Whisky-Versandhandel:Flaschen-Post

Edle Tropfen aus Seeshaupt: Theresia Lüning verkauft über ihren Whisky-Store im Internet 1000 Sorten zu Preisen zwischen 30 und 3000 Euro.

Marion Zellner

Es geht sehr konzentriert, fast still zu, obwohl große Betriebsamkeit herrscht. Und auch die leicht drangvolle Enge in der Lagerhalle würde mehr Geschiebe und Gedränge vermuten lassen. Doch die Ware, die von dort aus in die ganze Republik verschickt wird, verträgt keine Unachtsamkeit. Schließlich sind Flaschen ein hochempfindliches Gut. Und auch ihren Inhalt verbinden viele eher mit Gelassenheit, Entspannung und Genuss als mit Hektik. "Etwa 1000 Sorten Whisky haben wir permanent auf Lager", sagt Theresia Lüning. Die 54-jährige gelernte Industriekauffrau betreibt seit Anfang der neunziger Jahre einen Versandhandel für Whisky in Seeshaupt am Starnberger See und hat vergangenes Jahr die Umsatzmarke von zehn Millionen Euro überschritten.

Whisky-Versandhandel: Das Lager in Seeshaupt, von dem aus täglich 1000 Pakete verschickt werden, umfasst mittlerweile 100 000 Flaschen.

Das Lager in Seeshaupt, von dem aus täglich 1000 Pakete verschickt werden, umfasst mittlerweile 100 000 Flaschen.

Bevor Theresia Lüning allerdings 1993 das erste Whisky-Lager - damals noch im Keller ihres Hauses - einrichtete, stand der Wunsch nach "einer Tätigkeit, bei der ich mich auch um meine Kinder kümmern kann". Dass es etwas mit Essen und Trinken zu tun haben sollte, stand für sie schnell fest, denn "ich koche einfach gerne". Da sie ihren Mann Horst oft begleitete, wenn er beruflich nach Schottland reisen musste, entwickelte sich dort eine Sympathie für Land, Leute und Spezialitäten. Die Möglichkeit, Beruf und Familie zu verbinden, und die Zuneigung zu Schottland führten zur ihrer Geschäftsidee: ein Versandhandel mit der unverderblichen Ware Whisky.

Angefangen hat Theresia Lüning mit "50 bis 60 Sorten", heute sind es 1000 von rund 100 Brennereien. Rund 100000 Flaschen lagern auf 500 Quadratmeter in der Halle, die sie 2002 gebaut hat. Zu ihrer Auswahl gehören verschiedene Jahrgänge der einzelnen Whiskys und auch Exoten aus Neuseeland, Japan und Kanada. Die Preisspanne pro Flasche reicht von knapp 30Euro bis etwa 3000Euro. "Wir haben allerdings nicht die Whiskys, die im Supermarkt zu finden sind, sondern Premium-Ware", fasst die gebürtige Niederbayerin ihr Sortiment zusammen. Und das sprengt schon fast die vorhandenen Räumlichkeiten. Bis in spätestens zwei Jahren soll ein neuer Standort mit der "zwei- bis dreifachen Fläche" gefunden sein, so Horst Lüning, der seinen Beruf als Maschinenbau-Ingenieur an den Nagel gehängt hat und sich komplett um Internet, Marketing, Katalog und Versand kümmert.

Inzwischen hat Theresia Lüning, deren Plan es immer war, ihre "Familie mit dem Job zu ernähren", einen Stamm von etwa 50000 Kunden, die über das Internet (www.whisky.de) ihre Bestellungen aufgeben. Doch was heute im Versandhandel absolut üblich ist, war zu Anfang des Whisky-Stores technisches Neuland und marketingmäßig noch ungewöhnlich. "Die Technikbegeisterung meines Mannes hat zum Erfolg sehr viel beigetragen", so Lüning, denn bereits 1994 hatte das damals noch kleine Unternehmen seine erste Homepage. Mit kopierter Preisliste, die bei allen Gelegenheiten verteilt wurde, und vielen Anzeigen in Zeitungen und Fachzeitschriften machte man auf sich aufmerksam. Später folgte der erste Newsletter, der zunächst über Fax verbreitet wurde. Bis schließlich das Internet immer mehr in privaten Haushalten üblich wurde.

Der Erfolg des Familienbetriebs, der heute 17 festangestellte Mitarbeiter zählt, ist nicht nur auf die immer umfangreicher werdende Auswahl zurückzuführen, sondern auch auf die detaillierten Informationen für den Kunden. Mussten zunächst die Schottland-Fotos aus früheren Urlauben als Optik herhalten, besuchte das Ehepaar Lüning von 1995 an alle schottischen Brennereien. Da Whisky-Trinker oft echte Kenner seien, wurden die Informationen im Internet und im rund 90 Seiten starken Katalog immer detailgenauer. "Alles was wir wissen, soll auch unser Kunden wissen", lautet das Lüningsche Credo. Und das scheint goutiert zu werden, denn täglich verlassen etwa 1000Pakete die Lagerhalle - und damit auch 1000 Rechnungen. Zunehmend gehen diese auch an Frauen, die "sich heute selbst einen Drink einschenken dürfen", sagt Theresia Lüning mit einem Schmunzeln.

Und die gehen bei weitem nicht nur an Menschen, die Whisky schlicht trinken. Horst Lüning unterscheidet bei den Kunden, vor allem den Stammbestellern, zwischen Genuss- und Wertsammlern. Vor zehn Jahren waren es etwa 30 Prozent der Kundschaft, die ihre "Börsengewinne in Whisky angelegt" haben und sich damit während der jüngsten Wirtschaftskrise über die Runden gerettet hätten, so Lüning. Denn "Whisky ist eine sehr wertstabile Angelegenheit", ergänzt der 57-Jährige. Auch für die Lünings selbst, denn inzwischen gehören bekannte Hotels und Bars in ganz Deutschland ebenfalls zu ihren Kunden. Namen wolle man aus Diskrektionsgründen nicht nennen, doch der Grund dafür sei klar. "Man erspart sich dort ein eigenes Lager", weiß Horst Lüning. Und man könne Gästewünsche dank Internetbestellung relativ schnell erfüllen.

In den kommenden Wochen und Monaten wird es in der Lager- und Verpackungshalle in Seeshaupt mit Sicherheit noch betriebsamer werden, denn "der Herbst ist Whiskyzeit" und "auf das Weihnachtsgeschäft bereitet wir uns selbstverständlich auch schon vor", sagt Theresia Lüning.

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