Wirtschaftsserie, Folge 12: "Vater, Mutter, Firma":Die Segel richtig gesetzt

Markus Glas war Fischer am Starnberger See, bevor er sich dem Schiffsbau widmete

Stil und Eleganz sind Trumpf in der Bootswerft Markus Glas in Possenhofen am Starnberger See. Der Chef lässt das Motorboot "Gloria" erst einmal ordentlich wienern, bevor fotografiert werden darf. Das schlanke Rennboot entwarfen die Bootsbauer 1953 im Auftrag der reichen Starnberger Filmproduzentin Ilse Kubaschewski. Nach ihrem Tod konnte die Werft den edlen Oldtimer über Umwege wieder erstehen. Als Mahagoni und Messing glänzen und die cremefarbenen Ledersitze in der Sonne leuchten, klemmt sich Markus Glas, 60, hinter das Lenkrad. Seine beiden Söhne Max, 33, und Dominik, 31, schwingen sich gut gelaunt dazu.

Das Boot, ein Klassiker des legendären Konstrukteurs Carlo Marconi, dient ihnen heute als Arbeitsboot. "Mal schnell zum Einkaufen nach Starnberg. Geht ja über den See schneller als auf der Straße", feixt Max Glas. Auch zum Schleppen von Segelschiffen muss die elegante Gloria ab und zu ran, etwa für Kundschaft aus dem feinen Bayerischen Yachtclub in Starnberg. Und wenn die Glas-Männer das so erzählen, kommt es gar nicht protzig rüber nach dem Motto "Mein Haus, mein Auto, mein Boot . . .". Es wirkt selbstverständlich.

Bootsbauer Glas für Wirtschaftsserie

Besonders stolz ist Firmenchef Markus Glas auf das Motorboot "Gloria", das einst für die Starnberger Filmproduzentin Ilse Kubaschewski gebaut wurde.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Bodenständigkeit gehört zum Erfolgsrezept der international agierenden Werft. Seit etwa 1530 lebt die Familie in dem kleinen Ort am Westufer des Würmsees, wie der Starnberger See früher hieß. Sie verdienten als Fischer ihr Brot. Auch Firmengründer Markus Glas, 1900 geboren, war Fischer. Bis heute ist es Tradition, dass das Familienoberhaupt Mitglied ist in der Fischereigenossenschaft Würmsee, wenn auch nur noch als Hobby-Angler. Markus Glas lernte damals noch Wagner dazu. Als er aber feststellte, dass die Wagnerei mit den aufkommenden Automobilen keine Perspektive mehr bot, machte er sich auf nach Hamburg und sattelte auf Bootsbauer um. Nachdem er seinen Meisterbrief hatte, der heute noch eingerahmt im Büro hängt, gründete er 1924 die Firma.

Dabei bewies er Entschlossenheit und Weitblick. Denn es gelang ihm, seine 13 Geschwister allesamt auszuzahlen. "Der Großvater hat mit Ruderbooten angefangen, geklinkerten Booten mit überlappenden Planken wie bei den Wikingerschiffen", erzählt Enkel Markus Glas, braun gebrannt in Polo-Shirt und Segelschuhen. Die Kähne wurden nicht nur am Starnberger See gekauft, sondern gingen bis an den Tegernsee und Chiemsee. Brach ein Ruder, musste ein Mitarbeiter ein neues liefern - per Fahrrad. Zwischen sechs und acht Arbeiter waren beschäftigt, auch heute sind es mit 15 Mitarbeitern nur unwesentlich mehr. Immer sind auch zwei Lehrlinge dabei. Darauf legt Markus Glas Wert. Die weiteren Geschäftszweige der Firma, wie sie heute noch bestehen, stellte ebenfalls schon der Firmengründer in den Aufschwungjahren vor dem Zweiten Weltkrieg auf die Beine: Bau und Reparatur von Segelschiffen, Vermietung von Liegeplätzen an Bojen, eine Winterlagerhalle, ein eigener kleiner Hafen.

Bootsbauer Glas für Wirtschaftsserie

1800 Stunden Arbeit stecken in einem Segelboot.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Mit Motorbooten machte sich Glas in den Fünfzigerjahren einen Namen. Als es schick wurde, mit eigenem Boot an der Côte d'Azur oder am Gardasee herumzuflitzen, ließ man sich eine Luxusversion in Possenhofen bauen, mit abgewandelten 300 SL-Motoren von Mercedes. Markus Glas, der gleichnamige Vater des heutigen Firmeninhabers - "Ja, da gibt es bei uns ein bisschen Durcheinander mit dem Traditionsnamen. Deshalb heißen die Söhne jetzt anders" - jagte die Boote zu Spitzengeschwindigkeiten: die 19,4 Kilometer von Starnberg nach Seeshaupt am südlichen Seeende in 27 Minuten.

