Western im Oberland:Von Sheriff, Schandis und Selfmade-Millionären

Berg: Repro für Starnbergmagazin

Eugen Graf vor seiner Villa in Bozeman: Der ältere Bruder von Oskar Maria Graf hatte es in den USA zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht. Bis zum Zweiten Weltkrieg stand er in Briefkontakt zu Paul Huber aus Berg, der dem Auswanderer in seiner "Schatzlhofchronik" ein eigenes Kapitel gewidmet hatte.

(Foto: Repro: Nila Thiel)

Die "Starnberger Hefte" sind eine feste Größe im kulturellen Leben der Kreisstadt. Die druckfrische Ausgabe Nr. 18 ist ein wundersames Reiseheft mit dem Titel "Western": Ein literarischer Trip auf den Spuren von Goethe, Heine, Edgar Frank, Herbert Achternbusch und Eugen Graf

Von Katja Sebald, Starnberg

Was für ein Trip! Immer in Richtung Westen. Nach Oberbrunn. Nach Paris. Nach Amerika. Oder doch nur quer durch Spanien. Hauptsache unterwegs. Mit dem Radl. Auf der Harley. Im Studebaker. Die 18. Ausgabe der von Ernst Quester herausgegebenen "Starnberger Hefte" ist ein wundersames Reiseheft mit dem Titel "Westen". Eine literarische Reise auf den Spuren von Goethe und Heine, Edgar Frank und Herbert Achternbusch. Und dann auch noch auf den Spuren von Oskar Maria Grafs älterem Bruder Eugen, der sich in Montana buchstäblich aus dem Nichts zum Millionär hocharbeitete.

Die "Starnberger Hefte" sind aus dem "Literaturzirkel Freies Schreiben" hervorgegangen, den Ernst Quester als Deutschlehrer 1991 am Starnberger Gymnasium etablierte. Ehemalige Schüler und Kollegen gehören zu den Autoren oder unterstützen den Herausgeber in der Redaktion dieses kleinstmöglichen Verlagsprojekts. Längst aber sind die "Starnberger Hefte" eine feste Größe im kulturellen Leben von Starnberg geworden - und nicht selten ist Starnberg und seine Umgebung auch Schauplatz der abgedruckten Texte.

Das gilt nun in gewisser Weise auch für den Beitrag von Brigitte Reihl über Eugen Graf, für den sie Briefe aus dem Privatnachlass von Paul Huber in Berg auswerten konnte. Der 1886 geborene "Schatzlbauer" Huber war in den Jahren vor 1933 und dann wieder in der Nachkriegszeit Bürgermeister von Berg. In der von ihm verfassten "Schatzlhofchronik" charakterisiert er die Dorfbewohner und widmet auch seinem ehemaligen Schulfreund Eugen Graf ein Kapitel. Voller Bewunderung beschreibt er dessen Geschäftserfolg: "Außer seiner 'bon ton bakery' besitzt er jetzt auch eine riesig große Kunstmühle und ist wohl 'eine Million Dollar schwer'. So wurde aus dem 'Saububen', wie ihn mein Vater, der sein Firmpate war, oft nannte, der heutige selbstbewusste Selfmademan." Auch Oskar Maria Graf beschreibt im "Leben meiner Mutter" den Besuch des in Amerika reich gewordenen Bruders in Berg und die Fahrt im Auto nach Rom zum Papst, mit der er seiner alten Mutter eine Freude machen wollte. Therese Graf aber beklagte sich anschließend nur über die Hitze und das fremde Essen "da drunt'n" in Italien. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schickten sich Paul Huber und Eugen Graf Briefe über den großen Teich, in denen sie sich auch über Wirtschaft und Politik austauschten. Graf, der nach und nach seine Muttersprache vergisst, schreibt 1933 nach Berg: "Wie man hoert seid ihr alle fuer Hittler jetzt, lasst uns hoffen er wird euch nicht teuschen, diese radicalen anschauungen ob sie links oder rechts neigen bringen gewoenlich nichts gutes. Es wird halt eines tages wieder Krieg geben die lage wie sie jetzt ist ist nicht zu sicher." Gesehen haben sich die beiden alten Schulkameraden danach nie mehr. Als er 1952 von Hubers Tod erfährt, schreibt Eugen Graf an dessen Familie, dann aber bricht der Kontakt ganz ab.

Mit dem Starnberger See eng verbunden ist auch die biergeschwängerte Amerika-Reise von Herbert Achternbusch, über die Edgar Frank berichtet. Achternbusch, als "Hick" in blauer Lederjacke und weißen Cowboystiefeln mit Adlerfeder am Hut unterwegs, brauchte Ende der Achtziger Jahre für seinen Film "Oceanstreet" amerikanische Landschaften und zwei kurze Szenen an Originalschauplätzen. Er fand sie, nicht ohne jedoch stets das Fremde mit dem Vertrauten, die amerikanische Bar in John Day, Oregon, mit dem Wirtshaus in Ambach am See, zu vergleichen. Kein Vergleich jedoch zwischen den imposanten Sheriffs, wie direkt einer amerikanischen Serienproduktion entstiegen, die sich mit "breitem Lachen unter blonden Schnurrbärten" spontan filmen ließen, und jenen missmutigen bayerischen Dorfpolizisten, die Erika Schalper auf ihrem Weg nach Westen zwischen den Pferdekoppeln von Hausen traf und die sie um ein Haar wegen Beamtenbeleidigung verhaftet hätten. "Insgesamt hab ich's scheinbar nicht so mit die Gautinger Schandis", so das lapidare Fazit der Autorin.

Die eigentliche Überraschung findet sich ganz hinten im Heft, gut 20 Seiten nach dem fulminanten Sonnenuntergangsfoto "Licht aus Amerika, oder: J.F. Cooper grüßt Adalbert Stifter" von Werner Fritsch im Centerfold: Nach all den Reiseabenteuern irgendwo im "Westen" spielt die titelgebende Erzählung von Simon Weinhart ausgerechnet in der Praxis eines Paartherapeuten.

Die "Starnberger Hefte" sind über den Buchhandel oder unter www.starnberger-hefte.de erhältlich.

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