Wolfratshausen:Wettstreit der Schnelldichter

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Die Stadt lädt zum 1. Poetry-Slam und sucht noch zwei Nachwuchstalente.

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Wenn Yannik Sellmann loslegt, klingt zunächst alles nach einer unterhaltsamen Erzählung. "Neulich hat sich einer meiner Nachhilfeschüler selber als Nerd bezeichnet, weil er eine neue quadratische Brille aufhatte", hat der Jurastudent beim Poetry-Slam in Ulm vor fünf Monaten vorgetragen: "Ich habe gekocht. So einfach geht das nicht - da gibt es ein Auswahlverfahren!" Und das hat es in sich, genau wie sein Vortrag. Während Sellmann seine Geschichte in Versen erzählt, stapeln sich die rhetorischen Figuren, die Worte verzwirbeln sich und wirbeln im Sturm, die Lacher kommen Schlag auf Schlag. Sellmann karikiert die Lebenswelten eines Gamers und Nerds, nennt sie einen "elitären Zirkel voller unrasierter Pubertärer, die in der Schule keiner versteht, weil sie nicht Deutsch reden, sondern halb elfisch und halb Pokémon", flippt dabei ein wenig aus, rappt Namen von Computerspielen, verhaspelt sich mal, legt eine Atempause ein - und das Publikum lacht und applaudiert. Erst im Oktober 2015 hat Sellmann mit dem Poetry Slam angefangen. Doch der Jurastudent weiß, wie er seine Zuhörer überzeugt. Und darauf kommt es an.

Sellmann ist amtierender bayerischer Meister im Poetry-Slam und mit dabei, wenn am Samstag der Dichter-Wettstreit in Wolfratshausen tobt. Die Macher des Loisach-Jams und die Ebersberger Poetry-Veteranen von "Reimrausch" haben sich zusammengetan, um im Innenhof des Wolfratshauser Rathauses den ersten Poetry-Slam der Stadt zu veranstalten. Die Regeln des Wettbewerbs sind einfach: Ein Teilnehmer hat gut sechs Minuten Zeit für den Vortrag eines Texts, der aus seiner eigenen Feder geflossen sein muss. Die Verse müssen sich nicht zwingend reimen, alle möglichen literarischen Formen und Genres sind erlaubt: Lyrik, Kurzprosa, Rap oder Comedy - die Hauptsache ist, dass der Text das Publikum überzeugt und die Performance auf der Bühne stimmt. Eine Jury vergibt Punkte von eins bis zehn, die besten Drei kommen ins Finale. Am Ende küren die Zuschauer den Gewinner. Das Publikum muss also auch etwas können: gut zuhören - was bei High-Speed-Slammern wie Sellmann zu einer echten Herausforderung werden kann.

Das Reimrausch-Duo Mic Mehler und Christoph Hebenstreit, beide Moderatoren und Liebhaber guter Geschichten und schöner Worte, dürfte Besuchern der Alten Madlschule in Bad Tölz ein Begriff sein: In dem Kulturhaus finden immer wieder Poetry-Slams statt, der nächste Termin ist im November. Außerdem ruft Reimrausch regelmäßig in Erding, Ebersberg, Wasserburg, Staudham, Landshut und Weilheim zum Wettstreit auf. Zum Wolfratshauser Slam haben Reimrausch neben dem Meister Sellmann den Weißenburger Martin Geier eingeladen, der schon mehr als 600 Slams absolviert hat. Auch Ingo Winter ist mit dabei, ein versierter Dichter und Grundschullehrer aus dem fränkischen Lauf an der Pegnitz. Antonia Lunemann vertritt das Oberland: Sie kommt aus Höhenkirchen und erobert ebenfalls seit Oktober 2015 die Slam-Bühnen. Fünfter Gast ist der Slammer Markus Berg, Gastgeber der Lesebühne "Dichter ran ans Wort" in Ismaning und Moderator der Science Slams im Münchner Lustspielhaus. Zwei Plätze sind frei für Talente aus Wolfratshausen und Umgebung, die sich den Herausforderern stellen wollen. Anmeldungen gehen per Email an loisachjam@wolfratshausen.de oder an reimrausch@gmx.de

1. Wolfratshauser Poetry-Slam, Samstag, 20. August, Rathaus-Innenhof, bei Regen im Sitzungssaal. Beginn um 20.15 Uhr. Einlass ab 19.30 Uhr. Eintritt: fünf Euro an der Abendkasse und im Vorverkauf in der Stadtbücherei Wolfratshausen.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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