Wolfratshausen:Grenzen der Willkommenskultur

Wolfratshausen: Der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber sieht Gefahren für den Zusammenhalt der Europäer.

Der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber sieht Gefahren für den Zusammenhalt der Europäer.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Edmund Stoiber zeichnet im Foyer der Loisachhalle ein düsteres Bild der Folgen der Flüchtlingskrise: Rechtsruck, Turbulenzen in der Europäischen Union, Probleme bei der Integration

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

"Das schaffen wir finanziell und kulturell nicht, wenn wir jedes Jahr über eine Million Menschen integrieren sollen." Edmund Stoiber, Alt-Ministerpräsident und Ehrenvorsitzender der Jungen Union, sprach am Mittwoch im Foyer der Wolfratshauser Loisachhalle und zeichnete dabei nicht nur ein düsteres Bild der politischen Lage, sondern stellte sich mit flammender Rede klar gegen die bisherige Asylpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Denn: "Diese Art der Politik führt in anderen Ländern zu einem Rechtsruck", sagte Stoiber.

"Unser Herz ist weit, aber die Aufnahmekapazität begrenzt", zitierte Stoiber Bundespräsident Joachim Gauck. Die Bundesregierung habe hingegen bislang nur den ersten Teil proklamiert "und damit den Eindruck erweckt, die Möglichkeiten seien unbegrenzt." Die bisherige Willkommenskultur sowie die Grenzöffnung aber habe die europäischen Nachbarländer "erschreckt".

In Großbritannien spreche man inzwischen davon, dass Deutschland "crazy", also verrückt, geworden sei. Das europäische Staatengebilde sei immer wieder an den Rand des Zusammenbruchs geraten, die Einführung des Euro etwa habe Europa in schwere Turbulenzen gestürzt. "Aber das ist alles nichts gegen das, was wir jetzt erleben", sagte Stoiber.

Knapp eine Million Flüchtlinge seien allein dieses Jahr nach Deutschland gekommen, dazu kämen schätzungsweise etwa 300 000 Einwanderer, die nicht registriert seien. Wenn ein Staat sage, er könne die Grenzen nicht länger kontrollieren, dann sei das für Stoiber ein inakzeptabler Verlust von Staatsgewalt und Kontrolle. "Union hin oder her, es geht nicht, dass wir nicht wissen, wer kommt. Ich verlange von meinem Staat, dass Leute nicht rein kommen, die nicht rein sollen, weil sie vielleicht keine edlen Absichten haben".

Stoiber forderte deshalb mehr "Verantwortungsethik gegenüber jenen Menschen, die das Land aufgebaut haben und hilfsbereit sind". Vor allem gefährde eine Politik, in der Grenzöffnungen nicht mit den europäischen Partnern abgesprochen und ihnen erklärt würden, den Zusammenhalt der Mitgliedsstaaten. "Wir müssen die Befindlichkeiten und die Situationen anderer Länder zur Kenntnis nehmen. Finden wir keinen Mindestkonsens, bricht Europa auseinander", sagte der Alt-Ministerpräsident. Er forderte deshalb ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Ein solches könne allerdings nicht deutschen Standard haben. "Der ist für andere Länder nicht finanzierbar", sagte Stoiber.

Auch die Integration so vieler Flüchtlingen hält Stoiber für problematisch: Zum einen müsste der Bund für die Infrastruktur "mindestens 30 bis 40 Milliarden im Jahr" in die Hand nehmen. Die Flüchtlinge müssten im Gegenzug die historischen Verpflichtungen, die Deutschland habe, etwa gegenüber Israel, voll mittragen. Das aber sei gerade jungen Männern schwer zu vermitteln, die stark religiös, arabisch-muslimisch sozialisiert und zudem von "Macho-Verhältnissen" geprägt seien.

Gemeinderat Heiko Arndt nutzte die anschließende Diskussion für Aufrufe: "Wir Deutsche müssen runter vom hohen Ross, sonst endet es in einer Katastrophe", kommentierte er die derzeitige Asylpolitik. Und er forderte die rund 50 Zuhörer und Lokalpolitiker auf, "zu integrieren, aber auch zu polarisieren, sonst merkt keiner, wenn die Hilfsbereitschaft an Grenzen stößt."

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