Éine außergewöhnliche Gastgeberin:Lokomotive unterm Apfelbaum

Lesezeit: 3 min

Barbara Reimold richtet in ihrem Haus in Irschenhausen wieder einen "Theatersommer" aus, der Künstler und Gäste neugierig macht

Interview von Stephanie Schwaderer

Barbara Reimold ist eine außergewöhnliche Gastgeberin. Seit sie 2008 in Irschenhausen die "Gesellschaft unterm Apfelbaum" gegründet hat, öffnet sie einmal im Jahr Haus und Garten für Leute, die ihre Liebe zur Musik und zum Theater teilen. Ein unkonventionelles Festival-Konzept. Auch das Programm, das die 69-jährige Goldschmiedin für diesen "Theatersommer" ausgewählt hat, ist alles andere als Mainstream.

SZ: Frau Reimold, wie sieht es gerade in Ihrem Wohnzimmer aus?

Barbara Reimold: Der Esstisch ist mein Büro, und überall stapeln sich Gläser und Teller aus dem Keller - alles schon frisch gespült und poliert. Zum Glück kann man gerade draußen auf der Terrasse essen. Viele Leute wundern sich und fragen mich, warum ich mir das antue, aber ich freue mich! Das alles macht mir so großen Spaß!

Was genau ist es, das Sie an dieser Aufgabe reizt?

Seit ich denken kann, interessiere ich mich für Theater, Musik und Literatur. Aber es gibt eine Sache, die mir fehlt: Ich kann nicht auf einer Bühne stehen. Um so mehr bewundere ich Künstler und Schauspieler. Als junge Frau habe ich in Berlin gelebt, da war ich jede Woche zwei-, dreimal im Theater oder im Konzert. Goldschmieden, das kann ich. Gerade habe ich in meiner Schmiede in Starnberg 40 Jahre Selbständigkeit gefeiert. Mit Goldschmieden verdiene ich mein Geld. Aber meine Leidenschaft gehört der Bühne.

Sie leben in einer einschlägigen Hausgemeinschaft: Im ersten Stock wohnt der Kabarettist Peter Spielbauer, im zweiten die Schauspielerin Belle Schupp, die auch beide wieder zum Programm beitragen. Wie ist die Stimmung im Haus?

Entspannt. Wir sind heuer gut in der Zeit. Über die Jahre haben wir gelernt, effizient und stresslos zusammenzuarbeiten. Zudem bekomme ich sehr viel Unterstützung von meinem Sohn Simon, der wieder die ganze Technik und Werbung übernommen hat.

"Das alles macht mir so großen Spaß": Barbara Reimold in ihrem Garten an der Pfaffenleite in Irschenhausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Haben Sie das Programm auch gemeinsam ausgesucht?

Als Veranstalterin bin schon ich die Lokomotive. Aber man unterhält sich natürlich, gibt sich Tipps. Belle Schupp hat viele Kontakte zum Theater. Im Winter habe ich damit angefangen, mir gezielt Veranstaltungen anzuschauen und die Künstler anzuschreiben. Bis März müssen die Verträge stehen. Manche hatten heuer keine Zeit, die habe ich gleich für nächstes Jahr gebucht. Da kommen auch wieder phantastische Leute!

Was ist für Sie das entscheidende Auswahlkriterium?

Qualität. Für einige Leute ist unser Programm nicht attraktiv, weil es nicht volkstümlich ist. Aber da gibt es ja andere Veranstalter, die diesen Bereich abdecken. Bei uns gibt es besondere Dinge. Zum Beispiel das Trio Canto Dei Sass' & Dine Doneff, eine Entdeckung! Die drei lieben das Archaische des Volkslieds und singen in ganz verschiedenen Sprachen und Dialekten. Oder den Kreisler-Abend "Du sollst nicht lieben" mit Ulrike Dostal und Amadeus Bodis, fantastische Stimmen. Ulrike Dostal spielt am Gärtnerplatztheater, sie hat ein großes Stimmvolumen - und rappt zu Beethovens Fünfter. Auch die Leute vom Kindertheater sind alle Profis.

Ist es schwierig, solche Künstler in einen Garten nach Irschenhausen zu locken?

Komischerweise gar nicht. Das wundert mich auch immer wieder. Vermutlich ist es diese besondere Atmosphäre. An der Bezahlung liegt es jedenfalls nicht. Anderswo bekommen Leute wie Julia von Miller und ihr Quartett oder Josef Brustmann sicherlich eine höhere Gage.

Na ja, Josef Brustmann gehört bei Ihnen ja schon ein bisschen zum Haus, oder?

Das stimmt. Er wohnt im Ort und ist auch mit Peter Spielbauer befreundet. In Irschenhausen ist das schon alles ein bisschen familiär.

Gilt das auch für das Publikum?

Nein, ganz und gar nicht. Der Radius wird immer größer. Ich habe 10 000 Flyer drucken lassen und bekomme heuer viele Anfragen aus dem Starnberger Raum. Offenbar spricht der Name viele Leute an: Gesellschaft unterm Apfelbaum - dass das so ziehen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen, als ich mir das ausgedacht habe. Was außerdem auffällt: Viele Leute kommen mehrmals in einer Saison. Peter Spielbauer hat deshalb gesagt: Wir brauchen so etwas wie einen Skipass. Und so etwas gibt es nun auch: Wer drei Veranstaltungen bucht, zahlt jeweils nur 16 statt 20 Euro.

Peter Spielbauer zeigt die Landkreis-Premiere seines neuen Stücks "Alles Bürste". Haben Sie es schon gesehen?

Nein, noch nicht. Da lasse ich mich überraschen. Aber es wird sicher gut. Auch auf Belle Schupps literarischen Abend mit Balladen und Moritaten darf man gespannt sein.

Zum Abschluss gibt es diesmal einen Tango-Abend. Tanzen Sie gern?

Die Idee ist im vergangenen Jahr entstanden, als die Zuschauer an einem eher nasskalten Abend zum Schluss aufgestanden sind und spontan getanzt haben. Das hat mir gefallen. So soll es diesmal auch sein, idealerweise bei warmen Temperaturen und Mondschein. Zuvor erzählen und tanzen Franziska Ball und Marty Jabara eine bayerisch-argentinische Liebesgeschichte. Die beiden haben ganz verschiedene Programme. Dieses hat mir besonders gefallen: Die Geschichte einer verpassten Liebe - die kennen wir doch alle.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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