Starkbieranstich:Wie der Engel Aloisius die Wolfratshauser derbleckt

Ludwig Gollwitzer hält den "Wuiden" eine "Aufschieberitis" vor und sagt: "Schauts amoi nach Geretsried!"

Von Claudia Koestler

Da kommunalpolitisch nur jene etwas zu gelten scheinen, die einmal im Jahr zum Starkbier verbal eins übergebraten bekommen, die gute Nachricht vorab: Wolfratshauser Stadträte, Adabeis und benachbarte Politiker können auch heuer im Glauben ihrer Bedeutung gefestigt bleiben. Beim Derblecken am Freitagabend in der ausverkauften Wolfratshauser Loisachhalle wurden fast jedem von ihnen die Leviten gelesen, auch wenn diesmal das traditionelle karikierende Singspiel ausfiel. Weil die Loisachtaler Bauernbühne intensiv für die Neuinszenierung des Brandner Kasper probt, würzte stattdessen eine Fastenpredigt von Engel Aloisius alias Wiggerl Gollwitzer das Bier.

Starkbierfest 2017 -   Wiggerl Gollwitzer als Engel Aloisius

Ludwig Gollwitzer als Aloisius las den Wolfratshausener die Leviten.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Mit drei kraftvollen Schlägen gelang es Bürgermeister Klaus Heilinglechner, das erste Fass anzustechen. Eine halbe Stunde lang heizten daraufhin die Jungs der Stimmungskapelle Bergluft den Saal an, ehe der Himmelsbote die Kanzel bestieg. Oder besser gesagt: sich herabließ nach Wolfratshausen, im weißen Nachthemd und mit goldenen Flügeln. Eigentlich war er im Auftrag unterwegs, göttliche Ratschläge an die bayerische Staatsregierung zu richten - stattdessen war er jedoch aus Versehen vor der Kommunal-Regierung von Wolfratshausen gelandet. Ausgerechnet in der Loisachstadt, der berüchtigten.

Starkbierfest 2017 -   Wiggerl Gollwitzer als Engel Aloisius

Die Politiker im Publikum kamen recht glimpflich davon, es ging vielmehr auch um ihre Ehefrauen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Nantwein hatte ihn gewarnt: "Des san Wuide. Die ham drastische Methoden!" Doch Aloisius machte aus der Not eine Tugend, die göttlichen Ratschläge würden dort schließlich auch passen - und wenn nicht "is a wurscht, weil de Wolfratshauser passt eh nix". Dort grassiere offenbar die Aufschieberitis, viel werde vertan, verschoben und abgeschafft. Sogar der Christbaum. Was die Loisachstadt aber leiste, sei Ambivalenz: "Man will internationale Flößerstadt sein, aber gleichzeitig mit der Loisachwelle auch ein Surfer's Paradise" - auch wenn SPD-Rätin Roswitha Beyer den entsprechenden Holzhaufen am Autobahnzubringer nicht finden könne.

Starkbierfest 2017 -   Wiggerl Gollwitzer als Engel Aloisius

Der Bürgermeister beherrscht das Anzapfen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Auch Beyers Genossen bekamen ihr Fett weg: "Ein Lied auf Youtube reicht nicht für die gesamte kulturelle Versorgung einer Stadt - selbst der von Wolfratshausen nicht", so rügte Aloisius Fritz Meixner für dessen selbstgesungenen Wahl-Werbetrailer von 2014. Wer Kultur abschaffen wolle, müsse sich nur an Geretsried ein Beispiel nehmen: "Die lagern die Kultur an einen Pleitegeier aus, der stampft ois ein, und die Stadt wäscht sich die Hände in Unschuld und feiert sich selbst sogar noch als Retter und Sieger." Dieser Seitenhieb auf Geretsried sollte - abgesehen von einer Bemerkung über Bürgermeister Michael Müllers Omnipräsenz in den sozialen Medien - der einzige bleiben. In der Rede schwang eher ein wenig Geretsrieder Lokalpatriotismus mit. Das erklärt sich vielleicht dadurch, dass der Text nicht von Wolfratshausern verfasst wurde, sondern von dem Geretsrieder Günter Wagner - der wiederum früher das hier gerade aufgespießte Kulturfestival veranstaltet hatte.

Starkbierfest 2017 -   Wiggerl Gollwitzer als Engel Aloisius

Eveline Hörschelmann als Begleitengel.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ein Beispiel: "Würde Wolfratshausen in Geretsried liegen, dann hätte der Krämmel den Bergwald schon lang abrasiert, 2000 Wohnungen drüber gebaut und drunter ein 12-stöckiges Parkhaus." Stattdessen hüben: Ponte Casa Don Alfredo. Gefolgt von der Ansage: "Schauts amoi nach Geretsried: Da jagt ein Großprojekt das nächste, S-Bahn, Hallenbad, Karl-Lederer-Platz, Wohnungen. Und bei euch? Werd zwoa Jahr über an kloana Ladn im Untermarkt gstritten." Wolfratshausen attestierte der himmlische Bote immerhin ein Alleinstellungsmerkmal: Eine Umgehungsstraße, mitten durch das Zentrum.

Ansonsten kamen die Politiker glimpflich davon. Man höre sowieso mehr von deren Ehefrauen als von ihnen selbst. Kulturreferent Alfred Fraas (CSU) erhielt den Spitznamen "Professor Dumbledore"; der CSU hielt Aloisius ihren Internetauftritt vor, mit einem leeren Terminkalender und einer Erfolgsliste, die nur bis 2014 reiche. Für den Grünen-Vertreter Hans Schmidt hatte er ein Thema parat: Kondensstreifen über Wolfratshausen verbieten. Und die Fraktion warnte er: "Eine Petra Kelly wäre nicht um eine Ulme getanzt." Wie die Bürgervereinigung indes mit ihrem Bürgermeister umgehe, "da möchte man ja lieber in der CSU sein". Immerhin, ein Schwimmbad werde kommen. Zwar nicht in der Loisachstadt, aber mitschwimmen dürfe Wolfratshausen. Obwohl es vorher noch per Stadtratsbeschluss hieß, die Kleinen würden hier in Loisach geschmissen, dann lernen sie schon schwimmen. Jede Sekunde müsse der Bürger in dieser Stadt auf der Hut sein. Inzwischen seien die Stadträte aber offenbar recht gut erzogen von ihren Bürgern - per Entscheide.

Ein Prosit also auf sie. Und die scharfe Warnung an die Politiker: "Zammreißen und gescheite, zukunftsorientierte und tatkräftige Politik machen, von der alle etwas haben." Zeit sei es nämlich, "dass wieder Hirn und Wahrheit regiern und ned Lüge und Intrige."

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