Wolfratshausen:Epiker in Bildern

Herbert Klee hat sich als Künstler allen Modeströmungen widersetzt und pflegt die Tradition der Neuen Sachlichkeit. Eine Ausstellung im Bergkramerhof ist als Werkschau konzipiert, die ein zentrales Gemälde in seine Elemente dekliniert

Von Wolfgang Eitler, Wolfratshausen

Früher, so vor ungefähr 40 Jahren, hätte Herbert Klee eine solche Sonnenkönig-Affäre wie die um den ehemaligen Miesbacher Landrat Jakob Kreidl mit der Inbrunst des Anklägers gemalt. Und er hätte im Stil eines kritischen Realisten in der Nachfolge von Otto Dix und George Grosz eine Figurengruppe hart am Rande zur kämpferischen Karikatur entworfen. Aber heute, im Alter von 67 Jahren, fragt Herbert Klee nach den Bedingungen eines solchen Skandals in seinem Landkreis: Wie ist es möglich, dass dieser Kommunalpolitiker lange Zeit so unumstritten herrschen konnte? Welche Rolle haben denn die Kreisräte gespielt, die den ehemaligen Landrat hätten kontrollieren müssen?

Mit diesem Blick auf Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten befindet man sich bereits mitten in der aktuellen Kunst von Herbert Klee und steht direkt vor einem Triptychon, das den Titel "Gastmahl" trägt. Der Maler stellt es diese Woche am Bergkramerhof bei Münsing ins Zentrum einer Werkschau. Das Gemälde zeigt drei Gruppen: Rechts einen ins Essen vertieften Mann; dazu eine Figur, die im Stil der Illusionsmalerei aus dem Bild herauszutreten scheint. Links einen sitzenden Herrn, den ein Kellner beflissen anschaut. Den Mittelteil beherrschen zwei Frauen, deren Blicke sich dem Betrachter direkt zuwenden.

Sie sind neugierig. Sie wollen wissen, wer da vor ihnen steht. Die beiden Frauen suchen Nähe. Klees Farben dagegen sind hart: ein Schwarz, ein intensives Violett und ein verwaschenes Gelb. Sie sind aggressiv. Sie halten auf Distanz. Deswegen beherrscht das Triptychon ein widerstreitendes Spiel aus Nähe und Ferne. Er gleicht einer klassischen Erzählung mit offenem Ausgang.

Wenn Herbert Klee bedächtig-bairisch über sein Werk zu reden beginnt, fällt man aus der Zeit. Es entstehen Geschichten und Ideen. Auch Klee weiß nicht, was die Menschen auf dem Bild nun alles reden. Auf jeden Fall sind die beiden Frauen ziemlich direkt und wenden sich vom Tischpartner in der Mitte ab. Ihn positionierte der Maler als Holzdruck direkt auf der unbehandelten Leinwand. Und jetzt weiß man nicht: Verschwindet er gerade aus dem Bild, als Folge des Desinteresses? Oder taucht er eben aus dem Hintergrund auf?

Herbert Klee, Holzschnitt

In einer gezielt formalen Strenge erzählt Herbert Klee die mythologische Geschichte von Orestes und Klytämnestra.

(Foto: Julia Klee, oh)

In der Ausstellung in Wolfratshausen wird Herbert Klee dieses Gemälde in dessen Bestandteile deklinieren. Er wird Holzdrucke zeigen, dazu Karikaturen und auch die Druckplatten auf Metallfüßen. Mittels der Techniken breitet er die Palette seiner Themen aus. Seine gesellschaftskritischen Arbeiten haben ihn als Karikaturisten auch zur Satirezeitschrift Transatlantik geführt. Seine Gemälde wiederum waren in so vielen Galerien und Museen zu sehen, dass Klee mittlerweile Schwierigkeiten hat, die Stationen chronologisch, nach der Bedeutung einzuordnen. Die Idee einer Werkschau für Münsing mit dem Triptychon im Mittelpunkt entstand aus der Not heraus. Denn einer seiner Galeristen hatte eben eine Vielzahl neuer Arbeiten Richtung Franken transportiert. Die Zwangslage ist eine glückliche Fügung, weil sich in Münsing eine Art bildhafter Einführung in das Gesamtwerk ergibt.

