Wettrüsten im Wintersport:"Wir alle sind Teil einer Freizeitindustrie"

August Pflugfelder stand schon als Kind gern auf Skiern. Dann aber wurden Schneekanonen plötzlich nicht mehr versteckt, und er begann, sich Fragen zu stellen. Nun hat er einen preisgekrönten Dokumentarfilm gedreht.

Stephanie Schwaderer

August Pflugfelder

August Pflugfelder hat dem Schnee nachgespürt.

(Foto: August Pflugfelder/oh)

Einen Winter lang war der Münchner Regisseur August Pflugfelder in den bayerischen und Tiroler Alpen unterwegs - ebenso wie Millionen Freizeitsportler, die in den Skigebieten Spaß und das reine Naturerlebnis suchen. Seine Dokumentation "Schnee" zeigt Menschen, die vom Wintersport leben, und beleuchtet das Wettrüsten der Skigebiete. Am Montag präsentiert Pflugfelder seinen Film auf Einladung des Bundes Naturschutz in Bad Tölz.

SZ: Gehen Sie noch Skifahren?

August Pflugfelder: Natürlich! Ich bin ein leidenschaftlicher Ski- und Snowboardfahrer. Tatsächlich habe ich mich in letzter Zeit aber mehr aufs Tourengehen verlegt. Auf den Pisten ist es mir zu voll und zu teuer - und natürlich fährt dort mittlerweile auch immer das schlechte Gewissen mit.

Wann ist Ihnen aufgefallen, dass in den Bergen etwas nicht mehr stimmt?

Vor ein paar Jahren habe ich bemerkt, dass man die Schneekanonen nicht mehr versteckte, sondern sie im Gegenteil als Verkaufsargument ins Feld führte. Plötzlich war es selbstverständlich, dass der Schnee nicht mehr vom Himmel fällt. Auch in Bayern begann der Staat, den Bau von Schneekanonen und Speicherseen zu subventionieren. Da hab ich mir die Frage gestellt, ob nur ich das seltsam finde, wo sich doch parallel die Energiewende vollzieht und alle von Nachhaltigkeit sprechen.

Klischee und Realität liegen selten so weit auseinander wie beim Wintersport. Glücksmomente auf einsamen Pisten in wirbelndem Tiefschnee - gibt es die auf bayerischen Pisten überhaupt noch?

Es gibt sie - wenn man früh aufsteht und einen Wochentag außerhalb der Ferienzeit erwischt.

Die Umweltgruppe Mountain Wilderness hat im Dezember den "Bock des Jahres" an die Brauneck-Bergbahn vergeben - für die ihrer Ansicht nach größte Umweltsünde in den deutschen Alpen 2012. Sehen Sie das ähnlich?

Das Brauneck liegt deutlich unter 2000 Metern. Einen Speichersee zu bauen, um dieses Skigebiet künstlich zu beschneien, kann in Anbetracht der klimatischen Veränderungen nur kurzfristig zu einer Verbesserung des Skibetriebs führen. Doch was ist danach? Ist es sinnvoll, jedes kleine Skigebiet durch Millionen-Investitionen künstlich am Leben zu erhalten? Ich fürchte, dass dieser Speichersee nicht rückbaubar ist und die Natur für immer zerstört bleibt. Allerdings bin ich durch meinen Film in meiner Haltung auch vorsichtiger geworden. Es gibt ja immer zwei Seiten.

Schneekanonenbetreiber sind nicht per se schlechte Menschen?

Definitiv nicht. Es gibt den Zwiespalt zwischen ökologischer Verträglichkeit und ökonomischer Notwendigkeit. Einige Täler sind so karg, dass die Menschen dort auf den Schnee angewiesen sind. Im Glauben an den künstlichen Winter versuchen die Menschen dort mit einem beängstigenden Aufwand, sich von der Natur unabhängig zu machen. Schuldzuweisungen sind da völlig fehl am Platz. Es sind ja wir alle, die wir über unsere Nachfrage auch das Angebot steuern. So wie wir uns daran gewöhnt haben, im Winter Erdbeeren zu essen.

Wie ließe sich das Wettrüsten in den Skigebieten stoppen? Haben Sie eine Lösung parat?

Es gibt keine naheliegende Lösung. Es ist auch nicht das Anliegen meines Films, Antworten zu geben. Die muss jeder für sich selbst finden. Das Paradoxon ist, dass man hinaus möchte in die schöne Natur - und sie damit zerstört. Aber machen wir die Welt wirklich besser, indem wir uns ins Kämmerchen einschließen? Skifahren ist ein leidenschaftliches, ein tolles Erlebnis, aber man muss sich über die Konsequenzen im Klaren sein.

Wen oder was wollen Sie mit Ihrem Film erreichen?

Mein Anliegen war es, Fragen zu stellen und Zusammenhänge aufzuzeigen. Wir alle sind Teil einer Freizeitindustrie, die sich immer stärker nach unseren Bedürfnissen ausrichtet. Der Film ist ein Versuch zu verstehen, warum wir auf der Suche nach Selbstverwirklichung und Glück glauben, die Natur beherrschen zu müssen und das Rad der Effizienzsteigerung immer weiterdrehen.

Filmvorführung "Schnee" mit Regisseur August Pflugfelder, Montag, 25. Februar, Gasthaus, Bad Tölz, Beginn 19.30 Uhr, Eintritt frei, Spenden an den Bund Naturschutz

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