Wolfratshausen:Und alle waren dabei

Wolfratshausen: Als Frauenheld gibt sich General Harras (Mitte: Gerd Silberbauer) zumeist. Seine innere Zerrissenheit zeigt er etwa dem jungen Leutnant Hartmann.

Als Frauenheld gibt sich General Harras (Mitte: Gerd Silberbauer) zumeist. Seine innere Zerrissenheit zeigt er etwa dem jungen Leutnant Hartmann.

(Foto: Hartmut Pöstges)

"Des Teufels General" von Carl Zuckmayer bringt eine vielschichtige Nazi-Gesellschaft auf die Bühne der Loisachhalle. Ein facettenreicher Gerd Silberbauer gibt den Harras

Von Christa Gebhardt, Wolfratshausen

Als "Des Teufels General" 1946 auf die Bühne kam, bewies Carl Zuckmayer sehr früh den Mut, Täterforschung im Naziregime zu betreiben. Noch Jahrzehnte danach schreckten die Deutschen davor zurück. Zuckmayer zeichnete mit den vielen unterschiedlichen Figuren des Dramas ein Gesellschaftsbild, in dem jeder zufällig verbandelt, naiv, verblendet oder feige war, macht- und karrierehungrig, Amüsement mit den Herrschenden suchte, oder Lust an Intrige und Sadismus verspürte. Sie alle, ob Täter, zustimmende oder ängstliche Mitläufer oder gierige Nutznießer des Regimes waren in das entsetzliche Gespinst der Diktatur verwoben.

Sie alle, echte und falsche Freunde, versammeln sich um den Protagonisten General Harras, angesehen als Fliegerheld und Vorbild des draufgängerischen, aber unpolitischen Soldaten. Unter der differenziert und klar strukturierten Regie von Klaus Kusenberg spielt Gerd Silberbauer am Samstag in der Loisachhalle vor rund 300 Zuschauern sehr facettenreich einen komplexeren Charakter: Im privaten Raum gibt er das zynische Alphatier und den umworbenen Frauenhelden, der ausschweifend zu feiern weiß. Seine Motivation: "Mein Lebensinhalt war immer die Fliegerei. Ein Nazi bin ich nie gewesen. (. . .) Nirgends hätte man mir diese Möglichkeiten gegeben- diese Macht." Er gibt den Ton an, auch gegenüber dem in feines Tuch gekleideten Industriellen Sigbert von Mohrungen (Andreas Klein), dem er vorwirft, mit seinesgleichen die Nazis finanziert zu haben. Forsch tritt er auf, auch gegenüber Dr. Schmidt-Lausitz (asig und intrigant gespielt von Markus Fisher), der sich als Kulturleiter ausgibt, und der tatsächlich, wie Harras weiß, bei der Gestapo ist.

Der General zeigt aber auch sein innerlich zerrissenes, schließlich verzweifeltes Gesicht: Die alten Haudegen wie Kriegskamerad Hauptmann Pfundtmayer (Peter Schmidt-Pavlov) wollen weiter unbeirrt für das deutsche Vaterland dreinschlagen. Der junge Leutnant Hartmann (überzeugend: Adrian Spielbauer, Sohn des Wolfratshauser Kabarettisten Peter Spielbauer), sozialisiert im System der nationalsozialistischen Gehirnwäsche, offenbart dem General sein Entsetzen über die wahren Gräuel des Kriegs an der Front, die Harras längst kennt, denn: "Der Tod stinkt!" Der Rettungsversuch eines jüdischen Ehepaars, verabredet mit der früheren Geliebten, der von den Nazis verehrten Operndiva Olivia Geiss (Annette Kreft), misslingt und endet mit dem Selbstmord des Paars. Und schließlich stirbt sein Freund, der Flieger Friedrich Eilers. Seine Witwe Anne (Marsha Zimmermann) bekennt dem General: "Sie töten ohne Recht und Glauben, für eine Sache, die sie hassen und verachten. Sie sind ein Mörder. Eilers war ein Held. Ihr Krieg ist Mord. Sein Krieg war Opfer." Und der erwidert: "Es war der gleiche Krieg."

Dass Chefingenieur Oderbruch, engster Mitarbeiter von Harras, hinter der von ihm vermuteten Sabotage in der Flugzeugproduktion steckt, wirft die Frage auf, ob gewalttätiger Widerstand gerechtfertigt ist, um einen Sieg des menschenverachtenden Regimes zu verhindern. In auswegloser Situation besteigt der General ein sabotiertes Flugzeug und stürzt in den Freitod.

Ein Münchner Paar, das eine frühere Inszenierung kennt, zeigt sich begeistert über die neue Aufführung für das Euro-Studio, die Regie und das Bühnenbild, das eindrucksvoll in schwarz-roten Kontrasten die Stimmung spiegelt, aber auch den vielen Figuren auf zwei Ebenen gleichzeitigen Auftritt ermöglicht. Die beiden Senioren aus Geretsried, geboren 1934, berichten von der Widersprüchlichkeit, die sie als Kinder in ihren ausgebombten Wohnorten aus der Erwachsenenwelt erfuhren. Sie erinnern sich gut an die Sensation, die das Stück ausgelöst hat, als die beiden es als Jugendliche Ende der Vierzigerjahre zum ersten Mal sahen. Felix, Lena und Jan aus München, vor allem wegen ihres Freunds Adrian Spielbauer zum Theaterabend gekommen, haben das Drama von Zuckmayer in der Schule gelesen, aber, so Jan, dass es damals auch "gute Nazis" gegeben habe, das könne er wirklich nicht glauben.

Ein konzentriertes, begeistertes Publikum in der Loisachhalle spendete dem Ensemble herzlichen und anhaltenden Applaus.

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