Vom Zauberer von Oz bis Händel:Über dem Regenbogen

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"Over the rainbow" als Samba: Benjamin Engel am Saxofon und Nikolai Gersak an der Orgel. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Benjamin Engel und Nikolai Gersak geben in der Ickinger Auferstehungskirche ein ungewöhnliches Konzert mit Saxofon und Orgel

Von Sabine Näher, Icking

Harold Arlen schrieb den Song 1939 für die Verfilmung des Romans "Der Zauberer von Oz". Doch innerhalb kürzester Zeit avancierte "Over the rainbow" zum Hit und wurde von einer ganzen Menge Musikern eingespielt. Bis heute zählen die Versionen mit Ella Fitzgerald und Louis Armstrong zu den bekanntesten. Mit Saxofon und Orgel dürfte man die Nummer bislang aber kaum gehört haben. Das hat sich am Samstagnachmittag in der Auferstehungskirche Icking geändert, wohin Benjamin Engel am Saxofon und Nikolai Gersak an Orgel und E-Piano zu einem ungewöhnlichen Konzert geladen hatten.

"Das Stück haben sich so viele Musiker auf ihre Art zu eigen gemacht. Wir spielen es als Samba", kündigt Engel an. Das fast introvertierte Intro klingt dann ein wenig fremd, bis sich die überaus bekannte Melodie mitreißend-schwungvoll daraus entfaltet. Sie habe das Duo im Radio gehört, erzählt Maike Bestehorn, Vorsitzende des Förderkreises Kirchenmusik Isarta,l in ihrer Begrüßung. "Und sofort dachte ich: Die sollen bei uns hier in Icking spielen." Und schon sind sie da. Engel hat an der Kölner Musikhochschule Saxofon studiert, Gersak in Lübeck Kirchenmusik. Engel ist derzeit im Stadttheater Konstanz engagiert, Gersak ist Chorleiter und Organist in Friedrichshafen. Und als Duo erfüllen sie sich ihre musikalischen Wunschträume, die im Hauptberuf nicht immer zu verwirklichen sind.

Oben auf der Orgelempore geht es los mit Richard Rodgers "My Favorite Things": Ungewohnt lässig und jazzig kommt die Orgel in der trotz Fußballfieber gut besuchten Auferstehungskirche rüber; sie lässt sich vom entspannten Ton des Saxofons anstecken, ist ihm verlässliche Stütze, aber auch energischer Dialogpartner. In Eugène Bozzas "Aria" darf das Altsaxofon dann wunderbar zart singen, eingebettet in samtig-weiche Stützakkorde der Orgel.

Von Frankreich geht es darauf nach Amerika: Charlie Marianos "Plum Island" beginnt wie das Vorspiel zu Bach/Gounods "Ave Maria", ehe es mit dem Sax-Einsatz eine bunte, glitzernde Welt betritt. Die Orgel klingt nun fast wie eine Drehorgel, was Rummelplatz-Atmosphäre aufkommen lässt, dann in einem ausgedehnten Solo wie eine Hammond-Orgel - verblüffende Ausdrucksvielfalt! Zu Keith Jarretts "Country" wechseln die Musiker nach unten in den Altarraum. Engel legt diese Wegstrecke spielend zurück und macht aus dem wandernden Klang gleich eine musikalische Aktion, in die das E-Piano mit sehr selbstbewusstem Ton einsteigt.

Schon geht die Reise weiter nach Brasilien: Heitor Villa Lobos huldigt dem großen Thomaskantor mit seinen "Bachianas Brasilieras". Gersak spielt nun die Truhenorgel, und das Saxofon entfaltet dazu einen ganz anderen Klang, viel weicher, eher an der Oboe orientiert, also an dem Instrument, das Bach kannte, denn das Saxofon wurde erst 1840 erfunden. Die Orgel umfließt das Blasinstrument in weichen Wellenbewegungen. Im Mittelteil entwickelt sich ein rezitativischer Charakter, das Saxofon deklamiert, ehe es sich aussingend quasi zur Arie zurückkehrt. Rodgers "My Romance" ertönt wieder von oben: "Als Walzer, aber so schnell, dass Sie nicht dazu tanzen können", warnt Engel.

Nach dem erwähnten "Over the rainbow" kommt mit zwei Sätzen aus der 4. Sonate für Flöte und Basso continuo von Georg Friedrich Händel eine ganz neue Farbe ins Spiel. Die Truhenorgel passt stilistisch, aber für eingefleischte Fans der Alten Musik kann das Saxofon die Flöte da nicht ersetzen. Andererseits hört sich auf diese Weise vielleicht jemand einen Händel an, der das sonst nicht täte. Jedenfalls bekommt gerade diese Nummer besonders viel Beifall.

Auch Astor Piazzollas "Libertango", der nun folgt, ist mit Kirchenorgel und Saxofon nicht alle Tage zu hören. "Piazzolla hat den Tango frei gemacht, indem er Einflüsse aus Europa und Amerika in ihm verarbeitet hat", erklärt Engel. "Das hat in Argentinien nicht allen gefallen..." Den beiden Herren auf der Empore gefällt es offensichtlich sehr, den Zuhörern auch. Ein Gospel zum Ausklang: Carla Bleys "The Lord is listenin' to ya". Die enthusiastisch mitwippenden Chorsänger muss man sich dazu vorstellen. Und als Dank für den großen Beifall bekommt das Publikum mit "You are the sunshine of my life" noch ein paar "good vibrations" mit auf den Heimweg.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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