Urteil:Bewährung wegen sexueller Nötigung unter der Johannisbrücke

Der 21-Jährige wird verurteilt und kommt sofort frei. Das Landgericht hält eine Vergewaltigung nicht für erwiesen.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Der 21-Jährige hatte eine 28-jährige Wolfratshauserin Ende Mai unter der Johannisbrücke sexuell bedrängt. Das Opfer biss ihm die Zungenspitze ab. Die Jugendstrafkammer des Landgerichts München II hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung schuldig gesprochen. Die Richter hielten eine Vergewaltigung nicht für erwiesen. Sie verurteilten den jungen Mann zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Er saß seit knapp acht Monaten in Untersuchungshaft und kam sofort frei.

Der Mann, sein Freund und die schon mehrmals vorbestrafte junge Frau waren sich in den frühen Morgenstunden des 31. Mai auf der Johannisbrücke begegnet. Alle waren angetrunken. Der Sachverständige wollte nicht ausschließen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vermindert war. Die jungen Leute alberten herum und unterhielten sich. Wie die Vorsitzende Richterin ausführte, hätten sie Spaß gemacht und seien gut gelaunt gewesen. Die Frau tätschelte den Angeklagten. Er legte den Arm um ihre Schulter. "Wie man rum tut, wenn man beschickert ist", sagte die Richterin.

Womöglich fühlte sich der junge Mann durch das Verhalten der Frau zu sexuellen Handlungen animiert. Nachdem sie sich verabschiedet hatte, um in der Fußgängerunterführung unter der Brücke zu urinieren, folgte er ihr. Er schubste die Frau auf den Boden und gab ihr Zungenküsse. Er ließ auch nicht ab, als sie sich wehrte und ihm auf den Kopf schlug. Schließlich biss ihm die junge Frau die Zungenspitze ab. Erst dann flüchtete er.

Für die Richterin stand fest: Der Mann wollte Sex. So ein Übergriff im Dunklen in einer uneinsehbaren Unterführung sei für eine einzelne Frau wohl das Schlimmste, was passieren könne, sagte sie. Die Richterin glaubte nicht, dass sich die Frau zu sexuellen Handlungen gegen 50 Euro bereit erklärt habe, wie der Angeklagte behauptet hatte.

Vor Gericht hat der junge Mann bereits die Zungenküsse und einen festen Griff an die Brust der Frau eingeräumt. Für die Richterin passten darüber hinaus auch die Dreckspuren an der Rückenpartie der Jacke und an der Hose zu ihren Schilderungen. Die Kleidung der Frau aus der Tatnacht konnte die Polizei sicherstellen. Die Frau hatte den jungen Mann allerdings gar nicht sofort angezeigt. Erst zwei Tage danach spürte sie ihn in seiner Wohnung auf und randalierte dort. Polizeibeamte wurden gerufen und so wurden die Vergewaltigungsvorwürfe bekannt. Zunächst behauptete der Angeklagte, zwei Araber hätten ihn überfallen, betäubt und ihm die Zunge abgeschnitten. Wie die Richter vermuteten, habe er sich womöglich geschämt, von seinen sexuellen Avancen und der bissigen Reaktion seines Opfers zu berichten.

Die Staatsanwältin hielt es für erwiesen, dass der Mann sein Opfer auch vergewaltigt hat. Sie forderte, ihn nach Erwachsenenstrafrecht zu einer Haftstrafe von vier Jahren zu verurteilen. Im Gegensatz zur Jugendgerichtshilfe wollte sie keine Reifeverzögerungen erkennen. Der junge Mann sei vor zwei Jahren aus Eritrea geflohen und habe die Flucht selbstständig geplant und durchgeführt. Der Verteidiger plädierte dagegen dafür, den Angeklagten nur nach Jugendstrafrecht zu verurteilen.

Die Richterin wandte schließlich Jugendstrafrecht an. Für sie war klar: "Eine Flucht macht einen nicht erwachsen." Aus ihrer Sicht hat er seinen Platz im Leben noch nicht gefunden. Sie verwies darauf, dass er mit seinem Freund vor dem Übergriff eine Flasche mit Cola vermischtem Wodka getrunken hatte. Ein solches Trinkverhalten sei jugendtypisch. Der junge Mann sei bisher nie auffällig geworden. Eine Bekannte habe sein Verhalten stets als vorbildhaft geschildert, sagte sie.

Die Richterin hielt eine Haftstrafe für nicht geboten. Sie ging davon aus, dass der junge Mann nach den acht Monaten Untersuchungshaft seine Lektion gelernt hat. Er wisse nun, dass man so nicht mit Frauen umgehen könne. Zudem werde ihn der bleibende Schaden ein Leben lang an den Vorfall erinnern. Sein Geschmackssinn werde wohl dauerhaft beeinträchtigt sein.

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