Vielseitigkeit der Violine:Vertraut im Unvertrauten

Vielseitigkeit der Violine: Ebenbürtige Partner: Geiger Josi Vorbuchner und Pianist Jona Kümper verbindet eine langjährige Zusammenarbeit.

Ebenbürtige Partner: Geiger Josi Vorbuchner und Pianist Jona Kümper verbindet eine langjährige Zusammenarbeit.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Geiger Josi Vorbuchner und Pianist Jona Kümper geben ein ebenso ungewöhnliches wie hinreißendes Konzert in der Wolfratshauser Musikschule

Von Uta Schmidtsdorff, Wolfratshausen

Eine Geige ist ein sehr vielseitiges Instrument. So vielseitig, dass sie vergessen lässt, dass man ein Cello, eine Flöte, ja skurrilerweise sogar ein Ondes Martenot (ein elektronisches Tasteninstrument, das 1923 erfunden wurde) überhaupt braucht. Der Geiger Josi Vorbuchner und sein Pianist Jona Kümper kamen bei ihrem Kammerkonzert am Samstagabend im Saal der Musikschule Wolfratshausen jedenfalls ganz gut ohne sie aus. Die ursprünglich für Cello komponierten Stücke im Volkston op. 102 von Robert Schumann verloren in dieser Interpretation nichts von ihrer warmen samtigen Farbgebung.

Insbesondere die langsamen Sätze wurden zu zart duftenden Blüten jener privaten Innerlichkeit, die Schumann ganz bewusst als Abkehr vom modischen Virtuosentum seiner Zeit verstanden wissen wollte. Im eher intimen Rahmen dieser Konzertveranstaltung erwies sich auch die frühe Violinsonate op.4 von Felix Mendelssohn-Bartholdy als ideal platziert: Vor einem offenkundig sehr interessierten Publikum, zu dem auch die jüngste Musiker-Generation Wolfratshausens zählte, geriet der Austausch zwischen Ausführenden und Hörern zu einem fruchtbaren Miteinander und weckte so Assoziationen an die Entstehungszeit dieses Jugendwerkes, das im elterlichen Salon der Mendelssohns in Berlin erstmals erklang.

Höhepunkt der ersten Programmhälfte war die Uraufführung von Jona Kümpers Sonate VIII, die mit ihrem Untertitel "Sechs Lieder ohne Worte" thematisch passend eine gedankliche Brücke zu Mendelssohns berühmten lyrischen Klavierstücken wies. Kümper, der sich neben seiner pianistischen Laufbahn intensiv dem Komponieren widmet, ist in den vergangenen Jahren aus diversen Kompositionswettbewerben als Preisträger hervorgegangen, so zuletzt mit dem 1. Preis des Carl-von-Ossietzky-Wettbewerbs in Oldenburg 2014. Mit Josi Vorbuchner, der selbst auf eine rege Konzert- und Kammermusikpraxis zurückblicken kann, verbindet ihn eine langjährige musikalische Zusammenarbeit. Wie sehr sich die beiden Kammermusikpartner in musikalischen Fragen vertraut sind, ließ sich nirgends schöner beobachten als in diesen musikalischen Skizzen, in denen sich Violine und Klavier als gleichberechtigte, ebenbürtige Partner begegnen. Klangräume werden sehr achtsam durchschritten, wie tastend bahnt sich der Zuhörer seinen Weg durch schwebende Klangflächen aus fahlen Tonrepetitionen und überraschenden Echo-Wirkungen. Enggeführte Motiv-Verschränkungen zeichnen Fetzen eines Dialogs, der sich rasch verliert in stehend vibrierende Flächen.

Wie viele seiner französischen Kollegen war auch Olivier Messiaen von den klanglichen Möglichkeiten des Ondes Martenot fasziniert und verwendete es wiederholt in seinen Orchesterkompositionen. In den post mortem veröffentlichten "Feuillets Inédits" brechen Ondes Martenot und Klavier gemeinsam auf, in ein oszillierendes Reich aus elektronisch verfremdeten Klangfarben. Schillernde Glissando-Effekte tragen auf beunruhigende Weise ihren Teil dazu bei, dass man als Hörer den Boden unter den Füßen verliert. Leider jedoch blieb dieses unheimlich anmutende Zauberreich in der dargebotenen Bearbeitung für Violine und Klavier verschlossen, da sich offensichtlich die speziellen Eigenschaften des elektronischen Instrumentes doch nicht sinnvoll auf die Geige übertragen ließen. Hingegen wurde eine weitere Facette des Messiaenschen Komponierens auf liebevolle Art lebendig: Feinsinnig ließ Kümper Amsel und Wimpelschwanz auf dem Klavier ihren Gesang entfalten und dokumentierte überzeugend Messiaens Leidenschaft, Vogelstimmen zu notieren und in seine Werke einfließen zu lassen.

Zum Abschluss dann Prokofjews ursprünglich für Flöte konzipierte Sonate op.94: Diese hatte der Komponist nachträglich selbst für Violine bearbeitet und dadurch die Violinliteratur des 20. Jahrhunderts um ein hinreißendes Werk bereichert. Entstanden 1943, scheint diese freudvoll strahlende Musik zunächst der Dunkelheit ihrer Zeit weit entrückt. Doch unversehens gelangen harmonische Trübungen ins Spiel, gerät der heitere Tanz zum fratzenhaften Stampfen. Kauzig hinterfragt Prokofjew das soeben entworfene Bild einer heilen Welt, und der virtuose Schabernack gewinnt ein bitterböses Gesicht. Farbintensiv und in feinen dynamischen Abschattierungen gelang es den beiden Interpreten hier, die doppelbödige Szenerie lebendig werden zu lassen. Großer Applaus, auch von der jungen Generation.

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