Wolfratshausen:"Das ist nicht auszuradieren"

Zeitzeugen des DP-Lagers Föhrenwald wünschen sich endlich einen Gedenkort.

Von Felicitas Amler

Wolfratshausen: "Ich habe mindestens drei oder vier Matrosenanzüge gehabt": Majer Szanckower zeigt Fotos seiner behüteten Kindheit in Föhrenwald.

"Ich habe mindestens drei oder vier Matrosenanzüge gehabt": Majer Szanckower zeigt Fotos seiner behüteten Kindheit in Föhrenwald.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Es ist 57 Jahre her, seit die letzten jüdischen Bewohner Föhrenwald verlassen haben. Und immer noch müssen Zeitzeugen, wenn sie hierherkommen, darauf aufmerksam machen, dass eine Gedenkstätte fehlt. Dabei wird ein wesentlicher Teil deutsch-jüdischer Nachkriegsgeschichte kaum irgendwo so greifbar wie im ehemaligen Lager für Displaced Persons (DP) Föhrenwald, dem heutigen Wolfratshauser Stadtteil Waldram. Silvia Malina, Abraham Ben und Majer Szanckower erinnern daran, als sie am Montag auf dem Kolpingplatz vor dem historischen Badehaus stehen. In den 50er-Jahren haben die drei ihre Kindheit hier verbracht. Damals, als die Plätze noch amerikanische Namen trugen - der Kolpingplatz war der Independence Place, und Silvia, Abraham und Majer lebten in der Illinoisstraße. "Für Kinder war Föhrenwald das größte Paradies", sagt Abraham Ben, heute 66. Für die Erwachsenen seien es leidvolle Zeiten gewesen.

Die Erwachsenen waren jüdische Überlebende des NS-Terrors - Menschen, die Deportation, KZ-Haft, Folter hinter sich hatten. Und die mitnichten in dem Land bleiben wollten, das ihnen all dies zugefügt hatte. Im DP-Lager Föhrenwald warteten sie auf die Chance auszuwandern, nach Israel, in die USA. Viele warteten vergeblich, weil sie zu krank waren, wie Silvia Malinas Eltern: Die Mutter hatte TBC, der Vater mit der für sie damals unerklärlichen tätowierten Nummer auf dem Arm Magengeschwüre.

Bis zu 5000 Menschen lebten in Föhrenwald. Wie ihr Alltag aussah, mit Fußball und Hockey, Ballett und Kino, die Läden, die Synagoge, die Schulen - das können Zeitzeugen wie Malina, Ben und Szanckower erzählen und mit Fotos und Dokumenten belegen. Sie hoffen, dass der Verein "Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald" den Plan realisieren kann, eine Dokumentations- und Begegnungsstätte zu schaffen. "Wir sind stolz, dass es Leute gibt, die sich hier einsetzen", sagt Szanckower. Und Malina erklärt, warum das frühere Badehaus ihrer Ansicht nach der richtige Platz dafür ist. Sie könne sich gut daran erinnern, wie sie als Kind in Begleitung ihrer Großmutter dort einmal pro Woche baden ging. Die Oma habe dann zu ihr gesagt: "Wenn du eine Braut bist, gehst du in die Mikwe." Dass es neben einem profanen Bad auch eine Mikwe - ein jüdisches Ritualbad - in dem Haus gab, lässt sich heute zwar baulich nicht mehr erkennen. Aber für ein Museum wäre es doch ein historischer Bezugspunkt, da sind sich Zeitzeugen und Förderverein einig.

Der Name "Föhrenwald" hat weit über Wolfratshausen hinaus Bedeutung, und zwar "im positiven Sinn", wie Ben betont. Szanckower sagt, egal, wohin er auf der Welt komme, "ich treffe immer auf diese Spur, auf Leute, die mit Föhrenwald eine Beziehung haben". Und alle seien sie als Kinder in jener beschützten Welt des jüdischen Lagers "gehätschelt und getätschelt" worden. Föhrenwald sei einfach "ein Stück Heimat", sagt Malina. "Das ist nicht auszuradieren." Von den heutigen Repräsentanten dieser ehemaligen Heimat, dem Wolfratshauser Bürgermeister etwa, seien sie noch nie empfangen worden, sagen sie auf Nachfrage. "Das wäre mal eine Idee."

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