Wolfratshausen:Weiblich, syrisch sucht . . .

Wolfratshausen: Zaineb und Madine Mahmoud (r.) hoffen auf eine Wohnung.

Zaineb und Madine Mahmoud (r.) hoffen auf eine Wohnung.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Warum zwei Schwestern seit einem Jahr keine Wohnung finden

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Weiblich, ledig, nicht mehr ganz jung sucht: So könnte eine Anzeige beginnen, wenn Zainab und Madine Mahmoud Wohnungsvermieter auf sich aufmerksam machen wollten. Im Nachgang könnten sie das dann vervollständigen: Weiblich, ledig, nicht mehr ganz jung und syrisch sucht . . . Dann würde vermutlich dasselbe geschehen, was die beiden anerkannten Flüchtlinge seit einem Jahr erleben: Nichts.

Zaineb, 42, und Madine Mahmoud, 44, sind Schwestern. Sie sind zusammen mit ihrer 20-jährigen Nichte und dem 16-jährigen Neffen aus Syrien nach Deutschland geflohen. "Weil ihnen in ihrem Dorf die Bomben um die Ohren geflogen sind", sagt ihre hiesige Flüchtlingshelferin Bianca Schmidbauer. Auf der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland war Zainab, die nicht schwimmen kann, aus dem Boot ins eiskalte Wasser gefallen und gerettet worden. Über Italien gelangte die Familie nach Deutschland, wo die Polizei sie zunächst nach Rosenheim brachte. Nach sechs Monaten in einem Münchner Flüchtlingslager kam sie nach Wolfratshausen, hier quartierte das Landratsamt sie in eine von der evangelischen Kirche angemietete Wohnung ein. Den Asylanträgen der beiden Frauen wurde stattgegeben. Das war für sie die gute Nachricht. Doch damit verbunden war eine zweite: Wer Asyl hat, muss für sich selbst sorgen, also auch eine eigene Wohnung beschaffen. Die Wohnungssuche ist eines der drängendsten Probleme, die alle mit dem Thema Flüchtlinge befassten Institutionen, beruflich und ehrenamtlich engagierten Menschen feststellen. Es herrscht, zumal hier im Landkreis, ein eklatanter Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Das spüren Durchschnittsverdiener ebenso wie Menschen mit geringem Einkommen. Schon die Einheimischen haben Probleme, umso mehr trifft die Wohnungsnot Flüchtlinge. Laut Landratsamt sind derzeit etwas mehr als hundert Flüchtlinge sogenannte Fehlbeleger: Sie leben noch in einer der staatlich bereitgestellten Unterkünfte, obwohl sie längst hätten ausziehen müssen.

Dabei wären Zainab und Madine doch ideale Mieterinnen - findet ihre Betreuerin Bianca Schmidbauer. "Zwei Frauen, die putzen, räumen und alles in Ordnung halten. Die feiern auch keine Partys", sagt sie augenzwinkernd. Zudem sei die Miete gesichert. Denn die beiden Syrerinnen beziehen Hartz IV, für ihre Wohnungskosten kommt das Job-Center auf: 440 Euro sind für zwei Personen vorgesehen. Das Job-Center zahlt das auf Wunsch auch direkt an den Vermieter. Und Zainab und Madine wären bereit, noch 100 bis 200 Euro draufzulegen. Bianca Schmidbauer hat auch schon einmal angeboten, eine Bürgschaft für die beiden zu übernehmen, aber der potenzielle Vermieter warnte sie davor - und hatte im Übrigen ohnehin nichts zu bieten für die Syrerinnen.

So gehe das nun schon seit Monaten, berichtet Schmidbauer. Trotz zwei Dutzend Versuchen seien die Schwestern überhaupt erst ein einziges Mal bis zu einem Besichtigungstermin gelangt. Zusammen mit zwanzig anderen Bewerbern und ohne den Zuschlag zu bekommen. Der Grund für die Ablehnung werde nie ausgesprochen, vielmehr bekämen die Frauen zu hören, die fragliche Wohnung sei doch zu klein für sie, oder es werde schon am Telefon gesagt, man habe bereits 25 Bewerber. "Das kommt dann meist, wenn ich sage, wer da einziehen will", berichtet die Flüchtlingshelferin. Sie ruft immer im Namen der Syrerinnen an, denn die lernen zwar in einem Integrationskurs in München täglich Deutsch, sind aber noch nicht so gewandt, dass sie eine telefonische Wohnungssuche schaffen würden.

Die übrige Familie der beiden hatte mehr Glück. Die dritte Schwester und ihr Ehemann - Eltern der beiden mit Zainab und Madine geflüchteten Jugendlichen - kamen auf dem Weg des Familiennachzugs nach Deutschland. Gemeinsam mit ihren Kindern leben sie zu fünft in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Wolfratshausen. Der reinste Lottogewinn, sagt Schmidbauer: Eine so nette Vermieterin sei ihr davor und danach nicht mehr begegnet. Aber jedesmal wenn sie einen neuen Anruf unternimmt, hofft sie darauf. "Ich suche für zwei Damen, ruhig, unverheiratet, Mitte vierzig", so beginnen Schmidbauers Anrufe. Doch spätestens bei "zwei Damen aus Syrien" heißt es prompt: "Die Wohnung ist nur für eine Person."

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