Wie es früher war:Sprudelnde Stämme

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Das Lenggrieser Heimatmuseum widmet den Deicheln eine Ausstellung - traditionellen Rohrleitungen aus ausgehöhlten Bäumen.

Von Irmgard Grasmüller, Lenggries

Die meisten Besucher der neuen Sonderausstellung im Lenggrieser Heimatmuseum werden auf Anhieb wohl nichts mit den Begriffen "Deicheln oder Deikern" anzufangen wissen. Als Manuela Strunz, Leiterin des Museums, das erste Mal davon gehört hat, musste auch sie recherchieren. "Deichel oder Deicheln, diese Begriffe kann man in manch einem Lexikon finden. Deikern, das ist ein Begriff, denn es offenbar wirklich nur im Isarwinkel gibt", erklärt sie.

Beides meint hölzerne Wasserrohre beziehungsweise ihre Herstellung mit Bohrern. Mit solchen Rohren wurden die Höfe in und um Lenggries mit Wasser versorgt. Erklärt wird die Herstellung anschaulich in einem 30-minütigen Dokumentarfilm des Tölzers Rudi Kornbichler mit Sepp Wasensteiner (Lassl) in der Hauptrolle.

Für einen Kilometer Leitung wurden 250 Baumstämme benötigt

Wasensteiner ist ein Altlenggrieser Handwerker, er stellt in seiner Freizeit gerne Holzbrunnen her. Seit gut zehn Jahren beschäftigt er sich mit dem Deikern - wie man eben in Lenggries dazu sagt. Von befreundeten Bauern hat er alte Werkzeuge ausgeliehen, mit denen er rekonstruiert hat, wie das Deicheln geht: Mit bis zu zwei Meter langen und bis zu 80 Millimeter starken Handbohrern wurden in Stämme von Fichten- oder Tannenbäumen der Länge nach Löcher gebohrt. Von beiden Seiten angebohrt, konnte man so Rohre von bis zu vier Metern Länge erhalten. Da die Höfe früher bewusst neben Quellen angesiedelt wurden, mussten die Rohrsysteme nur wenige Kilometer lang sein. Für einen einzigen Kilometer Wasserrohr wurden 250 ausgehöhlte Baumstämme benötigt. Das erklärt, warum oft mehrere Höfe dicht aneinander standen - sie teilten sich schlicht und einfach eine Wasserquelle. Eine "Daisoin", das ist eine Verteilersäule, gibt es heute noch in Original. Im Museum ist sie jedoch nicht zu sehen. Sie steht an ihrem ursprünglichen Platz an der Wand eines Bauernhofes, wo sie bis 1957 im Einsatz war. "Die meisten Holzrohre wurden zwischen 1930 und 1950 durch gusseiserne Rohre, später durch Plastikrohre ersetzt", berichtet Sepp Wasensteiner. Bürgermeister Werner Weindl ergänzt, dass auch heute noch manche Höfe eine eigene Wasserquelle besitzen, beispielsweise die Schömerhöfe, der Gutshof von Hohenburg oder Wohnhäuser und Landwirtschaften, die an einen der Wasserbeschaffungsverbände in Arzbach-Schlegldorf oder in Mühlbach angeschlossen seien.

Das Deicheln war eine Winterarbeit. Sobald Knechte Zeit hatten, stellten sie Wasserrohre auf Vorrat her. Gelagert wurden sie unter Wasser in der sogenannten Rohrbeize, in einem moorähnlichem Gelände, da sie dort am besten erhalten blieben. Kamen die ausgehöhlten Baumstämme dann zum Einsatz, wurden sie etwa 20 bis 40 Zentimeter tief unter der Grasnarbe verlegt. Wenn es ein Leck gab, mussten die Knechte also einfach nur nach der Stelle suchen, an der die Wiese überdurchschnittlich feucht war. Darunter fanden sie das marode Holzrohr und konnten es austauschen.

Die interessante Sonderausstellung lebt vor allem von dem Film, der auch für Kinder verständlich ist und die ausgestellten Werkzeuge und Modelle hervorragend erklärt.

Ausstellung bis 31. Januar 2018, zu den Öffnungszeiten der Lenggrieser Tourist Information, derzeit Montag bis Freitag 9 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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