Weil sie offenbar Blinklichter übersahen:Zwei Tote an Bahnübergang

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Ein Zug erfasst ein Auto bei Seeshaupt. Die beiden Insassen, zwei Frauen aus Gräfelfing, kommen ums Leben. Bislang gibt es keine Schranken an der Unfallstelle. Doch die Bahn hatte vor, dort welche zu installieren

Von Christian Deussing und David Costanzo, Seeshaupt

Die Staatsstraße 2063 führt direkt an dem Bahndamm südlich von Seeshaupt vorbei. Noch immer befindet sich am späten Montagnachmittag das schwarze Auto halb einklemmt unter dem Triebwagen des Regionalzuges, der einige Stunden zuvor den Pkw auf einem unbeschrankten Bahnübergang erfasst und auf dem Gleis mitgeschleift hatte. Die beiden Insassen wurden laut Polizei durch den Aufprall des Zuges vermutlich sofort getötet. Tragisch: Die Bahn will den Übergang noch in diesem Jahr mit Schranken ausrüsten.

Am Steuer des Unfallautos saß eine 67-jährige Frau, Beifahrerin war eine 83-Jährige, beide Frauen wohnten in Gräfelfing. Vielleicht hatten sie in der Region einen Ausflug unternommen, jedenfalls wollte die Pkw-Fahrerin kurz nach einem Waldstück den Übergang unweit der Lauterbacher Mühle in Richtung Staatsstraße überqueren. Doch das rote Blinklicht an beiden Andreaskreuzen übersah die Gräfelfingerin offenbar. Der 52-jährige Lokführer hatte trotz Notbremsung wohl keine Chance, den Aufprall zu verhindern. Es gebe derzeit "keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Lokführers", teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II am Dienstag mit. Daher sei auch kein Gutachten angefordert und kein Ermittlungsverfahren gegen den Mann eingeleitet worden. Im Zug wurde eine 51-jährige Frau aus Schondorf leicht am Daumen verletzt. Die anderen Passagiere und der Lokführer kamen nach ersten Erkenntnisse mit dem Schrecken davon. Sie wurden vom Kriseninterventionsteam betreut.

Die Penzberger Polizei wird nun sämtliche Fakten zum Ablauf des Unglücks sammeln und der Staatsanwaltschaft übergeben. Es dauert aber noch Wochen oder Monate, bis das Ergebnis vorliegt. An dem Regionalzug entstand ein Schaden von etwa 100 000 Euro, am Kleinwagen von 5000 Euro. Eingeschaltet sind auch Experten der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU). Bisher gebe es keine Hinweise, dass die Warnblinkanlage nicht funktioniert habe, sagte BEU-Sprecher Boris Westhoff der SZ. Trotzdem werde die Sicherheitstechnik an dem Bahnübergang noch genau geprüft und dazu ein Bericht verfasst.

Der Seeshaupter Bürgermeister Michael Bernwieser machte sich noch am Abend des Unfalls bei den Rettungskräften ein Bild von der Lage. "Ein tragischer Schicksalsschlag", sagte der Rathauschef. "Auch die Kameraden der Feuerwehr sind erschüttert."

Der Bahnübergang war nach seinen sowie ersten Aussagen von Polizei und Bahn zwar nicht als Gefahrenstelle bekannt. Nach seinen Angaben wollte die Bahn den Übergang aber noch in diesem Jahr mit Halbschranken ausrüsten. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Konzern mit Arbeiten entlang der Strecke zwischen Tutzing und Kochel begonnen. Bis November soll die Trasse für 20 Millionen Euro auf eine elektronische Stellwerkstechnik umgestellt werden. Statt mit Bedienungshebeln und Knöpfen könne der Fahrdienstleiter Weichen und Signale dann von Weilheim aus einfach, schnell und sicher per Mausklick steuern, hieß es in einer früheren Mitteilung der Bahn. In diesem Zuge sollte auch in Penzberg ein unbeschrankter Bahnübergang mit den Barrieren ausgestattet werden.

Vor zweieinhalb Jahren war ein 48-Jähriger mit seinem Traktor in einem Ortsteil von Kochel an der gleichen Strecke an einem unbeschrankten Bahnübergang erfasst und schwer verletzt worden. Nach Angaben des ADAC kamen im Jahr 2016 in Bayern bei 42 Unfällen an unbeschrankten Bahnübergängen sechs Menschen ums Leben.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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