Wolfratshausen:Mehr als nur ein Sprachkurs

Weiter Sprachkurse für Flüchtlinge

Im Deutschunterricht stehen nicht nur Vokabeln auf dem Lehrplan, sondern auch Bräuche und Gepflogenheiten

(Foto: dpa)

Asylbewerber lernen beim Deutschunterricht in Geretsried außer Deutsch auch einiges über den Alltag im neuen Land

Von Pia Ratzesberger

Anfangs musste Dorothee von Heydebrand morgens um zehn Uhr noch auf ihre Schüler warten, doch das ist lange her. Wenn die 66-Jährige heute das provisorische Klassenzimmer im Geretsrieder Haus Elisabeth betritt, sitzen die Asylbewerber schon auf den Stühlen. Die kleine Tafel haben sie dann bereits aufgestellt, eine richtige Schultafel gibt es nicht in dem Raum des Altenheims. Trotzdem ist dieses Zimmer eine Verbesserung - fand der Unterricht vorher schließlich noch in der Küche der Asylbewerberunterkunft statt.

Dorothee von Heydebrand unterrichtet ehrenamtlich eine von fünf Deutschklassen in Geretsried, die ein Team aus Lehrern organisiert. Im ganzen Landkreis gibt es solche ehrenamtlich geführten Kurse, nicht nur in den größeren Städten wie Bad Tölz oder Wolfratshausen, sondern etwa auch in Egling, Schlehdorf oder Lenggries. Ohne diesen Unterricht hätten viele Flüchtlinge keine Chance, Deutsch zu lernen - denn reguläre Sprachkurse der Bundesagentur für Arbeit (BA) dürfen nur bereits anerkannte Flüchtlinge absolvieren. Das kurzfristige Förderprogramm der BA für noch nicht anerkannte Geflohene, das vergangenen November startete, ist zudem allein Asylbewerbern aus Ländern mit "guter Bleibeperspektive" vorbehalten. Das heißt Flüchtlingen aus den Ländern Syrien, Eritrea, Irak und Iran. Afghanen aber dürfen nicht teilnehmen - dabei sind sie eine der größten Flüchtlingsgruppen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen.

Im Sprachkurs von Heydebrand sitzen deshalb vor allem Menschen aus Afghanistan, denen die Kurse der BA verwehrt bleiben. Bevor die Arbeitsagentur ihr Förderprogramm startete, waren die ehrenamtlichen Kurse in Geretsried noch sehr viel diverser und vor allem: voller. "Im Schnitt waren das pro Gruppe etwa zehn Leute mehr, dann sind Eritreer und Syrer auf einen Schlag weggeblieben", sagt Heydebrand. Die frühere Grund- und Musikschullehrerin will auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, dass sie traurig über die kleineren Klassen sei, das sei ja gut so, dass diese Leute jetzt den Unterricht bezahlt bekämen. Aber sie muss auch sagen: Ohne die Ehrenamtlichen wüsste sie nicht, wie so viele der Asylbewerber die Sprache lernen sollten.

Gerade hat sie ein Arbeitsblatt zum Fasching entworfen, darauf ist erklärt, warum sich manche in dieser Zeit kostümieren, was Karneval bedeutet und wieso die Politiker dann besonders viel Spott ertragen müssen. Ein Sprachkurs, das ist für Heydebrand auch ein Kulturkurs. Sie bespricht mit ihren Schülern nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch über den deutschen Alltag. Fragt man die 66-Jährige, warum sie ehrenamtlich Flüchtlinge unterrichtet, nennt sie drei Gründe: Sie macht das für sich, weil es Spaß macht. Sie macht das für die Asylbewerber, weil sie Hilfe brauchen. Und sie macht das irgendwie auch für die Deutschen - "weil wir brauchen ja Leute, mit denen wir reden können."

Sechsmal pro Woche findet der Sprachunterricht in Geretsried statt, Heydebrand und vier weitere Lehrer teilen sich die Arbeit auf. Eigentlich sind die Kurse geordnet, je nach Vorkenntnissen. Viele Asylbewerber aber besuchen jede Woche mehrere Kurse oder sogar alle auf einmal; egal, ob das Sprachniveau passt oder nicht. Die Chance zu lernen, die wollen sie sich nicht nehmen lassen.

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