Geretsried:Singen im Sari

In Delhi gibt es 20 Millionen Menschen und drei Chöre. Den größten leitet eine Geretsriederin. Nun bringt Carolin Remy "The Capital City Minstrels" zu zwei Gastspielen in ihre alte Heimat

interview Von Stephanie Schwaderer

Bei einer Reise nach Nepal hat Carolin Remy ihr Herz verloren (an Asien) und ihre Liebe gefunden (zu einem Franzosen, der ebenfalls mit dem Rucksack unterwegs war). Vor elf Jahren packten die beiden frisch Verheirateten ihre Sachen und zogen nach Neu-Delhi. Dort leitet die Geretsriederin mittlerweile den größten Chor der Stadt: The Capital City Minstrels. Zwei Dutzend Mitglieder befinden sich derzeit auf Europatournee. Nach Konzerten in Budapest, Prag und Berlin machen sie am Wochenende im Landkreis Station.

SZ: Wo ist es für Sie aufregender zu singen, in Berlin oder in Geretsried?

Carolin Remy: Auf jeden Fall in Geretsried. Dort stehen wir zusammen mit alten Freunden von mir auf der Bühne. Als ich nach Indien ging, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal mit meinem eigenen Chor zurückkommen würde. Nun bringe ich meine alte und meine neue Heimat zusammen.

Sie waren 1992 Gründungsmitglied der Mixed Voices. Haben Sie ein Stück Geretsried nach Neu-Delhi exportiert?

Was die Musik anbelangt, durchaus. Ansonsten ist es natürlich schwierig, Geretsried zu exportieren. Als Chorleiterin habe ich von meinen Erfahrungen profitiert und mit den Stücken begonnen, die ich von den Mixed Voices her kannte.

Und wie wird man Chorleiterin in Delhi?

Das erste, was mir damals nach meinem Umzug klar wurde, war: Ich brauche wieder einen Chor. Nun muss man wissen: Die Stadt hat 20 Millionen Einwohner, aber nur drei Chöre. Ich hörte mir dann das Weihnachtskonzert der Capital City Minstrels an und fand es toll. Auch wenn nicht jeder Ton perfekt saß, die Leute strahlten eine solche Freude aus! Und sie sahen so schön aus. Leider kann ich zum Dirigieren keinen Sari tragen.

Geretsried: So sieht es aus, wenn Carolin Remy ihren Chor, "The Capital City Minstrels" in Delhi dirigiert. Die meisten Mitglieder sind Akademiker.

So sieht es aus, wenn Carolin Remy ihren Chor, "The Capital City Minstrels" in Delhi dirigiert. Die meisten Mitglieder sind Akademiker.

(Foto: privat)

Aber als Chormitglied durften Sie.

Ja, ich habe einige Jahre als Sängerin mitgewirkt. Als ich nach der Geburt meines zweiten Kindes wieder zum Chor zurückkam, fragte mich die damalige Dirigentin, eine Engländerin, ob ich nicht ihre Nachfolge antreten wolle. Erst habe ich gezögert - bis dahin hatte ich nur Kinder unterrichtet. Aber dann dachte ich mir: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Indien und Chorgesang - das passt schwer zusammen. Gibt es überhaupt indische Chormusik?

Eigentlich nicht. Ein paar wenige indische Lieder wurden für Chor gesetzt, aber das sind Ausnahmen. Die Capital City Minstrels wurden vor 20 Jahren gegründet, um westliche Musik nach Indien zu bringen - viel Mozart, die ganzen Klassiker. Seit ich den Chor übernommen habe, hat sich der Stil stark verändert. Zwar würden viele Mitglieder noch immer gerne Oratorien singen. Aber die meisten können keine Noten lesen. Und auch die Harmonien sind für viele ungewohnt.

Worauf setzen Sie stattdessen?

Unser Repertoire reicht von der frühesten Chormusik bis hin zu Volksliedern, Rock, Pop und Jazz. Einige indische Lieder haben wir natürlich auch im Programm. Wenn wir jetzt nach Europa kommen, dann nicht, um den Leuten Mozart und Vivaldi vorzusingen, das können andere besser. Was uns auszeichnet: Wir haben eine sehr enge Verbindung zueinander und unheimlich viel Freude zusammen. Die Jüngste ist 19, die älteste 77. Wir gehören verschiedenen Religionen und Nationen an, es gibt Franzosen und Spanier, Japaner, Koreaner, Ungarn und natürlich Inder, die wiederum ganz unterschiedliche Sprachen und Dialekte sprechen, aber die Sprache, die uns alle verbindet, ist die Musik. Gemeinsam haben wir sehr viel Energie.

Geretsried: Carolin Remy ist in Geretsried aufgewachsen. Zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie seit elf Jahren in Neu-Delhi.

Carolin Remy ist in Geretsried aufgewachsen. Zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie seit elf Jahren in Neu-Delhi.

(Foto: privat)

Sie geben am Sonntag zwei Konzerte im Landkreis, eines mit dem Tölzer Kammerchor, eines mit den Mixed Voices. Was erwartet das Publikum?

Wir dürfen als Gastchor jeweils den Hauptteil des Programms bestreiten, aber wir werden auch gemeinsam einige Lieder singen. Was genau, ist noch geheim. Aber es wird sicherlich ein großer Spaß.

Auf was freuen Sie sich in Ihrer alten Heimat am meisten?

Auf die Familie und die Freunde natürlich. Aber auch auf die Natur, dass alles so sauber ist, so frisch und klar. Ja, und auf ein schönes Stück Grillfleisch freue ich mich auch.

The Capital City Minstrels, Konzert mit dem Tölzer Kammerchor (Leitung Christoph Heuberger), Sonntag, 21. Juni, 10.45 Uhr, Stadtpfarrkirche Bad Tölz; Konzert mit den Mixed Voices (Leitung Roland Hammerschmidt), 19 Uhr, Schulzentrum an der Adalbert-Stifter Straße, Geretsried; Eintritt frei

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