Wolfratshausen:Emanzipiert mit Kopftuch

In der Welt zuhause - Jahresempfang 2011 von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler für Menschen, die sich interkulturell engagieren

Nermina Idriz unterstützt Frauen, ihren Weg zu gehen.

(Foto: Peljak)

Nermina Idriz trifft in Penzberg die kritische Muslima Sineb El Masrar

Interview von Stephanie Schwaderer

Nermina Idriz ist nicht nur die Frau des deutschlandweit bekannten Imams Benjamin Idriz. Die 39-Jährige ist eine selbstbewusste Muslimin und wirkt als Sozialarbeiterin sowie Bildungsreferentin der Islamischen Gemeinde Penzberg. Am Montag, 18. April, diskutiert sie auf Einladung der Georg-von-Vollmar-Akademie mit der Autorin Sineb El Masrar über deren neues Buch: "Emanzipation im Islam - eine Abrechnung mit ihren Feinden".

SZ: Tragen Sie manchmal Hosen?

Nermina Idriz: Natürlich! In der Gemeinde habe ich allerdings meistens Röcke an, weil die praktischer sind fürs Gebet.

Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie steht es Ihrer Ansicht nach um die Emanzipation muslimischer Frauen in Europa?

Ich habe mein eigenes Prisma auf die Welt. Wenn ich bosnische Frauen betrachte, würde ich sagen: Wir sind mittlerweile bei acht, vielleicht sogar ein bisschen höher.

Tatsächlich?

Schon meine Oma hat aus Liebe geheiratet. Dass Ehen aus Liebe und, wenn es sein muss, auch gegen den Willen der Eltern geschlossen werden, ist in Bosnien seit langem normal. Ebenso ist es selbstverständlich, dass Mädchen zur Schule gehen, eine Ausbildung machen und einen Beruf ausüben. Das hat mit der sozialistischen Vergangenheit dieses Landes zu tun. Viele waren damals Schlüsselkinder. Bosnische Frauen sind außerdem bekannt dafür, dass sie in der Arbeit und in der Familie ihre Mitspracherechte einfordern.

Nun gibt es in Penzberg nicht nur bosnische Muslime. Wie sieht es in anderen muslimischen Familien aus?

Nicht alles ist rosarot. Es kommt immer wieder vor, dass Frauen schlecht behandelt oder unterdrückt werden. Auch bei der Sprachfähigkeit haben sie oft großen Nachholbedarf. Aber das ist kein religiöses Problem, sondern hat viel mehr mit der Milieuzugehörigkeit zu tun. Mein Mann wirkt in dieser Gemeinde seit 20 Jahren. Er ist eine religiöse Autorität und hat es sich auf die Fahne geschrieben, die Frauen zu unterstützen. Die Frauen wissen, dass er hinter ihnen steht - und die Männer wissen es somit auch.

Muslimische Frauen in Führungspositionen sind aber auch in Penzberg eine Seltenheit.

Viele Frauen wollen keine Karriere machen. Das müssen sie meiner Ansicht nach auch nicht. Wenn sie andere Interessen haben - warum sollen sie nicht auf ihre Weise glücklich werden? Zu meinen Aufgaben gehört es, Frauen darin zu unterstützen, sich in die Gesellschaft einzubringen. Aber wenn ihnen nichts daran liegt? Ich ermutige sie, ihren Weg zu gehen. Zugleich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es nicht die Familien sind, die einem beim beruflichen Werdegang Steine in den Weg legen. Dass ich bei vielen meiner Bewerbungsgesprächen abgelehnt wurde, lag am Kopftuch.

Die Autorin Sineb El Masrar unterstützt insbesondere junge Frauen darin, das Kopftuch abzulegen.

Für mich stellt sich da eine grundsätzliche Frage: Bin ich emanzipiert, wenn ich mich so verhalte, wie die Gesellschaft sich das vorstellt? Verlangt Emanzipation nicht vielmehr, dass man Frauen in dem unterstützt, was sie sind? Dass man es akzeptiert, dass Religion in ihrem Leben eine Rolle spielt, ebenso wie Bildung und Freiheit?

Sie teilen nicht alle Thesen der Autorin?

Den Titel ihres Buches finde ich gut: Emanzipation im Islam. Schon die erste Frau des Propheten war eine Geschäftsfrau! Beim Untertitel kann ich nicht mehr mitgehen: Eine Abrechnung mit den Feinden. Das ist nicht mein Weg. Ich habe das Buch in einem Zug durchgelesen. Sineb El Masrar kritisiert vor allem die Islamischen Verbände. Man braucht viel Hintergrundwissen, um ihre Kritik einordnen zu können. Meine Befürchtung ist, dass das Buch viele Deutsche in ihren Vorurteilen bestärken wird, wie schlimm doch alles im Islam sei.

Und wie sehen Sie das?

Ich denke, muslimische Frauen haben in Deutschland alle Chancen, etwas aus ihrem Leben zu machen. Der Islam steht ihnen dabei nicht im Weg, sondern unterstützt sie. Probleme in den Familien kann man lösen, wenn man aufgeklärt wird: Es gibt Gesetze, es gibt Frauenhäuser. Ich ermutige alle, ihren Weg zu gehen. Aber wir sollten nicht gegeneinander arbeiten, sondern gemeinsam: Unsere Aufgabe ist es, die Männer auf unsere Seite zu holen.

"Emanzipation im Islam", Lesung mit Diskussion und Publikumsgespräch, Montag, 18. April, 19.30 Uhr, Buchhandlung Rolles, Bahnhofstraße 24 a, Penzberg, Eintritt 5 Euro, Kartenvorverkauf in der Buchhandlung, Tel. 08856/4344

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