Verbaute Landschaft:Grau auf der grünen Wiese

Der Bund Naturschutz und andere Umweltverbände kritisieren den Flächenfraß im Landkreis. Meist entstehen die immer neuen Gewerbe- und Wohngebiete am Ortsrand, denn in den Zentren ist der Grund kaum zu bezahlen.

Von Ingrid Hügenell

Verbaute Landschaft: Königsdorf ist eine gewachsene Ortschaft. Das Gewerbegebiet im Norden jedoch wird immer weiter ausgebaut. Die Betriebe schätzen den Platz, den ihnen das Areal in Wiesen bietet.

Königsdorf ist eine gewachsene Ortschaft. Das Gewerbegebiet im Norden jedoch wird immer weiter ausgebaut. Die Betriebe schätzen den Platz, den ihnen das Areal in Wiesen bietet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Bund Naturschutz (BN) kritisiert den anhaltenden Flächenverbrauch im Landkreis durch immer neue Gewerbe- und Wohngebiete, meist mit großen Parkplätzen, die von neuen Straßen erschlossen werden. Im gesamten Oberbayern als "Boomregion Bayerns" würden weiterhin viele Flächen zugebaut, heißt in einer Presseerklärung. 1747 Hektar waren es im Jahr 2012; das entspricht etwa der doppelten Fläche des Tegernsees. Bayern ist damit laut BN bundesweit Spitzenreiter beim Flächenverbrauch.

Der BN-Kreisvorsitzende Friedl Krönauer sieht diese Entwicklung mit Sorge. Ihm fallen zahlreiche Beispiele für Flächenfraß im Landkreis ein. "Wenn Sie zum Beispiel nach Tölz hineinfahren, egal aus welcher Richtung, kommen Sie immer erst in ein Gewerbegebiet", sagt er. "Aber im Landkreis wird keiner sagen, wir müssen uns jetzt mal einen anderen Weg überlegen."

Ihm will auch nicht in den Kopf, warum nördlich von Bichl ein neuer Einkaufsmarkt errichtet werden soll, während gleichzeitig wenige Kilometer entfernt in Benediktbeuern der Edeka erweitert wird. Als besondere "Perle" bezeichnet Krönauer, der in Kochel am See lebt, das Gewerbegebiet im Kochler Ortsteil Pessenbach, das zwar direkt an Bundesstraße 11 liegt, aber auch mitten in der freien Flur.

Den "schleichenden Flächenverbrauch" im Landkreis beklagt auch Sabine Tappertzhofen, Geschäftsführerin des Landesbund für Vogelschutz (LBV). In der Summe wirke sich auch dieser negativ aus. Nicht nur, weil auf bebauten Flächen eben nichts mehr lebe, sondern auch, weil Niederschläge nicht mehr versickern könnten, was die Hochwassergefahr erhöht. "Was einmal weg ist, ist schwer wieder zurückzuholen", sagt die Biologin. "Selbst wenn man Parkplätze oder Gebäude später wieder wegreißt, ist nichts wie vorher."

Tappertzhofen wendet sich ebenfalls entschieden gegen Gewerbegebiete am Ortsrand. "Die Gemeinden dürften nicht so viel ausweisen", sagt sie. Denn so werde nicht nur viel Fläche verbaut, sondern es würden auch die gewachsenen Innenstädte und Dörfer ihrer abgestammten Funktion beraubt. "Wir bauen unsere Landschaft autogerecht um, nicht menschen- oder naturgerecht." Das fördere den Flächenfraß.

Sie nennt als Beispiel aus Wolfratshausen das Baugebiet Angerwiese. Dort hätte man ihrer Ansicht nach statt 40 Garagen à 16 Quadratmetern lieber eine Tiefgarage bauen sollen. "Tiefgaragenplätze sind aber schlechter zu vermarkten als Einzelgaragen."

Unterdessen kaufen Naturschutzverbände und Vereine Flächen auf, um sie zu erhalten oder zu renaturieren. Im Landkreis sind das vor allem der BN, der LBV und der Isartalverein. Aber im Verhältnis zur bereits bebauten und versiegelten Fläche sei das ganz wenig, sagt Tappertzhofen. Krönauer spricht von einer "Marginalie. Die Politiker begrüßen das. Aber manchmal kommt es mir so vor, dass man das als Feigenblatt sieht." Bei anderer Gelegenheit sprächen sie sich klar fürs Wachstum aus, wie Landrat Josef Niedermaier (FW), der kürzlich beim Wirtschaftsforum Oberland sinngemäß gesagt habe, man dürfe sich nicht ausruhen, weil man sonst in Schönheit sterbe, sondern müsse mitmachen bei Fortschritt und Wachstum.

Um den Flächenfraß einzudämmen, setzt Kurt Schmid, der Regionalreferent des BN-Landesverbands in München, auf Innenverdichtung und die Nutzung bereits vorhandener Gewerbebauten. Denn leider sei Oberbayern eine Zuzugsregion, während andere Teile Bayerns regelrecht entvölkert würden. "Städte und Gemeinden sollten alle Möglichkeiten nutzen, um Baulücken zu schließen", fordert er. Schmid sieht bei den Bürgern schon ein Umdenken weg von der Wachstumsideologie. Das hätten die Bürgerentscheide gegen die Olympischen Spiele in München und Oberbayern gezeigt.

Die Gemeinden im Landkreis haben unterdessen ein anderes Problem: Bebaubare Grundstücke im Innenbereich sind meist so teuer, dass auf ihnen kein günstiger Wohnraum entstehen kann, wie die Bürgermeister Anfang Januar bei ihrer Dienstbesprechung beklagten. Sie wollen deshalb leichter im Außenbereich bauen dürfen. Also auf der grünen Wiese.

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