Gabriela Freudenthal im Interview:"Ich liebe Überraschungen!"

Gabriela Freudenthal

Gabriela Freudenthal hat an diesem Freitag ihren letzten Arbeitstag in der Tölzer Stadtbibliothek. Als Leserin bleibt sie dem Haus gerne verbunden.

(Foto: Manfred Neubauer)

Gabriela Freudenthal verabschiedet sich von der Tölzer Stadtbibliothek - mit einem Kostümball.

Interview Von Stephanie Schwaderer

Neugierig machen auf das Lesen, die Phantasie anregen, das sind Künste, auf die Gabriela Freudenthal sich versteht. 16 Jahre lang hat sie die Tölzer Stadtbibliothek geleitet und geprägt. An diesem Freitag, 13. Februar, verabschiedet sie sich in den Ruhestand und feiert mit Kollegen, Stadträten und treuen Lesern ein Kostümfest. Das Motto: "Raus aus dem Buch!" Alle Gäste der "halbgeschlossenen Gesellschaft" sind eingeladen, als literarische Figuren zu erscheinen.

SZ: Die wichtigste Frage zuerst: Als was gehen Sie?

Gabriela Freudenthal: Das verrate ich nicht! Das halte ich sogar innerhalb des Teams geheim. Und meine Kolleginnen ebenso. Ich liebe Überraschungen! Und bin schon sehr gespannt, was die anderen sich ausgedacht haben.

Ohne zu viel zu verraten: In die Haut welcher literarischer Protagonisten würden Sie denn gerne einmal schlüpfen?

Sie meinen, welche Figuren ich interessant finde? Eine Antwort darauf fällt mir schwer - das ist etwas sehr Persönliches. Aus diesem Grund gebe ich auch ungern Empfehlungen für Bücher.

Sie geben keine Empfehlungen? Gehört das nicht zu den zentralen Aufgaben einer Bibliothekarin?

Empfehlungen wecken Erwartungen. Der Zugang zu einem Buch ist jedoch etwas ganz Individuelles. Ob man ihn bekommt oder nicht, hängt von den eigenen Erfahrungen und Erlebnissen ab, von Vorlieben oder Abneigungen. Ich hatte deshalb immer einen anderen Ansatz, mit dem wir sehr gut gefahren sind: Das Angebot sollte möglichst demokratisch sein. Über die Auswahl von Neuanschaffungen beraten wir im Team von neun Kolleginnen der Stadtbibliothek und der Kurbücherei. Jede von uns ist auf bestimmte Medienbereiche spezialisiert. Und ein Teil des Budgets ist stets für Wünsche unserer Leser reserviert. Das hat sich bewährt. Schließlich sind wir eine Einrichtung, die aus Steuermitteln finanziert wird.

Und da gibt es für Sie keine Geschmacks-, keine Schundgrenze?

Viele Bücher, die in unseren Regalen stehen, entsprechen nicht unbedingt meinem Geschmack, und das ist auch gut so. Und die Schundfrage hat sich tatsächlich noch nie gestellt.

Was lesen die Tölzer gerne?

Ganz querbeet. Den größten Anteil macht zum einen die erzählende Literatur für Erwachsene aus, zum anderen die Kinder- und Jugendliteratur, bei der wir vor allem darauf achten, nicht mehr als nötig in Serien zu investieren, sondern lieber handverlesene Bücher anzubieten, auf die man sonst nicht ohne weiteres kommen würde.

Das heißt, Sie haben auch viele junge Leser - dem Internet und Computer zum Trotz?

Ja, die Klagen, dass immer weniger gelesen würde, kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil: Vergangenes Jahr haben wir wieder zugelegt: 170 000 ausgeliehene Medien, fast 65 000 Besucher. Die jüngsten kommen allerdings nicht um zu lesen, sondern um sich etwas vorlesen zu lassen oder um mit den Holztieren in der Kinderecke eigene Geschichten zu spielen. Ab dem Kindergartenalter suchen sie sich dann selbst Bücher aus.

Sie haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder etwas einfallen lassen, um Leute anzulocken - Lesungen, Ausstellungen, Kinderprogramme. Ist der Erfolg der Tölzer Stadtbücherei zum Großteil dem System Freudenthal zu verdanken?

Nein, so etwas kann man nur im Team erreichen. Wir arbeiten sehr gern miteinander, und das prägt auch die Atmosphäre im Haus, das wir möglichst lesefreundlich gestaltet haben. Das Lesecafé ist ein ansprechender Treffpunkt zum Lesen von Zeitungen oder Zeitschriften. Und bei der Dekoration der Fenster lassen wir uns immer etwas einfallen, das Bezug auf das Lesen nimmt.

Die beliebte Reihe "leserlich", die Sie mit den Schauspielern Elke und Stephan Orlac und Markus Eberhard auf die Beine gestellt haben, wird es künftig nicht mehr geben.

Wir haben beschlossen, gemeinsam aufzuhören. Das waren zehn Jahre lang großartige Veranstaltungen. Jetzt soll meine Nachfolgerin frei sein, ein eigenes Programm zu entwickeln.

Wer wird Ihre Nachfolgerin?

Melanie Sappl, eine junge Kollegin, die bisher die Stadtbücherei von Königsbrunn bei Augsburg geleitet hat. Sie kommt aus Tölz und hat als Schülerin bei uns gejobbt. Dann hat sie an der Fachhochschule für Medien in Stuttgart Bibliothekswesen studiert. Sie kennt das Haus, sie kennt das Team. Ich freue mich, dass sie neue Impulse für die Bibliothek bringen wird. Wie feiern ja heuer 75 Jahre Stadtbibliothek. Das Kostümfest am Freitag ist die erste Veranstaltung dazu. Die weiteren wird dann Melanie Sappl planen.

Sie bleiben der Stadtbibliothek als Leserin verbunden?

Ja, sehr gerne!

Und was werden Sie nächste Woche tun?

Mich allmählich in meine neue Situation hineinfinden. Mein Team vermissen. Aber ich freue mich auch darauf, mehr Zeit für mich zu haben. Außerdem möchte ich, sobald das Wetter es erlaubt, wieder Roller fahren. Dann packe ich mein Zelt ein, und dann geht es über die Alpen.

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