Vor Ort gebaut, in der Welt zu Hause:Pioniere auf der Isar

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Von Bad Tölz aus, wo es einst eine Werft gab, startete am Freitag eine Faltbootregatta. Manch Teilnehmer erinnert sich an "die Freiheit meiner Jugend"

Von Erik Häussler, Bad Tölz

Es steht für Flexibilität, Freiheit, Abenteuer - und ist ein Stück Tölzer Tradition: das Pionier-Faltboot. Vor 90 Jahren wurde die Faltbootwerft in Bad Tölz gegründet, und ihr zu Ehren stachen am Freitag etwa 20 Männer und Frauen in die Isar, zu einer historischen Isarregatta. "Für mich war das Faltboot eine neugewonnene Freiheit in meiner Jugend. Wir hatten damals noch kein Auto, das war zu teuer, also haben wir ein Faltboot gekauft und sind damit los", erinnert sich Richard Hilger, der eigens aus Düsseldorf angereist ist, um an der Isarregatta teilzunehmen.

Der 52-Jährige war schon öfters auf oberbayerischen Flüssen unterwegs. Wie die anderen Faltboote besteht auch sein Einsitzer aus einer historischen Holzkonstruktion, eine der Bedingungen für die Teilnahme am Wettbewerb. Nur die Stoffbespannung, die dem Holzgestell die nötige Stabilität verleiht, ist neu. Durch Sonne und Wasser wird sie mit der Zeit spröde und muss ersetzt werden. Dennoch: "Moderne Kunststoffboote wollen wir hier nicht sehen. Wir fahren nur die klassischen alten Boote", sagt Hilger.

Das Pionier-Faltboot, dessen Werft seit 1970 geschlossen ist, zeichne sich durch eine besondere, feingliedrige Holzkonstruktion aus, erklärt Christian Späth, der mit einem Freund einen Zweisitzer die Isar flussabwärts lenkt. Er schätzt an diesem Bootstyp vor allem die Flexibilität. Das Faltboot sieht aus wie ein modernes Kanu, kann aber nach dem Abnehmen der Stoffhülle zerlegt, in wenige Säcke verpackt und so transportfähig gemacht werden. Das gibt den Flussabenteurern die Möglichkeit, ihre Reise immer und überall zu beginnen und zu beenden: "Wenn man keine Lust mehr hat, packt man das Boot zusammen und nimmt den nächsten Zug", sagt der Tölzer lächelnd. Ungefähr 30 Minuten dauert der Aufbau. Bei früheren Regatten waren schon diese Vorbereitungen Teil des Wettkampfes. Beim Start am Freitagmorgen haben es die rund 20 Teilnehmer leichter, sie starten vom Wasser aus, nacheinander.

Die ältesten Boote stammen aus den 1920er Jahren, einige fahren noch heute, andere sind im Stadtmuseum, das den Faltenbooten eine eigene Ausstellung widmet. "Die Qualität der Pionier-Boote ist einmalig", sagt Hermann Schott, der vom Isarufer aus zuschaut und direkt ins Schwärmen gerät: "Wenn ich diese Boote sehe, geht mir das Herz auf." Der Tölzer ist selbst seit 1957 in seiner Freizeit mit dem Faltboot unterwegs. Die Begeisterung dafür habe ihm sein Vater mitgegeben. Der war noch vor dem Zweiten Weltkrieg mit einem dieser Boote die Donau hinab bis ins Schwarze Meer gepaddelt. Später berichtete er seinen Kindern von seiner Leidenschaft und dem Abenteuer, bis auch Hermann Schott schließlich das Fieber packte: "Wir waren oft mit vier, fünf Freunden unterwegs, haben gezeltet und geangelt. Und am Ende haben wir eben das Boot zusammengepackt und sind mit dem Zug nach Hause." Gerade die Isar sei ein toller Fluss für Faltboote, wenn auch nicht ganz einfach zu fahren. Bei Hochwasser sei mit heftigem Wildwasser zu rechnen, erklärt Schott. Vor allem Untiefen und Steine sind für die Stoffummantelung eine Gefahr. Später war Schott dann mit seiner Frau und zwei Faltbooten in ganz Deutschland unterwegs, bis zur Mecklenburgischen Seenplatte. Heute mache ihm der Rücken zu schaffen, sagt der 74-Jährige, deshalb könne er nicht mehr an der vier- bis viereinhalbstündigen Jubiläums-Regatta nach Schäftlarn teilnehmen. Zum Start an der Isar ist er wie 60 andere Zuschauer trotzdem dabei.

Bevor die Regatta 1994 untersagt wurde, waren noch etwa 700 Kanuten mit dabei. Das seien noch ganz andere Ausmaße gewesen, berichtet Elisabeth Hinterstocker, Leiterin des Tölzer Stadtmuseums, kurz vor dem Start. Doch dann gab es Bedenken, die Regatta könne brütenden Vögeln und den empfindlichen Isarauen schaden. Für die Fahrt am Freitag wurde aber eine Ausnahme gemacht. So läutete um kurz vor halb 11 Uhr die Startglocke. Zehn Boote starteten in Richtung Schäftlarn, einige andere kamen im späteren Verlauf hinzu. Die große Hitze war eine zusätzliche Belastung für die Hobbysportler.

Faltboot-Fan Schott hat erst kürzlich sein altes Boot neu bespannen lassen: "Damit ist es wieder wie neu. Vielleicht ja für meine Enkel. Die sind sehr sportbegeistert und haben schon Interesse gezeigt."

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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