Schaut man heute in die recht enge Bootsbauerhalle, kann man einen Drachen auf Kiel liegen sehen, eines der Erfolgsboote der Glas-Werft. 1800 Stunden Arbeit stecken in dem Segelboot, bis es zu Wasser gelassen werden kann. Die Preise für die individuelle Handarbeit sind entsprechend. Mit einem Kunststoff-Rumpf ist ein Drachen für 80 000 Euro zu haben, für ein reines Holzboot - grundsätzlich aus Mahagoni - muss man 150 000 Euro hinblättern. Etwa fünf Boote im Jahr verkaufen die Possenhofener. "Das genügt", so Markus Glas. Neben dem Drachen ist vor allem das offene Kielboot L 95 ihr Erfolgsmodell, zudem Binnenkreuzer und nationale Kreuzer. Sonderanfertigungen kann man ebenso finden.

Erfolge im Sport und im Geschäftsleben

Die Oberhäupter des Familienunternehmens Bootswerft Markus Glas GmbH in Possenhofen sind seit Beginn Meister im Vermarkten ihrer Boote. Gründer Markus Glas lieferte seine Ruderboote in den 1920er Jahren mit Fuhrwerken am Starnberger See, Tegernsee und bis zum Chiemsee an Bootsverleiher, die sich den aufkeimenden Tourismus zunutze machten. Zu Ruderkähnen und Jollenkreuzern gesellten sich später Cruising- und Rennmotorboote. Als verkaufsfördernd erwies es sich, dass Markus Glas schon in der zweiten Generation mit den schnittigen Rennbooten viele internationale Titel und einen Weltrekord holte.

Als Rennboote auf Binnengewässern verboten wurden, forcierte man Ende der 1970er Jahre den Bau von Segelbooten. Ein besonderer Renner wurde der Drache. Markus Wolfgang Glas, Werft-Spross der dritten Generation, positionierte sich als der beste Werbeträger. Er segelte mit Drachen von Erfolg zu Erfolg - einmal Weltmeister, fünfmal Europameister und zwölfmal Deutscher Meister - und versammelte am Starnberger See die größte Drachenflotte weltweit. Die Possenhofener verkauften mehr als 200 Drachen in alle Länder Europas. Sinkende Aufträge brachten Glas Mitte der Neunzigerjahre auf die Idee, eine alte deutsche Bootsklasse - das L-Boot von 1913 - in moderner Form neu aufzulegen. Die Werft modifizierte 1995 mit dem Konstrukteur Klaus Röder das offene Kielboot für Binnenreviere. Breites flaches Heck, kurzer Kiel und 30 Quadratmeter Segelfläche - mit dem L 95 gelang Markus Wolfgang Glas der seltene Erfolg, eine eigene neue Bootsklasse zu etablieren. Bis heute wurden mehr als 60 Boote dieses Typs ausgeliefert. Die erwachsenen Söhne Dominik und Max Glas segeln weiter auf Erfolgskurs. Etwa mit weiteren modernisierten Klassikern wie dem 45er Nationalen Kreuzer, einem eleganten, zehneinhalb Meter langen Segelboot mit Kajüte. manu

Die Possenhofener zählen sich selbst zu den einzigen Bootsbauern in Bayern, die noch in nennenswertem Stil Boote selbst bauen und sich nicht nur auf Reparatur und Service verlegen. Seinen Beruf sieht Glas als "vielseitige Mischung". Er liebt die vielen Materialien im Bootsbau, aber auch die Herausforderungen eines Kaufmanns, gut zu kalkulieren und mit den Kunden zu verhandeln. Bei allem Geschäft bleibt immer noch genügend Zeit für den Spaß auf dem Wasser. Jedes Sommerwochenende segelt Glas irgendwo eine Regatta.

Die vierte Generation Glas will die Werft in flotteren Wind drehen. Die beiden Brüder Max und Dominik, beide Bootsbaumeister, haben die Hand bereits mit am Ruder des Unternehmens. Auf dem 3000 Quadratmeter großen Werftgelände ist eine zweite Halle als Werkstatt geplant. Außerdem will sich der Yachtclub Possenhofen erweitern, der auf dem Glas-Gelände situiert ist und dessen Mitglieder natürlich zur besten Kundschaft der Glas Werft gehören.

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