Wirtschaftspreis:Der Duft des Wohlfühlens

Die Parfümerie Wiedemann aus Bad Tölz hatmittlerweile 21 Filialen in München und im Oberland. Geht es den 170 Mitarbeitern gut, spürt das auch der Kunde, lautet die Philosophie des Familienunternehmens.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Vom Erker aus geht der Blick auf die Fußgängerzone und die Prachtfassade des Stadtmuseums, drinnen hängt ein fast mannshohes Kruzifix an der Wand, schräg gegenüber befindet sich ein Flachbildschirm in Kopfhöhe, die Mitte des Raums durchzieht ein großer Schreibtisch. Peter Wiedemann hat ein Büro, in dem es sich aushalten lässt. Von hier aus dirigiert er zusammen mit seiner Frau Monika und seinem Sohn Christian die "Parfümerie Wiedemann", die es seit mittlerweile 159 Jahren gibt. Das traditionsreiche Familienunternehmen aus Bad Tölz erhielt am Donnerstagabend den Wirtschaftspreis 2015 des Landkreises. "Das ist eine Anerkennung für mich und in starkem Maße für unsere Mitarbeiter", sagt Wiedemann. "Wir fühlen uns sehr geehrt."

Im Stillen erwartet hat er das nicht. In Tölz befindet sich mit dem Sitz in der Marktstraße zwar "das Herzstück des Unternehmens", wie Wiedemann sagt. Aber daneben gibt es eben noch 21 Standorte außerhalb der Kurstadt, alleine sechs davon in München, die anderen von Holzkirchen über Wolfratshausen bis Starnberg, von Murnau bis Mittenwald. Vom Umsatz her sei Weilheim die größte Filiale, von der Fläche her eine der zwei Niederlassungen in Garmisch, erzählt Wiedemann. Der Preis vom Kreis ist für ihn insofern etwas Bemerkenswertes, "weil wir ja mehr überörtlich tätig sind".

Wirtschaftspreis: An 22 Standorten mit Filialen in München und im Oberland ist das Familienunternehmen vertreten.

An 22 Standorten mit Filialen in München und im Oberland ist das Familienunternehmen vertreten.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Mit seinem Sohn Christian befindet sich der Betrieb mittlerweile in der fünften Generation. Angefangen hatte alles am 8. November 1856, als Anton Wiedemann eine Firma übernahm und darin eine Seifensiederei und Talgschmelze einrichtete, wo er Waschpulver, Seife und Trockensoda produzierte. Das Geschäft lief so bis in die Fünfzigerjahre hinein, als derlei Erzeugnisse industriell gefertigt wurden. Der Großvater von Peter Wiedemann schrieb voller Sorge um seine "Isarperle" genannten Produkte einen Brief an seinen Schwager, den Hochschullehrer und Designer Josef Hillerbrand. Darin warnte er davor, dass "das Drohgespenst Persil" am Himmel heraufziehe. Geholfen hat es nichts. Aus dem handwerklichen Betrieb der Wiedemanns wurde zunächst ein Großhandel, später dann die Parfümerie. 1992 wurde die erste Filiale in Penzberg eröffnet.

Inzwischen hat der Familienbetrieb etwa 170 Mitarbeiter, darunter neun Auszubildende. Jedes Jahr werden circa 523 000 Artikel an den 21 Standorten an etwa 292 000 Kunden verkauft. Der Umsatz beträgt um die 16 Millionen Euro brutto per annum. Auf die Frage, wie sich eine Familien-GmbH gegen Konzerne wie Müller, Rossmann oder Douglas behaupten kann, stellt Peter Wiedemann gleich mal eines klar: Anders als in Frankreich sei der Drogerie- und der Parfümeriemarkt in Deutschland geteilt. Seine Konkurrenten seien daher nicht Drogerieketten wie Rossmann, sondern Douglas, auch Müller, andere Privatfirmen und nicht zuletzt das Internet. Aber, sagt Wiedemann, "wir sind eine kleine Branche". Und dort sei man relativ schnell ein Großer.

Wirtschaftspreis 2015: Peter Wiedemann, Monika Wiedemann, Christian Wiedemann (v.li.)

Peter, Monika und Christian Wiedemann (v.l.) freuen sich über den Wirtschaftspreis für ihre Parfümerie.

(Foto: privat)

Die zentrale Rolle in seiner Unternehmensphilosophie spielt der Wohlfühlfaktor im Geschäft. Für die Mitarbeiter, für die Kunden. "Der Kunde muss reingehen und sich wohlfühlen. Damit er sich wohlfühlt, muss sich der Mitarbeiter wohlfühlen", sagt er. Damit sich die Beschäftigten wohlfühlen, arbeitet er seit mehr als zwei Jahrzehnten mit einem Mental- und Persönlichkeitscoach zusammen. In diesem Training würden Störungen im Betrieb bearbeitet und "negative Gedankensätze gelöscht", sagt der Geschäftsführer. Zum Beispiel, wenn eine Verkäuferin glaube, es komme sowieso niemand, weil sich vor der Filiale gerade eine Baustelle befinde. Nicht zum Wohlfühlangebot zählen in der Parfümerie Wiedemann irgendwelche Rabatt-Angebote. Da könne man im Internet auf billig.de gehen und bekomme alles, sagt der Chef: "Wenn ich auf dieses Pferd setze, haben wir verloren."

Im Stammsitz in Bad Tölz, den Wiedemann erst voriges Jahr für rund 100 000 Euro renoviert hat, gibt es einen Schulungsraum für die Azubis, zwei Ecken von seinem Büro entfernt. Drei Jahre lernen sie, was sie über Düfte, Kosmetik, die Pflege von Haut, Haaren, Nägel oder Sonnenschutz wissen müssen. Überraschenderweise befindet sich unter ihnen auch ein junger Mann. "Die Duftwelt hat mich immer fasziniert", sagt Harun Erciyes. Für Jennifer Mühlberger ist der Lehrstoff breiter gefächert, als sie geglaubt hatte, "da sind so viel Aufgabengebiete, man lernt nie aus". Und Jennifer Jackson sagt: "Es war noch kein Tag, an dem es nicht Spaß gemacht hat."

Dieser Satz begeistert die Ausbilderin Marga Albrecht, die in ihrer aufgeräumten Art so wirkt, als sei sie die Personifizierung der Wohlfühl-Philosophie bei Wiedemann. "Es muss Spaß machen, man muss ehrlich miteinander sein und hinterfragen dürfen", sagt sie. Dann zeigt sie Fotos von den Azubis, die zwei Wochen lang selbst eine Wiedemann-Filiale führen durften. Alles bestens gelaunt, sofern die Aufnahmen nicht trügen. So soll es für Peter Wiedemann sein. Kunden könnten in den schönsten Laden kommen und blockiert sein, weil etwas in der Luft liege, das für sie unangenehm sei, sagt er. "Wir schauen, dass bei uns nichts in der Luft liegt."

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