Wandern in den Alpen:Erhöhtes Unfallrisiko auf dem Weg zum Gipfel

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Immer mehr unerfahrene Wanderer müssen aus gefährlichen Situationen gerettet werden. Viele können sich nach Ansicht von Bergrettern nicht richtig einschätzen. Der Alpenverein rät zu Kursen.

Julia Mähler

Besonders Bergwanderer, die auf Klettersteigen unterwegs sind, müssen mangels Know-How immer häufiger aus Notsituationen gerettet werden. Das zeigt die kürzlich veröffentlichte Unfallstatistik des Deutschen Alpenvereins (DAV) für die Jahre 2010 und 2011. Die Notfälle auf den Steigen haben sich von 2006 auf 2011 verdoppelt: 50 Bergsteiger verunglückten 2011, zwei davon tödlich. In keinem anderen Bereich des Bergsports gibt es laut DAV mehr Unerfahrene, was ein erhöhtes Unfallrisiko birgt.

Wanderer auf dem Herzogstand oberhalb des Walchensees. Die Bergwacht Bayern hält Wandern nicht für gefährlicher als andere Sportarten. (Foto: dapd)

Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gibt es keine anspruchsvollen Klettersteige. Trotzdem müssen auch im Voralpenraum immer wieder Menschen aus Bergnot gerettet werden, Skifahrer, Wanderer und Bergsteiger, sagt Roland Ampenberger, im Tölzer Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Sepp Bergmayr, Bereitschaftsleiter bei der Bergwacht Lenggries, bestätigt das. Im Brauneck-Benediktenwand Gebiet gibt es besonders viele Einsätze. Die Unfallhäufigkeit hänge mit der Frequentierung zusammen, und dieses Gebiet werde "reich begangen". Zwischen 250 und 300 Einsätze haben die Lenggrieser Bergwachtler pro Jahr. "Keiner kann das Risiko hundertprozentig einschätzen", sagt Bergmayr.

So seien unter den Geretteten sowohl Erfahrene, die häufig im Gebirge unterwegs seien, als auch weniger Geübte. Das Risiko kann minimiert werden. Lehrgänge für Bergsteiger, die sich Praxiswissen aneignen wollen, bieten alle DAV-Sektionen an, auch die Wolfratshauser. "Man sollte an Kursen teilnehmen, angeboten wird vom Gehen auf Klettersteigen bis zu Hochtouren alles", appelliert Günter Zintl, Vorsitzender des Wolfratshauser Alpenvereins.

Die Statistik des DAV spiegelt nur die Unfälle wider, die Alpenvereinsmitglieder an die Versicherung melden. Danach gehen deren Unfälle seit 60 Jahren zurück. Das begründet Stefan Winter Ressortleiter für Breitenbergsport im Alpenverein so: "Die 50er und 60er Jahre waren eher noch Nachkriegszeit, Ausrüstung war Mangelware und die Informationslage dünn." Erst seit den 1970er Jahren sei mehr Zeit und Geld für Hobbys gewesen, auch die Bereitschaft, sich bergtechnisch ausbilden zu lassen, habe seit damals zugenommen. Ampenberger vom Bergwacht-Zentrum weist darauf hin, dass sich auch Wettervorhersagen und Notrufsysteme verbessert hätten. Dafür nehmen die Einsätze zu, bei denen unverletzte Bergsportler geborgen werden mussten. Waren es 2007 noch solche 620 Unfälle, stieg deren Zahl vergangenes Jahr auf 884 Personen.

Die besonders riskanten Klettersteige würden vor allem bei Bergsteigern beliebter, die nicht im Alpenverein sind, sagt Stefan Winter. "Die meisten gehören keinem Klub an und haben somit weniger Affinität zum Bergsport", vermutet er. Das Interesse an Klettersteigen sei bei DAV-Mitgliedern laut einer Befragungswelle, die von 1993 bis 2009 ging, konstant gleich.

Für die Klettersteigproblematik sieht Gernot Walther, Bereitschaftsleiter der Bergwacht Kochel, zwei Ursachen: Einerseits gebe es zunehmend "richtig schwere Klettersteige", bei denen den Sportlern "buchstäblich die Kraft in den Armen ausgeht". Andererseits schätzten sich viele Bergsteiger nicht richtig ein. Walther mahnt überlegtes Denken und ausreichendes Training an. Angesichts der sich nähernden Bergsteigersaison rät er: "Wichtig ist, angsam auf sein Ziel hinzuarbeiten, die Kondition stetig zu steigern und immer den Wetterbericht zu beachten."

Außerdem rät der Kochler, immer eine Taschenlampe in den Rucksack zu packen und sich nicht auf die in Wanderführern angegebenen Zeiten zu verlassen, da diese immer "Durchschnittszeiten" seien. Man solle versuchen, sich selbst realistisch einzuschätzen.

© SZ vom 04.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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