Verwunderung mancherorts:Mietpreisbremse mit Lücken

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Ein halbes Dutzend Städte und Gemeinden in der Region stehen auf der Liste der Staatsregierung - Geretsried und Penzberg sind nicht dabei

Von Klaus Schieder und Matthias Köpf, Bad Tölz-Wolfratshausen

Anton Margreiter (CSU) ist baff. "Völlig überrascht" zeigt sich der Bürgermeister von Greiling, dass die 1435 Einwohner kleine Gemeinde zu jenen 144 Kommunen in Bayern gehört, in denen die Mietpreisbremse vom 1. August an greifen soll. Greiling steht tatsächlich auf der Liste, die das Kabinett gestern verabschiedete. Margreiter sieht dafür in dem Dorf bei Bad Tölz jedoch "überhaupt keinen Bedarf". Die durchschnittliche Miete von acht Euro pro Quadratmeter hält er für verträglich, weshalb er die Liste aus München vorerst "links liegen lassen" will. Neben Greiling finden sich darauf Bad Tölz, Wolfratshausen, Icking, Bad Heilbrunn und Schäftlarn. Dagegen kommen selbst große Kommunen wie Geretsried, Penzberg oder Lenggries nicht vor.

Das Gesetz kommt aus Berlin: Bei Neuvermietungen darf ein Vermieter künftig nur noch maximal zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Der Freistaat hat nun wie alle Bundesländer die Gebiete festgelegt, in denen diese Mietpreisbremse künftig gilt, weil die Mieter unter einem angespanntem Wohnungsmarkt leiden. Das Landesamt für Statistik und das Justizministerium hatten zunächst 908 von 2056 Städten und Gemeinden unter die Lupe genommen. 90 Prozent der Kommune liegen in Oberbayern.

Schäftlarn stand laut Bürgermeister Matthias Ruhdorfer (CSU) wie seine Nachbargemeinden von vorneherein auf der Liste des Ministeriums, und der Gemeinderat hatte dagegen auch nichts einzuwenden. Die statistische Erhebung habe für eine Versorgungsquote von 97,4 Prozent ergeben. 2,6 Prozent der Schäftlarner hätten demnach auf mittlere Sicht rein rechnerisch keine Wohnung und würden also aus der Gemeinde verdrängt. Immerhin gibt es in Schäftlarn eine nennenswerte Zahl von Mietwohnungen. Ganz im Gegensatz zu Icking, wo es laut Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) nur wenige Wohnungen im gehobenen Preissegment und ansonsten eine Handvoll teure Häuser oder Villen zu mieten gebe - damit fehle die Grundlage für eine Berechnung der Vergleichsmiete. Menrad hält die Mietpreisbremse aus Ickinger Sicht nur für "bedingt sinnvoll".

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Greiling steht auf der Liste, ebenso wie...

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(Foto: Hartmut Pöstges)

...Wolfratshausen. Hier die Wohnhäuser an der Margeritenstraße.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

In Geretsried wurde viel gebaut, etwa an der Jeschkenstraße. Eine Mietpreisbremse wird es hier nicht geben.

In Bad Heilbrunn ist Bürgermeister Thomas Gründl (CSU) ebenfalls verblüfft, dass der kleine Kurort auf der Liste auftaucht. Die Kommune hat zwar eine Stellungnahme auf Anfrage der Regierung abgegeben, der Gemeinderat war mit dem Thema jedoch nicht befasst. "Ich bin überrascht, dass wir drin sind", sagt Gründl. Die Auswirkungen der Bremse in seiner Gemeinde hält er für gering. Sie gelte ja nicht für Neubauten oder die Wiedervermietung nach einer umfassenden Modernisierung, sondern nur für den Altbestand. Und zehn statt sonst vielleicht 20 Prozent Mieterhöhung betrachtet er dort nicht gerade als Revolution auf dem Wohnungsmarkt.

Bad Tölz wurde von der Regierung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt eingestuft - "automatisch", wie Bettina Faßbender von der Stadtverwaltung berichtet. Einwände hat die Kurstadt dagegen nicht vorgebracht. Schon 2013 hatte der Stadtrat selbst die Kappungsgrenze für Erhöhungen im laufenden Mietvertrag reduziert. Bürgermeister Josef Janker (CSU) nennt die Mietpreisbremse eine grundsätzlich richtige Überlegung, auch sein Stellvertreter Andreas Wiedemann (FW) hält sie für sinnvoll. Beide verweisen aber auf ein Problem: Ein Vermieter, der eine alte Wohnung saniere und energetisch auf Vordermann bringe, müsse seine Kosten refinanzieren können. "Sonst saniert doch keiner", sagt Wiedemann. Viele Wohnungen in Tölz zählten zum Altbestand, und die Neubauten seien ohnehin meist Eigentumswohnungen.

Ähnlich verhält es sich in Wolfratshausen, während die noch S-Bahn-lose Nachbarstadt Geretsried vorerst auch ohne Mitpreisbremse bleibt. Der örtliche Wohnungsmarkt gelte angesichts durchschnittlicher Kaltmieten von kaum mehr als acht Euro pro Quadratmeter noch nicht als angespannt, sagt der städtische Liegenschaftsverwalter Rainer Kopnitzky. In Geretsried biete allein Baugenossenschaft viele hundert Wohnungen - zu sehr moderaten Preisen, wie Kopnitzky sagt.

In Penzberg zeigt sich Bürgermeisterin Elke Zehetner (parteifrei) gelassen, dass die Stadt nicht auf der Liste der Regierung auftaucht. Enttäuscht? "Eigentlich nicht", sagt sie. Für Geringverdiener sieht sie eine Kommune in der Pflicht, durch Sozialwohnungen oder die Angebote der Baugenossenschaften bezahlbarem Wohnraum zu schaffen. Auf dem privaten Sektor, den die Mietpreisbremse trifft, sollten ihrer Ansicht nach grundsätzlich Angebot und Nachfrage den Markt regeln. Mit Regulierungen erreiche man nicht unbedingt das, was man erreichen möchte. Als Beispiel nennt Zehetner die Landwirtschaft in der EU mit ihren Milchseen und Butterbergen.

Lenggries gab eine Selbsteinschätzung des Wohnungsmarkts ab, seither hat Bürgermeister Werner Weindl (CSU) nichts mehr aus München gehört. "Ich weiß nicht, warum wir nicht dabei sind, das wundert mich", erklärt er. Die Mietpreisbremse bezeichnet er als "zweischneidiges Schwert". Auf der einen Seite beschränke sie die Mieterhöhungen, auf der anderen Seite fänden Vermieter trotzdem auch andere Wege, mehr zu verlangen. Auch Weindl befürchtet, dass dann weniger Wohnungen saniert würden. Wie hoch die Mieten in Lenggries im Schnitt sind, kann er nicht sagen. Einen Mietspiegel gibt es nicht, die Spannbreite reiche von günstigen Angeboten mit eher niedrigem Standard bis zu Luxuswohnungen.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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