Wolfratshausen:Eklat um neuen SPD-Vorsitzenden

Wolfratshausen: Es sei ihm "egal, ob das der SPD-Ansatz ist", sagte der kommissarische Wolfratshauser SPD-Vorsitzende Rainer Holthaus zu seinen Äußerungen.

Es sei ihm "egal, ob das der SPD-Ansatz ist", sagte der kommissarische Wolfratshauser SPD-Vorsitzende Rainer Holthaus zu seinen Äußerungen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Rainer Holthaus spricht beim Thema Asyl von einem "Helfersyndrom" und warnt vor einer Katastrophe. Roswitha Beyer kommt dabei die Humanität zu kurz.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Rainer Holthaus ist gerade erst kommissarischer Vorsitzender der Wolfratshauser SPD geworden, nun hat er Teile seiner Partei mit Äußerungen zur Flüchtlingskrise verstört. Mit einem rund einstündigen Vortrag in der Gaststätte Flößerei, dem eine anderthalbstündige, teils erregte Debatte folgte, legte er am Donnerstag dar, dass seiner Ansicht nach die Zeit zur Lösung der Probleme knapp werde: "Es entscheidet sich schon in den nächsten Monaten, ob das ganze System zusammenbricht", rief er am Ende seinen Genossen zu, "aber das habt ihr leider nicht verstanden." SPD-Stadträtin Roswitha Beyer sagte, ihr sei in Holthaus' Vortrag "die Humanität zu kurz gekommen".

Deutschland fühle sich omnipotent und versuche "alle Fluchtursachen allein zu bewältigen" - ein "Helfersyndrom", mit dem er "ein Problem" habe, sagte Holthaus. Das Argument, zuerst müssten die Fluchtursachen angegangen werden, ist für ihn "eine Ausrede, um nichts machen zu müssen". Zu den schwierigsten Fragen rechnete der Referent den Familiennachzug und die Unterbringung: "In der Wohnraumbeschaffung liegt die eigentliche Brisanz, auch für uns hier in Wolfratshausen" - dies vor dem Hintergrund, "dass es überhaupt keine seriösen Angaben darüber gibt, wie viele Migranten wir insgesamt verkraften können".

"Ein Problem" mit diesen Aussagen hatte Hans Schmidt. Der Grünen-Stadtrat zeigte sich "entsetzt" über Holthaus' "technokratischen Ansatz". "Die Würde der Flüchtlinge ist unantastbar", rief Schmidt. Aus guten Gründen, vor dem Hintergrund der Nazi-Verbrechen, sei der Menschenwürde der erste Artikel des Grundgesetzes gewidmet worden. Gerade seien wieder Tote im Mittelmeer zu beklagen, da wundere er sich doch sehr über die "wertenden Teile" der Aussagen von Holthaus. "Das ist bedenklich, das hätte ich von der SPD nicht erwartet", erklärte Schmidt. Was Holthaus mit der Bemerkung quittierte, es sei ihm "egal, ob das der SPD-Ansatz ist". Er vertrete hier eben seine Meinung.

Kritik kam aber auch aus dem eigenen Ortsverein: Sie habe die Ausführungen von Holthaus "mit großen Augen" verfolgt, bekundete Stadträtin Roswitha Beyer. Dass "viele Menschen Angst vor dem Flüchtlingsthema haben", räumte sie ein. Derzeit lebten in Wolfratshausen 150 Flüchtlinge, Ende 2016 werde man es mit 700 Migranten zu tun haben, wenn auch im laufenden Jahr wieder eine Million Menschen zuziehen - eine Zahl, die auch die Koordinatorin der Wolfratshauser Flüchtlingshelfer, Ines Lobenstein, nannte. Andererseits, sagte Lobenstein, habe sich der Helferkreis in der Stadt seit vergangenem Oktober verdoppelt, "das sind tolle Leute, und das beruhigt mich". Auch Asylbewerber müssten als Helfer eingesetzt werden. Eine Frage vermochte auch sie nicht zu beantworten: "Wir tun ja unser Bestes, aber was ist, wenn es bald 1400 sind?" Ein Diskussionsteilnehmer formulierte es so: "Offene Grenzen und jedes Jahr eine Million Flüchtlinge" - da müsse man befürchten, "dass das ganze System zusammenbricht und sich die Hilfe ins Gegenteil verkehrt". Holthaus drückte es drastischer aus: "Die Zeit läuft uns davon, wir müssen jetzt entscheiden, wie viele wir noch aufnehmen können, bevor Europa explodiert. Und dann haben wir eine Katastrophe."

SPD-Stammtisch zu den kommunalpolitischen Aspekten des Themas Flüchtlinge: Sonntag, 14. Februar, 10.30 Uhr, Gasthaus Flößerei

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