Wolfratshausen:Sozialstunden für Betrug

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Gericht verurteilt junge Frau, die zu Unrecht Bafög bezog

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Mit Tränen und lautstarkem Protest endete die Verhandlung: Eine heute 22-jährige Studentin aus dem Landkreis hat 2012 Förderung nach dem Bundesausbildungsgesetz (Bafög) beantragt. Die Staatsanwaltschaft warf ihr vor, ein Vermögen in Höhe von 14 000 Euro verheimlicht zu haben. Ein Jahr lang hat sie deshalb rund 4300 Euro zu viel kassiert. Das Geld ist inzwischen zurückgezahlt. Die junge Frau wurde vom Jugendgericht Wolfratshausen wegen Betrugs verurteilt - zu 32 Sozialstunden.

Die Angeklagte wischte sich nach der Urteilsverkündung die Tränen ab, ihre Eltern protestierten lauthals gegen das "ungerechte Urteil". Die Mutter schrie: "Wahnsinn" und wurde von Richter Urs Wäckerlin des Saals verwiesen, weil sie sich nicht beruhigen wollte. Die junge Frau sagte, ihr Vater habe für sie ein Konto angelegt, als sie 16 gewesen sei. Seine Begründung: Er wolle so Steuern sparen. Sie habe einfach unterschrieben ohne nachzufragen. Ebenso zwei Jahre später, als sie volljährig wurde. Sie habe gedacht, es handle sich um das Konto ihres Vaters und habe deshalb beim BAföG-Antrag nur ein Guthaben von 200 Euro angegeben. Weil dem Landratsamt Miesbach schließlich 165 Euro an Zinsen für ihre Guthaben gemeldet wurden, zeigte die Behörde die Frau an.

Die junge Frau berief sich vor Gericht auf ihre Naivität; auch habe sie sich mit dem Vater schlecht vertragen und ihm vom Bafög-Antrag deshalb nichts erzählt. Sie habe die Berufsoberschule besucht, für die es ein elternunabhängiges Bafög gebe.

Der Vater, ein 60-jähriger Techniker, bestätigte, das Konto für seine Tochter angelegt und Geld darauf eingezahlt zu haben. Seine Tochter hätte sich mit dem Geld etwa ihren Führerschein finanzieren sollen. Nur er habe über das Konto verfügen können, sie habe davon nichts gewusst. Er bestätigte, dass ihm seine Tochter nichts von ihrem Bafög-Antrag erzählt habe. Als sie ihm später sagte, sie erhalte Ausbildungsförderung, habe er sich gewundert. Schließlich seien er und seine Frau Doppelverdiener. Den geschuldeten Bafög-Betrag habe er inzwischen gezahlt.

Auch die Mutter gab an, ihre Tochter habe mit dem Konto nie etwas zu tun gehabt. Die junge Frau habe geweint, als sie wegen Betrugs vorgeladen worden sei. Die Lehrerin betonte, es sei ihr wichtig gewesen, vor Gericht zu erscheinen, um ihre Tochter zu verteidigen. Von dem Konto auf den Namen ihrer Tochter habe sie gewusst. Allerdings wisse sie nicht mehr, ob sie beim Ausfüllen des Bafög-Antrags geholfen habe. Es könne aber sein.

Die Jugendgerichtshelferin erklärte, dass die Tochter in ihrer Kindheit und Jugend auf den Vater besondere Rücksicht genommen habe. Er sei oft aggressiv und wütend gewesen. Im Dezember 2014 sei die junge Frau in eine eigene Wohnung gezogen die von den Eltern bezahlt wurde. Wegen des geringen Selbstwertgefühls der Angeklagten empfahl sie, das Jugendstrafrecht anzuwenden. Die Staatsanwältin schloss sich dem Vorschlag an. Sie forderte 32 Sozialstunden für die Angeklagte. Sie habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass ihre Angaben zu den Konten nicht richtig waren. Richter Wäckerlin hielt die junge Frau für schuldig und verurteilte sie zu den geforderten 32 Sozialstunden. Sie hätte sich informieren müssen, als sie Bafög beantragte. Zudem habe sie sowohl bei der Kontoeröffnung unterschrieben als auch, als sie volljährig geworden sei. Das Geld sei ihr wirtschaftlich zuzuordnen gewesen.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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