Wolfratshausen:Die Nische, in der Freude herrscht

Wolfratshausen: Asylbewerberin Revelar Athembo brachte in Wolfratshausen ihren Sohn zur Welt. Sie nannte ihn nach ihrer ersten Station im Landkreis Emanuel Icking.

Asylbewerberin Revelar Athembo brachte in Wolfratshausen ihren Sohn zur Welt. Sie nannte ihn nach ihrer ersten Station im Landkreis Emanuel Icking.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Klinik-Geschäftsführer Hubertus Hollmann erklärt, warum Geburtsabteilungen für Kliniken wichtig sind

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Die Politik mag derzeit über Zahlen und Obergrenzen für den Flüchtlingsstrom streiten. Doch der Zuzug hat in Wolfratshausen bereits jetzt positive Spuren hinterlassen: Etwa 20 schwangere Flüchtlingsfrauen haben im vergangenen Jahr in der Kreisklinik Wolfratshausen entbunden und damit die dortige Geburtsabteilung nachhaltig gestärkt.

Noch vor wenigen Jahren hing die Abteilung am seidenen Faden: Seit 2007 waren die Geburten dort rückläufig, den Tiefpunkt erreichte die Klinik 2011 mit nur noch 154 Neugeborenen im Jahr. Dabei war und ist es das erklärte Ziel von Aufsichtsrat und Träger, die 300-Geburten-Marke im Jahr zu erreichen, fast das Doppelte also, um die Abteilung in Wolfratshausen dauerhaft halten zu können. "Woran damals dieser Rückgang lag, ist schwer zu sagen", sagt Klinik-Geschäftsführer Hubertus Hollmann. Sicherlich hätten mehrere Faktoren eine Rolle gespielt, "nicht aber die Ausstattung oder die ärztliche Kunst", sagt Hollmann.

Vielmehr habe es "etwas geknirscht im Getriebe", sagt er und spielt auf personelle Differenzen an. Doch seit einigen Jahren habe sich die Geburtsabteilung stabilisiert und zeige seither eine positive Entwicklung. "Wir haben seit 2012 ein tolles Team an Beleghebammen und Belegärzten, das die Freude an der Arbeit auch ausstrahlt", erklärt der Geschäftsführer. Das spiegle sich zum einen in den Rückmeldungen der jungen Eltern wider. "Was die Zufriedenheit angeht, haben wir inzwischen eine enorme Resonanz", freut sich Hollmann. Zum anderen schlage sich das aber eben auch in den Zahlen nieder: 2013 erblickten 210 Kinder in Wolfratshausen das Licht der Welt, 2014 waren es vier mehr. Im vergangenen Jahr gelang schließlich ein weiterer Sprung nach vorne: 238 Babys kamen 2015 in der Geburtsabteilung der Wolfratshauser Klinik auf die Welt. Rund 20 davon waren Kinder von Frauen, die als Asylbewerberinnen in den Landkreis kamen. Damit ist die Klinik nur noch 62 Geburten entfernt von der magischen Marke von 300. "Als Geschäftsführer begrüße ich es natürlich, wenn die Zahlen steigen, insofern sind uns schwangere Flüchtlingsfrauen herzlich willkommen", sagt Hollmann.

Bislang seien es eher glückliche Umstände gewesen, dass Asylbewerberinnen, die ein Kind erwarten, vermehrt im Umgriff der Wolfratshauser Klinik untergebracht wurden. Doch möglicherweise könnte die Klinik künftig bei der Regierung von Oberbayern gezielt dafür werben: "Wir schließen jedenfalls nichts aus", entgegnet Hollmann auf diese Frage. In der kommenden Woche will sich Hollmann mit den Hebammen treffen und ganz grundsätzlich die Optionen und Möglichkeiten ausloten, die Zahlen künftig weiter zu steigern. "Auf jeden Fall sind wir zuversichtlich, dass wir es schaffen. Die positive Entwicklung, die wir insbesondere im vergangenen Jahr hatten, gibt da Anlass zur Hoffnung", sagt Hollmann. Auch wenn die Steigerung zum Großteil auf die Geburten von Flüchtlingen zurückzuführen ist: Grundsätzlich sei das Ziel, generell die Bevölkerung vor Ort anzusprechen, "auch wenn das dauert", sagt der Geschäftsführer. Denn die Geburtsabteilung in der Klinik hat Konkurrenz. Obwohl sich die meisten werdenden Eltern aus Geretsried, der Loisachstadt und dem südlichen Umgriff von München für die Wolfratshauser Klinik entscheiden, ist der Süden des Landkreises fest in der Hand der Tölzer Asklepios-Stadtklinik, die zudem auch so manche werdenden Eltern aus dem Nordlandkreis abwerbe. Selbst Wolfratshauser werden von anderen Kliniken umworben, etwa von der in Starnberg. "Unser Ziel muss deshalb sein, durch Professionalität Eltern zu überzeugen, dass sie hier bestens aufgehoben sind, mit umfassender, individueller, liebevoller Betreuung und modernsten medizinischen Standards", sagt Hollmann.

Die Festlegung von 300 Geburten im Jahr als Richtmarke, die nicht binnen einer bestimmten Frist erreicht werden müsse, sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats und des Trägers, der sich damit klar für den Versuch ausgesprochen habe, die Abteilung zu erhalten. Es gebe durchaus andernorts Kliniken, sagt Hollmann, die trotz 600 Babys im Jahr ihre Abteilungen auflösten, weil sie sich nicht trügen. Doch eine Geburtsabteilung dürfe eben "nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden", sagt der Klinik-Geschäftsführer. Denn mit ihr verfüge ein Krankenhaus schließlich über einen wichtigen Sympathieträger: "Das ist eine der wenigen Abteilungen, die positiv besetzt sind. Wir wollen, dass Menschen die Klinik nicht nur mit schweren Krankheiten und traumatischen Erlebnissen assoziieren, sondern auch mit positiven Momenten", sagt Hollmann und schlussfolgert: "Wir brauchen diese Nische, in der Freude vorherrscht".

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