Wolfratshausen:Abflug Gollwitzer

Nach 37 Jahren an der Spitze überlässt der Chef der Loisachtaler Bauernbühne Melanie Tobian die Hauptrolle. Und ist froh, dass er nicht mehr den jugendliche Liebhaber mimen muss

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Man könnte es ruhig ein bisschen dramatisch formulieren, weil es ja ums Theater geht: Wachwechsel bei der Loisachtaler Bauernbühne. Der sturmerprobte Steuermann tritt ab, die junge Garde marschiert auf die Kommandobrücke. Und sie übernimmt die Verantwortung für eine Wolfratshauser Institution, die ihresgleichen sucht. 37 Jahre lang, seit der Gründung im Jahr 1980, war Ludwig vulgo Wiggerl Gollwitzer Zugpferd bei den Loisachtalern, jetzt gibt es einen neuen Chef, genauer: eine neue Chefin: Melanie Tobian, genannt Mel.

Die 41-Jährige ist im Zivilberuf Krankenschwester in der Notaufnahme der Wolfratshauser Kreisklinik, was vermutlich eine gewisse Stressresistenz voraussetzt. Andererseits sagt sie, dass ihr die Schauspielerei auch bei der Arbeit hilft. Das Leben vollzieht sich halt in Rollen, mal mehr, mal weniger ernst.

Dass es für den Verein mit seinen rund hundert Mitgliedern ein fliegender Wechsel war, kann man nicht behaupten. "Ich hab vier Jahre lang an sie hingeredet", gesteht Gollwitzer. Mel Tobian musste angesichts der Aufgabe, die Truppe mit ihren verschiedenen Temperamenten zusammenzuhalten, große Selbstzweifel überwinden. Aber zum Glück tendieren die Loisachtaler nicht zur Grübelei, es wird dort viel, sogar sehr viel gelacht. Und die Schauspieler sind eng mit einander verflochten, weshalb der neue Vorstand gleichermaßen getragen wird von der Unterstützung der Altvorderen wie der Jungen. Denn auch der zweite Vorsitzende ist neu. Es ist Christian ("Chris") Foitzik, der den Verein mit dem Internetzeitalter kompatibel und damit dem jungen Publikum besser zugänglich machen will, Stichwort: Facebook.

Starkbierfest 2017 -   Wiggerl Gollwitzer als Engel Aloisius

Ludwig "Wiggerl" Gollweitzer als Engel Aloisius.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Einige Aufgaben hatte ihm Gollwitzer zuvor schon kommissarisch übergeben, denn bei einer so langen Amtszeit sei er zwischendurch "schon auch mal bisschen ausgelaugt" gewesen, räumt Gollwitzer ein. Besonders froh ist er, dass er nicht mehr in der Rolle des jugendlichen Liebhabers antreten muss, dafür sei er nicht mehr die passende Besetzung. Mit Foitzik habe man dafür aber den passenden Ersatz. Nun mache es sich bezahlt, "dass wir über die Jahre hinweg die Jugend mit aufgebaut und einbezogen haben".

Für Gollwitzer hat die die Theater-Arbeit einen angenehmen Nebeneffekt: "Sie hat mich selber innerlich jung erhalten." Und sie hat ihm vergnügliche Erfahrungen eingetragen: Welcher Schauspieler kann von sich behaupten, er wäre in Iruma schon mal als Engel Aloisius aufgetreten, mit japanischer Simultanübersetzung? "Wenn ich da einen Satz gesagt habe, dann haben die Japaner dafür sechs Sätze gebraucht." Zu den Höhepunkten zählt Gollwitzer auch die Aufführungen des "Brandner Kaspar" im Bergwald und die Verleihung des Kulturpreises der Stadt anlässlich der Tausendjahrfeier.

Starkbierfest 2015

Melanie Tobian beim Starkbierfest 2015. Nun folgt sie Gollwitzer als Vorsitzende der Loisachtaler Bauernbühne nach.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Aber auch einen menschlichen Tiefpunkt hat es gegeben: Ein Jahr lang wurde der Verein von seinem Schatzmeister betrogen, am Ende fehlten 20 000 Euro in der Kasse, die finanziellen Nachwirkungen sind noch immer spürbar.

Gollwitzer hat von seiner beruflichen Sphäre her denkbar wenig mit dem Theater zu tun: Der 59-Jährige ist Verwaltungsleiter einer Tölzer Firma für Schwimmbadabdeckungen. In Wolfratshausen ist er, neudeutsch formuliert, ein Multitasking-Mann und bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund: Unter anderem sechs Jahre lang Stadtratsmitglied und Kulturreferent mit unerfüllten Bürgermeister-Ambitionen, Sammler historischer Postkarten, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins mit dem japanischen Iruma, Mitglied im Vorstand des Historischen Vereins.

Schwerpunkt werden für ihn aber weiterhin die Loisachtaler bleiben, denn eine erste Entscheidung hat die neue Vorsitzende, die fest entschlossen ist, künftig mehr Aufgaben zu delegieren, schon getroffen: Den Prolog beim Politiker-Derblecken muss Gollwitzer weiterhin übernehmen, und der wehrt sich dagegen nicht sehr energisch. Auch wenn er zugibt, selbst nach so vielen Bühnenjahren nicht frei zu sein von Lampenfieber: "Ich könnte mir vor der Vorstellung jedesmal wieder in die Hosen machen. Wenn ich hinter der Bühne stehe, sterb' ich tausend Tode." Das sei dann aber schlagartig vorbei, sobald sich der Vorhang hebt.

Nicht anders ergeht es der neuen Vorsitzenden. Die fühlt sich mit den Loisachtaler-Auftritten ungeachtet der Nervosität aber noch nicht einmal wirklich ausgelastet. Ihre Begeisterung am Spielen ist groß genug, dass sie in drei Stücken auch noch bei der Münchner Iberl-Bühne auftritt. Bei den Loisachtalern will Melanie Tobian heuer erstmals selbst Regie führen. Das Stück, das im Herbst Premiere hat, heißt "Dümmer als die Polizei erlaubt". Man kann sich schon vorstellen, dass es dabei wieder mal sehr bayerisch und nicht besonders ernst zugeht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: