Wackersberg:Deftig, saftig, scharf

BDJW Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn - Reunion

Petra Amasreiter ist neu beim Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn. Josef Brustmann (links) und Otto Göttler haben sie im Internet entdeckt.

(Foto: Manfred Neubauer)

Der Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn macht nach 13 Jahren Pause in neuer Besetzung wieder Musikkabarett. Das Publikum im Kramerwirt ist hingerissen und fordert so lange Zugaben, bis den Musikanten die Lieder ausgehen

Von Petra Schneider, Wackersberg

Der Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn ist wieder da, und das ist nun wirklich mal ein Grund zum Jodeln. "Die Zeit ist reif", heißt das Programm, das das Trio am Donnerstag bei der Vorpremiere den rund hundert Zuhörern im Arzbacher Kramerwirt vorstellt. Wie wahr, denn 13 Jahre machte der Wahnsinn Pause, nun schlägt er wieder zu, mit einem Neuzugang und vielversprechendem Programm: Deftig und saftig, mit der nötigen Schärfe und einem anregenden, musikalischen Aroma.

Vor fast 30 Jahren gründete Otto Göttler den Jodelwahnsinn, der in wechselnden Besetzungen spielte. Zehn Jahre lang gehörte Josef Brustmann, Spross der Wolfratshauser Musikerfamilie, Musiklehrer und Kabarettist dazu, ebenso die Geigerin Monika Drasch. Im Jahr 2002 war Schluss, Drasch machte eigene Programme, Brustmann spielte bei der Monaco Bagage, Göttler gründete die Unverschämte Wirtshausmusik. Für den Neuanfang haben sich Göttler und Brustmann eine studierte Geigerin "im Internet gegoogelt": Petra Amasreiter, die gemütvolle Landler genauso gut kann wie furiose Rocksongs.

Vielseitig war der Jodelwahnsinn schon immer: Zwiefache, Gstanzl und Jodler, ein verträumter Musette-Walzer für die Kanzlerin, ein "Hyperjodler" samt Echo und natürlich die fast obligatorische McDonald's-Parodie zur Melodie des Suserl-Zwiefachen. Der Csárdás von Monti, bei dem Göttler die singende Säge winseln lässt, wird am Donnerstag ebenso gespielt wie der Maxglaner Faschingsmarsch von Tobi Reiser. Brustmann erzählt dazu die Geschichte vom Nazi-treuen Reiser, der die Melodie einem im KZ inhaftierten Zigeuner gestohlen habe, "weil der konnt mit dem Stück sowieso nix mehr anfangen." Bairisches Musikkabarett ist in den vergangenen Jahren zu einem heftig beackerten Feld geworden. Der Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn hat darin allemal noch Platz - wegen der Virtuosität seiner Musiker auf diversen, oft elektronisch verstärkten Instrumenten und den frechen, manchmal poetischen Texten und Geschichten, die Brustmann mit kernigem Charme vorträgt. Politisch wird es am Donnerstag kaum, dafür konsum- und zeitgeistkritisch, etwa im sentimentalen Heimatlied "I bin da Sepp, und da bin i dahoam", natürlich ironisch gebrochen: Heimat ist da, wo sich die Oma und der Opa auf dem Obi-Parkplatz verfahren. Oder in der Parodie auf die Melodie des Kinderlieds "Auf der Mauer sitzt a kloane Wanzn". Beim Jodelwahnsinn wird daraus: "Auf dem Touchscreen-Handy sitzt a kloana Virus. Und schlimmer: "In sein Bett im Internet, da liegt er, der Trojaner" - und loggt sich womöglich bei der Ehefrau ein. Manches ist frivol, wie die derbe Abrechnung mit dem aufgespritzten Oktoberfestvolk.

Manches nachdenklich, wie die Geschichte über die Beerdigung eines Gebirgsschützen, die Brustmann erzählt: Bärte wie Barbarossa, "gstanden wie ein Monument", dann die Anregung des Pfarrers: Reicht euch die Hände zum Zeichen des Friedens. Was aber, wenn die Hände nicht frei sind, weil sie ein Gewehr halten müssen? Ein Kuddelmuddel entsteht, Gewehre werden abgelegt, die Ordnung löst sich auf. "Wie leicht man doch eine ganz Kompanie entwaffnen kann", schließt Brustmann die schöne Geschichte.

Gleich einen "ganzen Lastwagen voller Instrumente" haben die Drei mitgebracht: Kontrabass, Gitarre, Geige, Diatonisches Akkordeon, Zither, Tuba, Konzertina, Ukulele, Blockflöte, sogar ein Alphorn, das beim Einsatz von einer Zuhörerin in der ersten Reihe geschultert werden muss. Und eine "Pfanntarre": Eine als E-Gitarre zweckentfremdete Bratpfanne.

Auch das Publikum wird instrumentiert: Tüten werden verteilt, große Basstüten und kleine Soprantüten. Die Spieler rascheln wacker beim Tütenlied über Mikroplastik im Fisch und im Goretex-Jackerl. Ein Trommler aus dem Publikum muss ran beim Csárdás, Amasreiter sucht den Sepp aus ("Wenn wir sagen, "Hopp", dann haust drauf"), der zumindest nicht aufgibt. Auch die Zuschauer nicht, die nach drei Zugaben unverdrossen weiterklatschen. Da ist das Licht schon aus und die Instrumente sind abgekabelt. "Wir haben jetzt koa Lied mehr", entschuldigt sich Brustmann. Da hilft nur warten, bis die drei Wahnsinnigen Jodelnachschub liefern.

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