Waldbrandgefahr nach Trockenheit:Die Feuerflieger

Behörden lassen die Region aus der Luft überwachen - unterwegs mit den Beobachtern am Himmel

Von Erik Häussler, Königsdorf

Die Anschnallgurte klicken, die Haube des Tiefdeckers Typ Remo 180 wird geschlossen, scheppernd springt der 180 PS starke Motor an. Pilot Günter Pröpster kontrolliert die Messinstrumente, meldet "Clear" und die Maschine holpert über das Gras zur Startbahn des Segelflugplatzes Königsdorf. Auch sein Nebensitzer Georg Doll gibt das Okay zum Start. Die Maschine beschleunigt, schon nach wenigen Metern steigt sie Richtung Osten in die Lüfte, der Blick auf das Alpenpanorama ist beeindruckend. Doch dafür haben die beiden keine Augen. Denn Doll ist Luftbeobachter. Er hat den Auftrag, Waldbrände zu erkennen und zu melden.

Jetzt am Nachmittag, kurz nach 16 Uhr, ist die Brandgefahr bei fast 35 Grad Außentemperatur am höchsten. Wegen der wochenlangen Trockenheit liege die Waldbrandgefahr bei Stufe vier von fünf, sagt Wolfgang Neuerburg, zuständiger Bereichsleiter am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Holzkirchen. An einzelnen Schwerpunkten im Landkreis sei sogar die höchste Gefahrenstufe erreicht. Unweit des Segelflugplatzes, am Bibisee, brannte es vergangene Woche bereits, das Feuer konnte jedoch rechtzeitig gelöscht werden. Brände früh zu erkennen, kann riesige Waldflächen retten. Dafür sind Leute wie Georg Doll im Einsatz. Der Bichler ist seit mehreren Jahren als ausgebildeter Luftbeobachter beim Wasserwirtschaftsamt in Weilheim tätig, hat ein geschultes Auge, erkennt auch kleinste Rauchsäulen.

Die Maschine hat inzwischen die Beobachtungshöhe von 600 Metern erreicht. Das ist die gesetzliche Mindestflughöhe. Wenn Doll aber verdächtige Stellen erspäht, darf Pilot Pröpster auch auf 300 Meter runter. Die lang gezogene Kunststoffhaube des Fliegers bietet eine gute Übersicht. Noch ist aber nichts Auffälliges entdeckt, die Remo fliegt mit 130 Stundenkilometern etwas wackelig die vorgegebene Route ab.

Das Segelflugzentrum Königsdorf kann bis zu acht Maschinen für diese Einsätze zur Verfügung stellen, erklärt Ewald Eichenseher, der am Beobachtungstag die Flugleitung übernimmt. Das Flugzentrum hat Erfahrung mit solchen Hilfsdiensten. Früher habe man auch Beobachtungsflüge über Autobahnen für das Radio übernommen, erklärt Eichenseher. Die Anordnung für die Luftbeobachtung kommt von der Regierung Oberbayern, die auch die Kosten übernimmt. Dass die nur rund 130 bis 150 Euro pro Flugstunde für den Sprit betragen, liegt an der ehrenamtlichen Hilfe durch Piloten wie Pröpster. Der 50-jährige Münchner fliegt seit 35 Jahren, habe klassisch mit Segelflug begonnen und ist später umgestiegen. Würden die Segelflugvereine ihre Hilfe nicht anbieten, müssten Hubschrauber eingesetzt werden, die mehr als das Zehnfache kosten würden.

Die rot-weiße Maschine steuert in Richtung Norden, in der Ferne erkennt man die Radar-Station in Bad Aibling. Es geht bis in den Osten Münchens, dort dreht sie dann Richtung Wolfratshausen. Pröpster folgt der vorgegebenen "Route D", die sich durch das Viereck Staffelsee, Schliersee, Grafing und Ammersee schlängelt, mehr als eineinhalb Stunden Flugzeit. Wenn Doll etwas genauer sehen möchte, korrigiert er die Route per Handzeichen. Auf zehn bis 15 Kilometer Entfernung würde der 45-Jährige bei der heutigen Sicht Verdächtiges entdecken. Gerade bei Waldrändern und sonnigen Lichtungen schaut der Experte aus der Vogelperspektive genau hin. Sähe er Rauch, würde er per Funk sofort die nächstgelegene Leitstelle der Feuerwehr verständigen.

Die Route

Die vom Stützpunkt Königsdorf geflogene "Flugroute D" deckt das Gebiet vom Kochelsee im Süden bis München im Norden, vom Ammersee im Westen bis Rosenheim im Osten ab. Vom Segelflugzentrum Königsdorf geht es zunächst Richtung Bad Tölz, weiter Richtung Norden bis Otterfing und nach einer Rechtskurve bis an Schliersee. An Bad Aibling vorbei und über Grafing hinweg dreht das Flugzeug dann Richtung Südosten, am Rande Münchens entlang bis Geretsried. Von dort geht es noch einmal in Richtung Nordwesten, über Eurasburg und Münsing zum nördlichen Ufer des Starnberger Sees. Über Starnberg hinweg führt die Route zum Ammersee. Das Kloster Andechs zur Rechten und Possenhofen zur Linken fliegt die Remo 180 an Weilheim vorbei bis zum Staffelsee im Süden. Schließlich führt die Strecke über Penzberg, Bichl und Bad Heilbrunn zurück zum Ausgangspunkt in Königsdorf. Im Falle eines Brandes wird eine der zehn zuständigen Leitstellen von Feuerwehr und Polizei per Funk verständigt. Im übrigen Oberbayern heben die Beobachter auf Anordnung der Bezirksregierung in Eichstätt, Pfaffenhofen, Fürstenfeldbruck, Erding und Mühldorf am Inn ab. ehae

So oft wie dieses Jahr waren der Luftbeobachter und sein Pilot noch nicht in der Luft. Der Deutsche Wetterdienst hat an seiner Messstation in Attenkam im Juli genau 42,4 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter gemessen, nur rund ein Viertel des langjährigen Mittelwertes. Dazu kommt die starke Hitze mit deutlich über 30 Grad.

Diese Hitze macht sich auch im Cockpit bemerkbar. Die Sonne knallt durch die Kunststoffhaube, nur kleine Luftschlitze bringen Frischluft. Auf der geringen Flughöhe ist aber nicht einmal die sonderlich kühl. Erst am Wochenende soll sich die Situation entspannen, dann sind Gewitter und niedrigere Temperaturen angesagt. Bis Freitag bleibt die Gefahr hoch und die Regierung von Oberbayern hat weitere Luftbeobachtungen von den insgesamt sechs Flugstützpunkten, zu denen auch Königsdorf zählt, angeordnet. Als die Remo 180 kurz vor sechs Uhr auf die Landebahn in Königsdorf zusteuert, kann Entwarnung gegeben werden: keine Waldbrände entdeckt - für heute.

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