Immerhin fünf Jahre lang hat sich die Familie in Wolfratshausen nach Kräften vergnügt, sei es am Bergwaldlehrpfad oder beim Eisessen im Rathaus-Innenhof, bei einer gemeinsamen Radtour an der Isar oder bei einem Besuch im Märchenwald. Jetzt hat die Wolfratshauser Stadtverwaltung diese beispielhafte Gästefamilie mit ihren gestreiften Polo-Hemden ausgemustert. Von den 10 000 Exemplaren des städtischen Tourismus-Prospekts, auf dem die vier Wolfratshauser seit 2010 so vorbildlich gute Laune verbreitet haben, waren ohnehin gerade die letzten verteilt worden, so dass die Stadt und ihre Werbeagentur jetzt eine neue Familie auf die heimischen Attraktionen angesetzt haben. Die Attraktionen haben sich dabei nicht wesentlich verändert, die Broschüre schon.
Statt 20 Seiten Hochglanz gibt es jetzt 22 Seiten auf mattem, aber dickem und aufwendig wirkendem Recycling-Papier; die hintere Umschlagseite ist als aufklappbarer Stadtplan gestaltet, die Titelseite ziert ein Floß auf glitzernder blauer Isar vor grüner Au. Wolfratshausen versucht sich seit Jahren als die "Internationale Flößerstadt" zu vermarkten, zu der es 2011 von der " Internationalen Flößervereinigung" in aller Form ernannt worden ist. Wasser auf ihre Mühlen ist die Aufnahme der Flößerei in die deutsche Liste des immateriellen Weltkulturerbes im vergangenen Jahr.
Entsprechend dominiert das Thema die neue Tourismus-Broschüre, die sich gestalterisch an bayernweite Vorgaben hält, um bei gemeinsamen Messeauftritten mit den Tourismuswerbern des Landkreise oder des ganzen Freistaats nicht aus dem Rahmen zu fallen. Ihre Besonderheit will die Stadt stattdessen mit dem Titel "Was erleben - Wasser leben" ausdrücken. Auf den zahlreichen Fotos scheint es allüberall zu fließen, zu spritzen und zu gurgeln.
Die neue Vorzeige-Familie, die dieses Mal selbst nicht aus Wolfratshausen, sondern aus München kommt und so ziemlich genau der Werbe-Zielgruppe "Tagesausflügler" entspricht, spielt Boule an der Alten Floßlände, trinkt Apfelschorle im Gasthaus Flößerei, radelt, wandert durch die Pupplinger Au, besucht den Märchenwald und den Grünem Markt und tut überhaupt all das, was in Wolfratshausen eben so zu tun ist und was auch ihre Vorgänger-Familie schon getan hat. Dass sie dabei in der Marktstraße bald kostenloses W-Lan sowie einen Online-Audioguide fürs Mobiltelefon nutzen können soll, ist in dem zweisprachig deutsch-englischen Prospekt als "demnächst möglich" und "coming soon" versprochen, und wenn es nach der städtischen Tourismus-Verantwortlichen Gisela Gleißl geht, wird diese Zukunftsform für die beiden genannten Projekte schon bald veraltet sein.
Die Broschüre, von der es zunächst wieder 10 000 Stück geben soll, muss trotzdem wieder ein paar Jahre halten. Aus Kostengründen wird nur das Unterkunftsverzeichnis in kürzeren Abständen aktualisiert, das damit meistens auch ein bisschen länger wird, weil nach und nach immer mehr Vermieter von Ferienwohnungen hinzukommen. Zu bekommen sind Broschüre und Verzeichnis bei diesen Vermietern, in den Hotels, im Bürgerbüro oder über www.wolfratshausen.de.