Herbert Klee zählt zu den bekanntesten Künstlern des Oberlandes. Er stammt aus Pfaffenhofen an der Ilm, also dem Norden der Region um München, war zunächst ins oberbayerische Weilheim gezogen und lebt seit 1978 in Holzolling. Kunsthistorisch betrachtet, ist er ein Eremit: In einer hohen Zeit von Pop Art, Konzeptkunst, Minimal Art und abstrakter Malerei, die allesamt als Inbegriff der westlichen Freiheit galten, hat er sein gesamtes künstlerisches Leben lang die Tradition des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts gepflegt.

Diese Maler und Bilder waren dem 20. Jahrhundert gleich zwei Mal verloren gegangen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie als "entartet" gebrandmarkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Siegeszug der abstrakten Kunst. Die sogenannten sozialistischen Realisten malten quasi drüben, hinter dem Eisernen Vorhang. Damals wäre nicht daran zu denken gewesen, Otto Dix und Max Beckmann gemeinsam zu zeigen, wie es jetzt der Hypo-Kunsthalle in München sehr erfolgreich gelungen ist. Vor 40 Jahren gehörte nicht nur Mut, sondern Wagemut dazu, diese Tradition als junger Maler fortzuführen. Leicht war es für Klee im internationalen Kunstbetrieb nie. Aber er sagt: "Mich hat immer nur der Mensch interessiert." Was sollte er also tun? Ihn abstrakt malen? Geht nicht.

Herbert Klee, "Gastmahl"

Das Triptychon "Gastmahl" ist ein Schlüsselwerk des Malers Herbert Klee, der im Nachbarlandkreis Miesbach in Holzolling lebt.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich Herbert Klees Kunst stark verändert. Der kritische Realismus ist ein selbstkritischer geworden, der die beobachtende Distanz aufgibt. Dadurch hat er die Dimensionen des Sehens erweitert. Herbert Klee ist ein Epiker in Bildern voller Hochspannung, voller unausgesprochener Dramen und Verweise.

Holzolling liegt im "Goldenen Tal". Der Titel passt zu den Wiesen, den Hügeln des Voralpenlands und zu einer Ruhe, die besänftigt. Aber das Paradies schützt nicht. Herbert Klee, soviel Biografie darf an der Stelle sein, weiß darum: Das Triptychon "Gastmahl" betritt eine archaisch anmutende Frau. Sie ist eine Schattenfigur. Sie blickt auf die Szenerie hinunter. Sie könnte auch Medea sein oder Klytämnestra aus der Orestie, die Klee in hochformatigen Holzdrucken bildlich gefasst hat. In hartem-Schwarz-Weiß-Kontrast wirken die mythologischen Gestakten, als tauchten sie aus einer Zwischenwelt auf. Erst diese formale Strenge hält die ausufernde Geschichte von Mord und Selbstmord und versagter Liebe zusammen. Allgemeiner: von Verlusten, die Herbert Klee selbst ertragen musste und wofür das Buch Hiob wirklich kein unangemessener Verweise wäre.

Aber da ist ja noch der Satyr, einer von Klees Lieblingsfiguren, als künftiger Empfangsherr der Ausstellung in Wolfratshausen. Er wird genau gegenüber dem Eingang in den Galerieraum hängen. Sehr fleischlich gemalt, ziemlich wie Lovis Corinth. Diese von der Herkunft unerklärliche, vitale und leidende mythische Gestalt wird in dieser Ausstellung zum Selbstporträt als Positionsbestimmung.

Übrigens passt der Bergkramerhof bei Münsing zu dem Maler. Hebert Klee ist seit vielen Jahren Mitglied der kommunalen Galerie Bruckmühl bei Rosenheim und unterstützt zahlreiche bürgerschaftliche Projekte. Vor vielen Jahren versammelte er zum Beispiel in Bruckmühl damals noch unbekannte Kunststudenten aus Leipzig - wie Christoph Ruckhäberle oder David Schnell.

Werkschau Herbert Klee: "Wenn Menschen sich begegnen", eine Ausstellung der Münsinger Agenda Kultur und der Franz-Graf-von-Pocci-Gesellschaft, Bergkramerhof, Wolfratshausen, Vernissage am Donnerstag, 14. August, 19 Uhr, bis 18 September

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