Wolfratshausen:Von jungem Flüchtling fehlt jede Spur

Wolfratshausen: Die Isar führt derzeit viel Wasser, die Strömung ist gefährlich. Hier die Stelle bei Wolfratshausen, wo der 16-Jährige am Samstag untergegangen ist.

Die Isar führt derzeit viel Wasser, die Strömung ist gefährlich. Hier die Stelle bei Wolfratshausen, wo der 16-Jährige am Samstag untergegangen ist.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Suchaktion nach dem 16-jährigen Afghanen, der in der Pupplinger Au schwimmen ging, bleibt ohne Erfolg. In seiner Wohngruppe ist die Stimmung gedrückt.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Von dem 16-jährigen Flüchtling aus Afghanistan, der am Samstagnachmittag beim Schwimmen in der Pupplinger Au in der Isar untergegangen ist, fehlt weiterhin jede Spur. "Man muss, so traurig das ist, davon ausgehen, dass der junge Mann tot ist", sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Stefan Sonntag, am Montag. Der 16-Jährige war am Samstag mit Bekannten in der Pupplinger Au bei Wolfratshausen an der Isar und ging gegen 16.20 Uhr zum Schwimmen ins Wasser. Er wurde von der starken Strömung mitgerissen und ging unter. Seine Begleiter hätten ihn noch ein- bis zweimal auftauchen sehen, sagt Sonntag. Dann sei er im Wasser verschwunden.

Der 16-Jährige lebte seit April in der Wohngruppe "Unisono"

Nach dem Notruf wurde sofort eine Hilfsaktion gestartet. Der Einsatz, bei dem Wasserwacht, DLRG, Feuerwehr, Rotes Kreuz und Polizei sowie zwei Hubschrauber den Fluss zwischen Wolfratshausen und der Museumsinsel in München absuchten, blieb erfolglos und wurde gegen 19 Uhr beendet. Am Sonntag flogen noch einmal zwei Hubschrauber das Gebiet ab, ohne die Leiche des Buben zu finden. Die Isar führe derzeit sehr viel Wasser und habe eine starke Strömung, sagt Sonntag. Der Körper des Jugendlichen könne "im Prinzip überall" sein. Die Kriminalpolizei Weilheim, die die Ermittlungen übernommen hat, habe nun alle Betreiber und Mitarbeiter von Wehr- und Rechenanlagen zwischen der Unglücksstelle und München angehalten, nach der Leiche zu suchen.

Der 16-Jährige war alleine aus Afghanistan nach Deutschland geflohen und lebte seit April in der Wohngruppe "Unisono" für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die die Kinder- und Jugendhilfe "Inselhaus" in Wolfratshausen betreibt. Laut der Geschäftsführerin der gemeinnützigen GmbH, Angelika Schmidbauer, war er mit Freunden aus Wolfratshausen in der Pupplinger Au, Betreuer waren nicht dabei. "Wir wussten, dass er mit Freunden unterwegs ist", sagt Schmidbauer. Man sei froh gewesen, dass der 16-Jährige, der anfangs sehr schüchtern gewesen sei, Anschluss in der Stadt gefunden habe. Davon, dass er in der Isar baden wollte, hätten die Betreuer nichts gewusst, sagt Schmidberger.

Die Betreuer haben eindringlich auf die Gefahren beim Baden hingewiesen

Der Fall ist umso tragischer, als erst im Juni zwei jugendliche Flüchtlinge in Wolfratshausen aus der Loisach gerettet wurden. Nach dem Vorfall hätten die Betreuer der Wohngruppe noch einmal eindringlich auf die Gefahren beim Baden hingewiesen. "Wir haben den Jugendlichen eingebläut, dass sie nicht ins Wasser gehen dürfen", sagt Schmidberger. Zudem nähmen die Flüchtlinge regelmäßig an Schwimmkursen teil. Auch der 16-Jährige, der am Samstag verunglückt ist, habe einen Anfängerkurs im Wellenbad Penzberg besucht, sagt Schmidberger. Er sei kein begeisterter Schwimmer gewesen, habe sich aber über Wasser halten können. Für die reißende Isar hat das nicht gereicht.

Nun gibt es erneut einen tragischen Todesfall. Fakt ist, dass jugendliche Flüchtlinge, die nicht oder kaum schwimmen können, die Gefahr der Gewässer oft unterschätzen. "Das passiert immer wieder", sagt Polizeisprecher Sonntag. So seien etwa im Mai in Traunstein zwei junge Flüchtlinge beim Baden ertrunken, und erst kürzlich hätten Helfer einen jugendlichen Asylbewerber aus dem Chiemsee retten müssen. Er sei von einem Sprungbrett ins mehrere Meter tiefe Wasser gesprungen, obwohl er gar nicht habe schwimmen können, berichtet Sonntag. Ähnliches erzählt Bernhard Link, Sprecher der DLRG Schäftlarn-Wolfratshausen: Kinder von Asylbewerbern hätten meist gar keine Furcht vor dem Wasser. Sie sprängen hinein, ohne schwimmen zu können.

Der tragische Unfall hat die anderen Jugendlichen in der Wolfratshauser Wohngruppe schockiert. "Die Stimmung ist gedrückt", erzählt Schmidberger. Bereits am Samstag habe man den Kriseninterventionsdienst und den Psychologen der Gruppe einbestellt, um den ohnehin traumatisierten jungen Flüchtlingen in ihrer Trauer beizustehen. Die Wohngruppe arbeite eng mit dem Jugendamt zusammen und bleibe bis auf Weiteres durchgehend mit zwei Betreuern besetzt. Die Mutter des Buben in Afghanistan hat die Polizei laut Sprecher Sonntag inzwischen über den tödlichen Unfall ihres Sohnes unterrichtet.

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