damit habe der Angeklagte einen Teilerfolg erzielt.

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