Wolfratshausen:Ohne Bleibe

Wolfratshausen: Gebaut wird schon in Wolfratshausen, doch Sozialwohnungen sind kaum dabei. Es gibt keine günstigen Grundstücke.

Gebaut wird schon in Wolfratshausen, doch Sozialwohnungen sind kaum dabei. Es gibt keine günstigen Grundstücke.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Immer mehr Wolfratshauser werden obdachlos. Die Baugenossenschaft würde bauen, bekommt aber keinen Grund

Von Pia Ratzesberger, Wolfratshausen

Um zwölf Uhr nachts kam der letzte Anruf. Schon wieder hat jemand keine Bleibe für die Nacht, schon wieder versucht Elfi Blank-Böckl eine Unterkunft organisieren. Solche Bitten erreichen die Geschäftsführerin des Wolfratshauser Sozialen Netzwerkes momentan ständig, das örtliche Obdachlosenheim hat schon lange keinen Platz mehr frei.

Seit drei Monaten versucht Blank-Böckl deshalb ein Haus in der Stadt anzumieten, um die vielen Leute ohne Wohnung unterzubringen. Doch erfolglos. Wer vermietet eine Immobilie schon günstig an einen sozialen Träger, wenn er von Privatleuten eine hohe Miete verlangen kann? "Viele Wolfratshauser müssen mittlerweile auf einer Parkbank schlafen", sagt Blank-Böckl und lässt resigniert die Schultern fallen. Als sie von der Nacht auf Donnerstag erzählt, ist es plötzlich still in der Flößerei am Sebastianisteg.

Gerade noch hat der bayerische Landtagsabgeordnete Andreas Lotte (SPD) von der Wohnungsnot in München berichtet, von den Folgen der Schwarmstadt für das Umland, von seinen politischen Forderungen. Mehr Geld will er und natürlich mehr günstige Wohnungen. Den gesamten Donnerstagabend schon geht es bei der Veranstaltung "Bezahlbar Wohnen" der Wolfratshauser und Geretsrieder SPD um die Wohnungsnot im Landkreis, doch erst Blank-Böckl wird konkret. "Am liebsten würde ich heulen", sagt sie und setzt sich wieder. "Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, wie das weitergehen soll."

Die Zahl der Sozialwohnungen in Bayern hat sich seit Mitte der 90er Jahre fast halbiert, von ehemals 250 000 Wohnungen auf heute 130 000. In Wolfratshausen sind allein in den vergangenen fünf Jahren fast 1000 Sozialwohnungen weggefallen - die Bindungen mit den Baugenossenschaften liefen aus, wegen der niedrigen Zinsen lohnt es sich für manche Genossenschaften das gesamte Darlehen auf einmal zurückzuzahlen. Lotte schlägt deshalb vor, dass die Gemeinden und Städte wieder mehr selber bauen.

In Wolfratshausen allerdings ist bereits ein Problem, dass die örtliche Baugenossenschaft ihrer Aufgabe kaum nachkommen kann - auch wegen der Politik der Stadt. In die Flößerei ist Winfrid Borcherdt gekommen, aus dem Vorstand der Baugenossenschaft, denn er will klarstellen: "Wir haben das Geld, wir haben das Know-how, aber wir haben einfach keine Grundstücke." Auf dem Markt sei der Boden mittlerweile zu teuer, deshalb seien sie darauf angewiesen, dass ihnen die öffentliche Hand Grund überlasse.

Doch das scheitert Borcherdt zufolge oft an dem Vorwurf, dass die Stadt die Grundstücke unter Wert verkaufe, wenn sie die an eine Genossenschaft gebe. "Die Folgen einer derartigen Verweigerungspolitik werden wir alle noch spüren", sagt Borcherdt. Sein Kollege Johannes Schneider ergänzt: "Wir sind eine gemeinnützige Organisation, die Geld hat, nicht spekuliert und der Bevölkerung lebenslänglich günstigen Wohnraum stellen könnte". Die beiden verstehen nicht, warum man diese Möglichkeiten nicht nutzen will.

Wahrscheinlich hat die Antwort auch damit zu tun, dass an diesem Abend in der Flößerei zwar viel beredet, aber keine konkreten Vorschläge besprochen werden. Nicht nur SPD-Mitglieder, auch Stadträte anderer Fraktionen und etwa der Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVG) sind gekommen. Sie alle finden, dass etwas getan werden muss, beklagen die Wohnungsnot. Einen Lösungsvorschlag aber hat niemand. Man werde wohl noch eine zweite Veranstaltung organisieren, heißt es zum Schluss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: