Wolfratshausen:Schwere Vorwürfe gegen Sankt Matthias

Daniel Bühling wollte Priester werden, doch die Zustände in Waldram hielt er nicht aus. In seinem Buch "Das elfte Gebot" berichtet er, dort habe es Mobbing und Gruppensex gegeben.

Von Benjamin Engel

Kunst am Bau St. Matthias Waldram

Sehr modern präsentiert sich Sankt Matthias in Waldram mit seinem Neubau. Die Einrichtung umfasst Seminar, Gymnasium und Kolleg.

(Foto: Manfred Neubauer)

In seinem gerade erschienen Buch "Das 11. Gebot: Du sollst nicht darüber sprechen" enthüllt Daniel Bühling laut Titelblatt "Dunkle Wahrheiten über das Priesterseminar". Der ehemalige Schüler des Spätberufenenseminars Sankt Matthias in Waldram erhebt darin schwere Vorwürfe nicht nur gegen diese Einrichtung.

Er berichtet, in Waldram hätten konservative Seminaristen die liberal eingestellten Bewohner massiv unter Druck gesetzt. Außerdem sei es in der Sauna im Keller des Gebäudes vor seiner Zeit zu sexuellen Handlungen gekommen - auch in Gruppen. Das hätten ihm ältere Seminaristen erzählt, sagt Bühling. Er beklagt in der katholischen Kirche eine Haltung, alles Unangenehme zu verschweigen. Bühling hat das Waldramer Seminar von 2000 bis 2003 besucht. Bettina Göbner, Pressesprecherin der Erzdiözese München und Freising, bestätigt Gerüchte über Ausschweifungen in der Seminar-Sauna. Diesen Gerüchten sei Pfarrer Josef Riedl, Seminarleiter bis 2002, nachgegangen, erklärte Göbner der SZ am Dienstag.

Junge Männer und Frauen können in Waldram die allgemeine Hochschulreife nachträglich erlangen. Dazu gehört ein Seminar, in dem junge Männer wohnen können, die mit dem Gedanken spielen, Priester zu werden. Unter den Seminaristen habe es einvernehmliche sexuelle Handlungen gegeben, habe es geheißen, sagt Göbner. Konkrete Anschuldigungen habe niemand erhoben. Die Seminaristen hätten gegenüber Riedl allerdings "gemauert".

Pfarrer Martin Schnirch, Seminardirektor seit 2007, äußert sich zu Ereignissen vor seiner Zeit nicht. Aktuell gebe es keine Mobbing-Vorwürfe. Sollte ihm dergleichen zu Ohren kommen, werde er der Sache aber nachgehen. Unterschiedliche Auffassungen in theologischen und anderen Fragen seien normal unter den Seminaristen. Sie respektierten einander allerdings. "Ich beobachte, dass es unter unseren derzeitigen Seminaristen trotz aller Unterschiedlichkeiten einen regen und ehrlichen Austausch gibt, wo auch die Meinung des anderen respektiert wird." Seit er Direktor sei, habe er keine Berichte über sexuelle Handlungen unter Seminaristen gehört, sagt Schnirch. Gegebenenfalls würde er solchen Berichten aber nachgehen.

Der Einzelhandelskaufmann Bühling zog zur Jahrtausendwende mit 22 Jahren in das Waldramer Spätberufenenseminar. Er wollte sein Abitur nachholen, dann Priester werden. 40 junge Männer hätten damals im Seminar gewohnt, sagt Bühling. Das Wohnheim sei nicht nur für Priesteramtskandidaten gedacht gewesen. "Es waren aber dieselben Strukturen." Verdutzt sei er gewesen, sagt Bühling, wie tief gespalten die Seminaristen waren. Hauptsächlich in Schwarz-Weiß gekleidete Konservative hätten auf die liberal ausgerichteten Bewohner massiven Druck ausgeübt.

Bühling zählt sich zu den liberalen Katholiken. Auch ihn hätten "die Konservativen" massiv unter Druck gesetzt. Er sei aufgefordert worden, sich auf ihre, die "richtige" Seite, zu stellen. Als er sich geweigert habe, hätten sie ihm eine schwere Zeit angedroht. Sie hätten gegen Liberale Gerüchte gestreut, sie seien homosexuell, um ihrer späteren Karriere zu schaden. Die konservativen Seminaristen stellten sich laut Bühling gegen alle, die Neues in die Kirche tragen wollten. "Gottesdienste mit Gitarren und liturgischen Tänzen wurden verteufelt." Nur die tridentinische Messe sollte gefeiert werden.

Bühling konnte nach eigener Aussage den Druck 2003 nicht mehr aushalten. Er sei selbst homosexuell und habe sich auch einmal während seiner Zeit in Waldram verliebt. Angst habe ihn ständig begleitet. Deshalb suchte er das Gespräch mit dem damals neuen Seminarleiter Franz Haringer. Ihm habe er vom ständigen Mobbing der konservativen Seminaristen berichtet. Dessen Antwort: Wenn es ihm nicht passe, solle er halt gehen. Daraufhin verließ Bühling das Seminar. Er besuchte später ein Priesterseminar in Rheinland-Pfalz. Dort habe das gleiche Klima geherrscht, sagt er. Er lebt heute mit Ehemann als freier Theologe bei Augsburg. Das Buch habe er wegen der "Vogel-Strauß-Mentalität" oberer Kirchenmänner geschrieben, die Probleme tot schwiegen, sagt Bühling.

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